Künstlerisches rund um den Loschwitzer Elbhangfest-Weihnachtsmarkt
Es ist mitten im November, nass und kalt und an eine weihnachtliche Stimmung noch nicht zu denken. In den Werkstätten und Backstuben am Elbhang wird dennoch gewerkelt, gemalt und gebacken. Nicht nur Weihnachtsgeschenke werden vorbereitet, sondern auch die Waren für die Märkte.
Für viele Künstler und Kunsthandwerker ist es der Loschwitzer Weihnachtsmarkt, der zu einem festen und lieb gewordenen Datum geworden ist. Hier kann man seine kleinen Produktionen auf eine herzliche Art anpreisen. Zwei Wochen im Dezember, in denen der hektische Körnerplatz Charme bekommt, wo Touristen auch mal verweilen und ein Treffpunkt entsteht, um gemeinsam einen Glühwein zu trinken oder eine Suppe zu essen.
Die Eröffnung des Weihnachtsmarktes wird wie immer am 2. Adventssonnabend (4. Dezember) um 13 Uhr mit weihnachtlicher Bläsermusik, Stollenanschnitt durch die Bäckerei Wippler und Besuch des Weihnachtsmannes gefeiert. Am gleichen Tag, um 15 Uhr wird – ebenfalls wie gewohnt – die Ausstellung zum Fotowettbewerb des vergangenen Elbhangfestes „Labe, Lust, Lektüre – Musik und Literatur beim Elbhangfest” im Ortsamt Loschwitz eröffnet. Im Anschluss wird der Videofilm vom Elbhangfest 2004 „Wenn die Böhmen mit den Sachsen…” von Siegfried Beinlich und Ernst Hirsch zur Aufführung kommen. 17 Uhr wird in der Loschwitzer Kirche Vesper sein und 17.30 Uhr erklingt Adventsmusik durch die Kantorei der Thomas-Kirche in Gruna.
Alle Besucher sind natürlich neugierig, was die einzelnen Händler zu bieten haben. Stände werden umlagert und man sucht nach Neuem und nach Geschenken für die Lieben daheim. Doch auch die Vorbereitungszeit war spannend und im Organisationsbüro herrschte eine Atmosphäre wie im Juni kurz vor dem Elbhangfest. Bereits im sonnigen September wurden die zahlreichen Händlerbewerbungen gesichtet, geprüft und für gut befunden, mit Künstlern verhandelt und Programme abgesprochen, Ideen gesammelt und das Plakat entworfen.
So nahm der nunmehr 8. Elbhangfest-Weihnachtsmarkt von Woche zu Woche mehr Gestalt an und inzwischen hat die Vorfreude ihren Höhepunkt erreicht.
Neben zahlreichen Markthändlern, die auch in den vergangenen Jahren mit ihrem Angebot vertreten waren, gibt es 2004 wieder Neues zu entdecken. Bratäpfel und natürliche Produkte rund um den Apfel, Ziegenkäse aus Graupaer Bioherstellung, kunsthandwerkliche Erzeugnisse aus Filz, Holz und vieles mehr. Drei weitere Markstände können im Loschwitzer Kunsthof, Friedrich-Wieck-Straße 5, aufgestellt werden, da dankenswerter Weise Eberhard Klinkewitz sein Grundstück zur Verfügung stellt. Der gemütliche Innenhof ist nicht nur ein Platzgewinn, sondern auch eine attraktive Bereicherung für das weihnachtliche Markttreiben in Loschwitz.
An allen sechzehn Tagen werden in den Nachmittags- und Abendstunden kleine Konzerte, Kinderprogramme und auch die eine oder andere Überraschung für vorweihnachtliche Atmosphäre sorgen. Das tägliche Programm ist auch im Internet unter www.elbhangfest.de und auf Tafeln an den Markteingängen zu erfahren.
Was machen die kreativen Handwerker in der Vorweihnachtszeit? Wir gingen in einige Werkstätten und Ateliers am Elbhang und schauten den Künstlern über die Schultern. Können die Engel schon fliegen, ist Weihnachten hier schon zu spüren?
