Der Festumzug: Begegnungen im Dresdner Elbtal

Probe für den Festumzug: Dietmar Glaser als Zeus, Uwe Becker als Schiller mit den Zeusgehilfen Daniela und Benjamin und dem Poeten. Foto: Jürgen Frohse

Probe für den Festumzug: Dietmar Glaser als Zeus, Uwe Becker als Schiller mit den Zeusgehilfen Daniela und Benjamin und dem Poeten.
Foto: Jürgen Frohse

Uns wird im diesjährigen Umzug natürlich Fried­rich Schiller begegnen, aus dessen Gedicht „Teilung der Erde“ das Festmotto  „Nehmt hin die Welt! rief Zeus von seinen Höhen“ stammt.

Wie gerecht ist die Welt aufgeteilt? Den vergessenen Poeten tröstet Zeus. Er wird sich seiner annehmen. In schwieriger Lebenssituation fand auch Schiller von 1785 – 1787 Hilfe und  Aufnahme bei der Familie von Gottfried Körner am Elbhang. Vermutlich nicht nur einmal musste Schiller seinen Freund mahnen, ihm gewünschte Artikel für seine Zeitschrift „Thalia“ abzuliefern. Als er einsah, dass Körner durch ununterbrochenen Besucherstrom gar nicht die Zeit dafür finden konnte, dramatisierte er in seiner kleinen Komödie „Körners Vormittag“ diese Situation.

Am 2. Juli 1787 spielte er bei der Aufführung sich selbst und weitere kleine Rollen. Im Festumzug und an zwei Spielorten werden die Laienspieler des Martin-Andersen-Nexö-Gymnasiums diese dramatischen Scherze gestalten.  Schiller ist einer der vielen Künstler und Prominenten, die unserem Elbtal einen besonderen Ruf verschaffen. Die landschaftliche  und architektonische Einzigartigkeit beschrieb der Stadtkonservator a. D. Dr. Her­mann Krüger in der Bewerbung zum Land­schaftspreis des Euro­parates, „Kul­turlandschaft Elbe Dresden“.

Dr. Krüger wird im Festumzug den Architekten Pöppelmann spielen. Das Umzugsbild soll August den Starken zeigen, wie er befähigte Baumeister beauftragte, Dresden prunkvoll zu gestalten und selbst Bauskizzen entwarf. Zu seinen eigenen Talenten kamen die Erkenntnisse seines Lehrers, des Oberlandbaumeisters Klengel, hin­zu, des Bewahrers der Elbwiesen.

August stellte sich vor, auf der Elbe zu fahren mit so schönen Ausblicken und Anlegestellen, wie er sie bei seiner Italien-reise auf dem „Canale Grande“ kennengelernt hatte. Wir beginnen in Pillnitz mit den Schülern der 88. Grundschule Hosterwitz, die sich mit den Chinoiserien und der Kamelie beschäftigt haben. Der Wachwitzer Künstler Reinhold Hermann erinnert uns an seine Restaurierung der Fassadenmalereien an den Palais.

Wir blicken auf die gegenüberliegende Flussseite. Dort begegnen wir dem Fürsten Putjatin und seiner Gemahlin. Diesen beliebten Originalen, den Schöpfern eines „eintrittsfreien“  Volksparks und eines öffentlichen Schulhauses, hauchen Frank Müller und Birgit Lehmann Leben ein. In Laubegast erblicken wir das Denkmal der Caroline Neuber. Theaterleute vom Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen würdigen diese Reformerin des Theaters; Literatur statt Hanswurstiaden auf die Bühne zu bringen, war ihr Credo.

Das 1. Elbhangfest 1991 widmete sich dem Wiederaufbau der Losch­witzer Kirche. Wie bei den vergangenen Festumzügen grüßt auch diesmal Pfarrer Selunka die Festgäste und dankt den Mitgestaltern wie z. B. dem Orgelbauer Kristian Wegscheider. Zuverlässig wie immer organisiert Regina Hartfiel dieses Umzugsbild. Die Elbhänge wurden früher umfassender vom Weinbau geprägt, versorgte sich der sächsische Hof doch vom landeseigenen Wein und feierte Weinfeste. Daran soll ein barocker Weintanz, gespielt von den „Wilden Weybern“, erinnern. Berit und Jan Kaboth führen die Tanzgruppe vom Elbhangtreff Niederpoyritz an. Ihre besonderen Winzerfestumzüge gestaltete Ines Kaboth nach Kostümzeichnungen von 1725.

