Dem Architekten Volker Berthold zum 70. Geburtstag

Susanne und Volker Berthold wohnen seit vierzig Jahren am Elbhang, eng verwachsen mit dem Königsweg in Wachwitz.

Foto: Sammlung Berthold

Foto: Sammlung Berthold

Eine Baugenehmigung bekamen sie seinerzeit für eine Garage. Was von der „Garage“ blieb, das sind die bescheidenen Ausmaße. Entstanden ist ein Haus, zwei Räume übereinander, sorgfältig eingebettet in den Hang. Alles ist auf das Engste bemessen und großzügig zugleich. Der obere Raum öffnet sich durch eine, von Wand zu Wand, vom Fußboden bis zur Decke reichende, aufschiebbare Glaswand in die Weite der Elblandschaft. Die Landschaft wiederum dringt in die Geborgenheit des inneren Raumes.

Die Natur ist ein Teil des Wohnens. Wohnen ist hier mehr als bloßes Zimmerdenken. In diesem Haus haben die Räume keine Namen wie Wohnzimmer, Esszimmer, Schlafzimmer. Die einzelnen Funktionen sind Teil eines großen Wohnraumes und je nach Bedarf veränderbar. Der große Wohnraum klingt wie das Konzept des „Sashiki“, des flexiblen Hauptraumes im japanischen Haus. Er ist ein Ort der Arbeit, der Stille, der Beschaulichkeit, ein Ort des Gespräches und der Geselligkeit. Das große Architekturvorbild  Richard Neutra und Japan, die Kultur der Stille, sind anwesend.

Dione Neutra und Volker Berthold im Haus am Königsweg. Foto: Sammlung Berthold

Dione Neutra und Volker Berthold im Haus am Königsweg.
Foto: Sammlung Berthold

Als Architekt konnte Volker Bert­hold der sozialistischen Maschinerie entfliehen; entfliehen der Archi­tektenschaft, die in der Mehrzahl zum Plattenbau verdammt war. Der Ausstellungsbau gewährte ihm, wenn auch in bescheidenem Maße, noch individuelle Freiheit. Als Ausstellungsarchitekt fand er bald hohe Anerkennung. Er wurde beauftragt mit dem Entwurf und der Ausführungsplanung für das Grüne Gewölbe im Albertinum Ende der siebziger Jahre. Der Direktor des Grünen Gewölbes, Dr. Joachim Menzhausen, fand in Volker Berthold einen kongenialen Partner. In dieser Partnerschaft entstand Großes. Die gestalterische und geistige Haltung dieser damaligen, einmaligen Ausstellung verrät das hohe Einfühlungsvermögen in die Kultur der Vergangenheit und zugleich die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Moderne – der modernen Kunst und der modernen Architektur.

Ein kulturelles Zentrum – das Landschloss Zuschendorf. Ansichtskarte: Pellmann-Verlag

Ein kulturelles Zentrum – das Landschloss Zuschendorf.
Ansichtskarte: Pellmann-Verlag

Während einer Reise durch Polen kratzten Susanne und Volker Berthold ihr letztes Geld zusammen, um ein Buch über den österreichisch-amerikanischen Architekten Richard Neutra zu kaufen, der mit seinen Wohnbauten und Schulen vor allem in Kalifornien international richtungsweisend wurde. So war es eine göttliche Fügung, dass Volker Berthold Dione Neutra, die ebenso in die Architekturgeschichte eingegangen ist wie ihr berühmter Mann, zu Beginn der achtziger Jahre kennen lernte.

„Frau Neutra hielt die Verbindung zu uns über einen Ozean hinweg. Aller zwei Jahre besuchte sie uns. Ein Tag bei Bertholds wurde zur liebgewordenen Tradition. Alle Freunde wurden eingeladen. Frau Neutra sang und spielte Cello. Oft saßen wir im Garten um einen großen runden Tisch. Kaffee wurde geröstet und gemahlen, bevor er auf den Tisch kam. Kinder wurden selbstverständlich in die Gespräche eingebunden.

„… Richard Neutra und Japan, die Kultur der Stille, sind anwesend.“ Foto: Sammlung Berthold

„… Richard Neutra und Japan, die Kultur der Stille, sind anwesend.“
Foto: Sammlung Berthold

Das Haus Berthold wurde für uns ein Zentrum und später, in innerer Not, ein Zufluchtsort. Immer mehr und mehr verdunkelte sich der politische Himmel. Einer nach dem anderen unserer Freunde stellte einen Ausreiseantrag. Volker Berthold hielt die Stellung, er bewahrte das kulturell Gute, er wollte es in eine neue Zeit retten – an diesem Ort, in diesem Land – an die noch wenige glaubten.“

Der Oktober 1989 gab Volker Berthold recht. Das Bewahren ist ihm wichtig. Nur Herkunft hat Zukunft, sagt man. Volker Berthold saniert mit Liebe und Sorgfalt historische Gebäude bis ins kleinste Detail. Wir denken in diesem Zusammenhang an das Haus Pillnitzer Landstraße 158. Ein zum Abriss freigegebenes Umgebindehaus schleppte er kilometerweit auf sein Grundstück und baute es mit eigener Hand über viele Jahre hinweg wieder auf. Die Rekonstruktion alter Häuser handhabt er jedoch keineswegs orthodox. Wohnhäuser haben dem Leben, dem Lebendigen zu dienen. So verbindet er durchaus moderne mit historischen Elementen zu gestalterischer Einheit. Die von Volker Berthold sanierten Wohnhäuser in Laubegast sind dafür ein Beweis und ein Vorbild beim Umgang mit gewachsenen Strukturen.

Führung mit Volker Berthold durch das Landschloss Zuschendorf im  September 1993. Foto: Jürgen Frohse

Führung mit Volker Berthold durch das Landschloss Zuschendorf im
September 1993.
Foto: Jürgen Frohse

Volker Berthold, der dem Buddhismus und japanischer Lebensart nahe steht, ist die stille Tat wichtig. Er fragt nicht nach dem Lohn. Als das Schloss Zuschendorf bei Pirna, einst Besitz derer von Carlowitz, von der Denkmalpflege bereits aufgrund des miserablen baulichen Verfalls aufgegeben war, begann Volker Berthold ungeachtet dessen mit der Rekonstruktion – mit Zeichenstift und Schubkarre. Mit dem Gärtner Mathias Riedel und Günter Hofmann fand er vorausschauende Freunde für diese Tat.

Und wieder gab ihm die Geschichte recht. Das Landschloss Zuschendorf erscheint uns heute in einem Bild, als hätte es nie einen Verfall gegeben. Im Schlossgarten finden wir einen japanischen Pavillon und ein Gewächshaus aus Pillnitz, das zum Verschrotten verurteilt war. In Zuschendorf hat eine der bedeutendsten Kameliensammlungen ein Zuhause gefunden. Schloss Zuschendorf ist heute ein kulturelles Zentrum und dankt Volker Berthold zu Ehren seines 70. Geburtstages mit einer Ausstellung.


  • Aufzeichnung eines Gespräches von Professor Siegbert Langner von Hatzfeldt mit Jürgen Frohse im April 2005 am Körnerweg
  • Ausstellung im Landschloss Zuschendorf: „Ein Dresdner, Jahrgang 35 – Volker Berthold, Träume und Wirklichkeit“, 21. Mai bis 19. Juni 2005
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Veröffentlicht unter Artikel aus der Print-Ausgabe, Der Elbhang-Kurier