Schwebende Engel
Hoch oben über dem Weihnachtsmarkt wird, wie schon im letzten Jahr, der Holzengel von Reinhold Herrmann schweben und seine Flügel über den Besuchern des Weihnachtsmarktes ausbreiten. Ein erster Engel in den Händen des angehenden Malers entstand vor über 30 Jahren. Die Ausgangsidee war der erzgebirgische Lichterengel als Schutzengel der Bergleute.
1993, zur Eröffnung der „Galerie an der Schwebebahn”, schnitzte und arbeitete Reinhold Herrmann einen ersten größeren besonderen Engel, der das Zeichen für die kleine Galerie an der Pillnitzer Landstraße 1 wurde. Daraus ergab sich später der Auftrag für einen Engel für den Loschwitzer Weihnachtsmarkt. Und so kam und kommt es Jahr für Jahr im Atelier von Reinhold Herrmann und Gisela Kaiser am Wachwitzer Steinberg in der Vorweihnachtszeit zum Schnitzen, Zusammensetzen der Teile, Bemalen, Vergolden einiger Engel. Gern werden diese handwerklichen Arbeiten in und mit Holz als Sammlung am Abschluss des Jahres ausgeführt. Irgendwie wird schon das Jahr über darauf orientiert: das Holz zum Trocknen beiseite gelegt, schon mal etwas daran gemacht – im November geht es dann intensiver los.
In diesem Jahr entstehen zwei etwa einen Meter große Lichterengel und zwei kleinere aufzuhängende Engel – natürlich keine Serien, sondern jeder Engel mit einer individuellen Gestalt und „Persönlichkeit”.
Kunsthandwerk der edlen Art
Der Engel an der „Galerie an der Schwebebahn” wird in diesem Jahr nicht leuchten. Der Verein lebt auch ohne das rote Haus weiter und so wird es einen Stand einiger Kunsthandwerker des Vereins geben. Simone Wagner wird Keramik und Glas ausstellen, Katrin Schmidt ihre textilen Accessoires, Katarina Gnauck Keramik und Marion Hempel Glasgestaltung anbieten. In der Werkstatt von Marion und Uwe Hempel in der ehemaligen Schule in Wachwitz sind die Vorbereitungen im vollen Gang.
Das spezielle amerikanische Glas wird zugeschnitten und geflust, eine besondere Technik, verschiedenfarbige Gläser miteinander zu verbinden. Der Ofen ist vorgeheizt und die kleinen Glasengel für den Weihnachtsbaum können schmelzen. Aber auch Tiffany-Felder für die Fenster werden hergestellt. Hierbei wird das Glas in Kupferfolie eingefasst und mit Zinn verlötet.
In der Werkstatt arbeitet auch die Keramikerin Simone Wagner. Sie „baut” Dosen und Pflanzgefäße, engobiert und lasiert sie. Vieles steht schon für den Weihnachtsmarkt im Regal bereit.
„Aber nett, weil aus Brett”
Der Holzgestalter Klaus Wiechmann wird seinen Stand gleich am Beginn des Marktes an der Pillnitzer Landstraße haben. Seine aus Altholz gefertigten Holzfiguren sind lustig und bringen zum Schmunzeln.
Zuerst gab es den Elch, der auf den Schaufeln Kerzen trägt. Immer noch ist er das Markenzeichen, der „Renner” – „Achtung! Freilaufender Elch und mehr”. Das weihnachtliche Sortiment ist inzwischen breit gefächert: Schwippbögen, Weihnachts-Krippen und -Berge bestimmen das Angebot. Aber auch Puppenhäuser, Leuchter, Vogelnistkästen, Holzspielzeug und vieles mehr stehen in den Regalen der Werkstatt in Hosterwitz. Es gibt keine Serienfertigung, jedes Stück, jede Gruppierung ist ein Unikat. Alles ist so angelegt, dass immer wieder erweitert, vergrößert, komplettiert werden kann. Das Geschwungene, Krumme spielt eine Rolle, die Struktur des Holzstücks kommt zur Geltung. Immer wieder wird das Produkt lustig abgerundet, mit ausschmückenden, unterstützenden Sprüchen versehen.