Tanz der „Edelsteine“, Tänzerinnen der Jugend&KunstSchule. Foto: Jürgen Frohse

Tanz der „Edelsteine“, Tänzerinnen der Jugend&KunstSchule.
Foto: Jürgen Frohse

Unsere Elbwinzer kommen mit Bacchus in Stimmung. Die sächsische Weinkönigin Sandy Horgai und die Weinprinzessin Christine Liepke grüßen alle Weingenießer. Wie auch bei vergangenen Festumzügen engagiert sich Jürgen Kalb für die Organisation dieser Umzugsbilder und sorgt sich um den guten Tropfen für die Zuschauer. Dr. Christian Müller stellt seine Weinschule vom Kavaliershaus beim Schloss Albrechtsberg vor. Er macht uns bekannt mit Weinen aus Gegenden, die von der UNESCO zum Welterbe erklärt wurden.

Irgendwie erfüllt es nicht nur ihn, sondern alle Mitwirkenden mit Freude und Stolz, dass sie einen Umzug mitgestalten, der sich der Idee des Welterbes widmet, zu dem unser Dresdner Elbtal gehört. So werden Jugendliche eine Kopie der UNESCO-Auszeichnungsurkunde dem Umzug vorantragen. Am Vorabend des 15. Elbhangfestes wird sie auf Schloss Albrechtsberg übergeben. Gern haben sich die Elbschlösser auf einen Beitrag im Festumzug vorbereitet. Interessant ist, was uns Prof. Gerhard Glaser, Landeskonservator a. D., von der Antragstellung für den UNESCO-Welterbetitel erzählt hat.

Die Schönheit der Natur, die architektonischen Sehenswürdigkeiten waren schon beschrieben, als er von der besonderen Wertschätzung im Ausland erfuhr, die z. B. Karl August Lingner als „Vater der Hygiene“ oder dem Wissenschaftler Heinrich Barkhausen als „Vater der Schwachstromtechnik“ entgegengebracht wird, so dass er die Beiträge dazu in einen Ergänzungs­teil aufnahm. Im Umzug widmet sich der engagierte Lingerschloss- Förderverein seinem Namensgeber und eine Studentengruppe der TU dem besonders in Japan geschätzten Barkhausen. Die Keimzelle der TU liegt auf der Brühlschen Terrasse. 1828 wurden dort die ersten Vorlesungen gehalten.

Von den zahlreichen Erfindern, Wissenschaftlern und Medizinern, die am Elbtal wirkten, können wir im Umzug nur einige stellvertretend auswählen wie Böttger und Tschirnhaus, die das „weiße Gold“ gerade August dem Starken präsentieren. Bekanntlich wurde das Meißner Porzellan 1709 in Räumen unter der Brühlschen Terrasse erfunden. Mit diesem Thema  beschäftigen sich Schüler der 61. Grundschule Rochwitz und stellen es mit ihrem Lehrer Falk Kaboth dar. Manfred von Ardenne siedelte und arbeitete am Elbhang. Seine Söhne Alexander und Thomas erinnern uns an seine wesentlichen Erfindungen, das Rasterelektronenmikroskop, das vollelektronische Fernsehen und die Sauerstoff-Mehrschritt- Therapie.

Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster, um 1659, Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Foto: Klut/Estel

Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster, um 1659,
Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden.
Foto: Klut/Estel

Die Heilkräfte der gesunden Natur am Elbhang nutzten einige Mediziner für die Errichtung von Sanatorien und Heilstätten. Als Humaine-Klinik wird heute das bedeutende Weidner-Sanatorium weitergeführt. Vielen Mitarbeitern ist es ein Bedürfnis, ihre Klinik den Festbesuchern vorzustellen. Unter Regie von Carsten Tietze werden Dienste und Teilnahme in Einklang gebracht. Den königlichen Leibarzt und romantischen Maler Carl Gustav Carus erleben wir auf einer „Kahnfahrt auf der Elbe“. Christian-Peter Mallwitz hat dieses gleichnamige Carus-Gemälde mit viel Umsicht vorbereitet. Es ist ein Beispiel für die unzähligen Kunstwerke, zu denen immer wieder Maler beim Anblick der Elblandschaft inspiriert wurden. Bedeutende Musiker schufen hier im Elbtal ihre Werke.