Ein kleiner Engel geht seinen Weg Nicht weit vom Weihnachtsmarkt, auf der Grundstraße 16, entstehen in der Werkstatt von Annelie Wiltner ganz besonders feine Miniatur-Engel. Zwei Jahre Entwicklungszeit gingen voraus, bis jedes Detail den Vorstellungen der Holzgestalterin entsprach. Sehr helles Ahornholz lassen Körper, Kopf und Arme geschmeidig aussehen. Die einzelnen Teile werden in kleinen Serien gedrechselt, geschnitten und zusammengefügt. Von den Farben der untergehenden Sonne inspiriert, stellt sie ihre Acryl-Wasserlasuren selbst her und trägt sie in vielen Schichten mit einem weichen Pinsel auf. Die letzten Farbaufträge enthalten Goldpigmente, die den Schein des Abendlichtes auf die zarten Körper der Engel tragen.
Die Gestaltung der Flügel ist filigran, so dass diese wie Perlmutt wirken und im Licht glänzen. Die kleine Perücke wird mit einzelnen gelockten Haarstränen auf jeden Kopf individuell gefertigt. Feine Details wie Haarkränze, Blüten und Musikinstrumente werden zum Teil mit Pinzette ebenfalls aus Holz gefertigt und geben jedem Engel seinen besonderen Reiz, den er mit anmutigem Lächeln trägt. Die Werkstatt wurde zum diesjährigen Elbhangfest eröffnet und Annelie Wiltner ist nun sehr gespannt, ob auch Gäste des Weihnachtsmarktes den Weg zu ihr finden.
Drollige Charaktere: Kakus-Puppen
Wenn der Sommer zu Ende geht, wird in der Werkstatt der Familie Dittrich/Karker schon eifrig an neuen KAKUS-Engeln und -Weihnachtsmännern gearbeitet.
Die Handpuppen sind schon seit dem zweiten Weihnachtsmarkt mit dabei und erfreuen sich großer Beliebtheit bei Klein und Groß. Jede KAKUS-Figur ist ein Unikat und bedarf vieler Stunden Arbeit. Der Grundstoff der Puppen ist eine Eigenentwicklung. In den geübten Händen entstehen daraus die vielen großartigen Charakterköpfe und Phantasiewesen. Dann wird genäht und geschminkt, bis alle Puppen bereit für ihren „Auftritt” auf dem Weihnachtsmarkt sind.
Muffins an der „Senfbüchse”
Der Loschwitzer Weihnachtsmarkt könnte doch auch künstlerisch und kulinarisch verlängert werden, dachte sich Markuss Göpfert. Seine Idee ist es, die „Senfbüchse” mit einzubeziehen. Sie soll von Innen und Außen eine Lichtinstallation erhalten. Auf Bänken ringsum könnte man Glühwein und Senfspezialitäten genießen. Beschützt würde das Denkmal von einem lebensgroßen Bergmann-Muffin. Muffins, das sind Comicfiguren mit drei Zehen und drei Fingern. Sie schlüpfen in jede Rolle und in jeden Beruf. Sie sind kindlich naiv, verspielt und verträumt und werden in Rochwitz, in der Werkstatt des Künstlers, geboren. Es gibt sie als große Gemälde, Anstecker, Sperrholzfiguren, Scherenschnitte usw.
Die Internet-Seite der Muffins erhielt bei dem Wettbewerb sächsischer Internet-Präsentationen in der Kategorie Design erst kürzlich einen zweiten Preis.
Den weihnachtlichen Bergmann-Muffin wird man auf dem Weihnachtsmarkt auch erwerben können, wenn die noch ausstehenden Genehmigungen für die außergewöhnliche Nutzung des Denkmals auch erteilt werden.
Eine Engelgeschichte aus Amerika
Schillerstraße 1. Vierter Stock. Auf allen Tischen, am Boden, ja selbst in der Küche stehen sie: Engel, gedrechselt und noch roh, manche schon mit weißer Farbe grundiert, aber noch ohne Flügel. Andere haben schon Gesichter und sind bereits bemalt. Es gibt größere, kleinere, dickere, dünnere. Und alle schauen sie anders – lächeln, träumen, blicken fragend oder auch ein wenig melancholisch. Bergmänner stehen da auch. Sie haben Schnurrbärte und goldene Hüte zu ihren schwarzen Uniformen. Nur das „Arschleder“ fehlt noch.
Sie stehen still in der kalten Wohnung und warten – auf Friederike Aust. Noch ist sie in Amerika. Ein Arbeitsstipendium führte sie dorthin. An der Hochschule für Bildende Künste in Dresden hat Friederike Aust studiert und vor zwei Jahren dort ihr Diplom für Malerei und Grafik abgelegt. Nach fünf Wochen USA, wo sie in Cleveland/Ohio in der Grafikwerkstatt „Zygote Press“ gearbeitet hat, wird sie nun rasch letzte Engel bemalen und beflügeln und dann – wie in den letzten Jahren – auf dem Loschwitzer Weihnachtsmarkt anbieten. Aus Amerika sandte sie uns per E-Mail die folgende Geschichte:
Meine Engel
Als wir Kinder klein waren, hat mein Vater in der Werkstatt hinter unserem Haus in Radebeul an einer alten Drehbank jedes Jahr im Herbst Engel gedrechselt. Meine Mutter hat ihm geholfen, diese anzumalen. Er hat auch „Räuchertürken“ gemacht, so wie sein Freund Volker Berthold aus Wachwitz. Die Engel haben meine Eltern verschenkt und sich so bei den Freunden bedankt. Ich bin damit aufgewachsen. Das war eine heilige Sache. Am ersten Advent kam meine Mutter früh leise in unsere Zimmer und stellte eine mit den Bildern der Weihnachtsgeschichte aus Buntpapier beklebte Laterne vor unsere Betten.
Als wir aufwachten, leuchtete der Schein der Laterne als Stern an der Decke. Jedes Kind hatte ein Räuchermännchen, von Bertholds gedrechselt. Dann war es Jahr für Jahr das gleiche herrliche Gefühl, wenn ich die Steintreppe runterlief und in der Diele die Engel leuchteten und die erste Kerze am Adventskranz brannte, den meine Eltern am Tag zuvor gebunden hatten.
Wir Kinder durften die ersten Engel selbst drechseln, als unsere Milchzähne rausfielen. Mein Vater wurde wütend, wenn wir ohne Mütze drechselten. Aber meine Brüder haben wohl früher und mehr gedrechselt als ich. Von ihnen gibt es sehr schöne Engel aus der Kinderzeit. Bevor ich später begann, meine Engel zu drechseln und sie im Museum für Volkskunst im Jägerhof anbot, versuchte mein Bruder Friedrich als Junge auf dem Markt seine Engel zu verkaufen. Er sah aus wie ein Striezeljunge, sehr klein, fröstelnd und sehr rührend mit seinem Korb. Aber niemand wollte seine schönen Engel. Vielleicht hatten die Leute in dieser Zeit gerade ganz andere Gedanken im Kopf. Das war zur Wendezeit.
Jedenfalls begann ich ungefähr 1997, im Volkskunstmuseum meine Engel zu zeigen und zu verkaufen – später dann auch auf dem Loschwitzer Weihnachtsmarkt. Seit dieser Zeit fange ich schon im Herbst an zu drechseln und zu bemalen. Vielleicht ist das für manche Leute unbegreiflich und fragwürdig. Aus diesem Grund bin ich vorsichtig wenn man mich fragt, was ich da eigentlich mache. „Ich mach’ Engel“ sag ich, und ärgere mich, weil viele es vielleicht nicht begreifen.
Friederike Aust