Dem Komponisten Carl-Maria von Weber widmet der Friedrich-Wolf-Chor unter Leitung von Rolf Mickan ein Umzugsbild zur romantischen Volksoper „Frei­schütz“. Auch ein Ehrenwagen mit sehr bekannten Dresdner Künstlern fährt im Festumzug mit. Seien Sie gespannt darauf, liebe Gäste!

Wir danken dem Dresdner Verein Brühlsche Terrasse e. V., der es unter Leitung von Harry Schumann übernommen hat, das Ziegeltor, das 450 Jahre alte Festungstor, auf einen Festwagen zu bauen. Herzlichen Dank an Dr. Hans-Christian Hoch und Dr. Walter Köckeritz, die uns symbolisch den Wiederaufbau der Frauenkirche vorstellen und dabei gleichzeitig den Initiator Prof. Ludwig Güttler und den Baudirektor Eberhard Burger ehren. Im weiteren Aufbau begriffen ist das Grüne Gewölbe. Zunächst tanzen Mitglieder der „Jugend&KunstSchule“ Figuren, die in Gold und Edelstein geformt, bekannt sind. Das Spiegelkabinett im Schloss wird wieder errichtet. Der Architekt Michael Athenstaedt will es vorstellen.

Prof. Harald Marx leitet im Semperbau die Gemäldegalerie Alte Meister, die dort seit 150 Jahren besteht. Seinem Einsatz ist es zu danken, dass in ideenreicher Kleinarbeit das „Brieflesende Mädchen“ und andere Figuren im Umzug lebendig werden. Beim Welt­kulturerbe „Elbtal“ muss natürlich die Elbe in den Mittelpunkt gerückt werden. Im 18. Jahrhundert verehrte man in künstlerischen Darstellungen gern den Flussgott Albis (lat. für Elbe), so dass Matz Griebel auf die Idee kam, ihn im Festumzug „butz’sch“ zu zeigen. An seiner Seite wünschte er sich Kinder, denn sie sind es, die unser Kulturerbe weitertragen sollen. Wiederum zeigte sich der Hort der 88. Grundschule unter Leitung von Ingrid Burmann einsatzfreudig. Was es dabei alles vorzubereiten gilt: Fische, Nixen, Wassertröpfchen, Dekorationen… Die Kinder haben tolle Ideen.

Im Umzug begegnen uns weiterhin ein Segelboot vom Segelklub Wachwitz, alte Schiffsmodelle vom Schifferverein zu Stadt Wehlen e. V. und sogar eine venezianische Gondel mit italienischer Sängerin „auf der Elbe“.

Unser spezifisches Elbtalklima lässt die Pflanzenwelt gedeihen. Obst­züchtungen, schöne Hausgärten und Parks erfreuen Anwohner und Besucher. So erleben wir im Festumzug musizierende „Blumen“ und nimmermüde „Forscher“ alter Obstzüchtungen mit Kostproben.

Die UNESCO-Auszeichnung für das Elbtal reiht sich ein in die für weltweit rund 800 Titelträger. Überall gilt es, die Kultur zu bewahren. Mit diesem Gedanken  beginnt unser Festumzug, und es grüßen uns Freunde aus aller Welt. Er endet mit dem 42. Bild im Rhyth­mus der Blue-Wonder-Jazzband. Ähnlich wie beim zu Dresden gehörenden Dixielandfestival können sich hier die Zuschauer anschließen.

Im Programmheft wird Mitwirkenden, Sponsoren und Helfern gedankt. Der Platz reicht nicht aus für jeden Namen. Unser herzlicher Dank richtet sich an alle. Ohne die freiwilligen, vielfach kostenfreien Leistungen könnten wir als Elbhangfest-Verein keinen Festumzug gestalten. Wie lange dauert es wohl, bis z. B. Andrée Wähner ein großes UNESCO-Logo auf einem Festwagen errichtet hat? Oder wie viele Stunden bereiten sich Schüler, Eltern und Lehrer der 62. Mittelschule vor, um Welterbestätten aus Ägypten zu veranschaulichen? Die Aufzählung könnte etliche Seiten des Elbhang-Kuriers füllen.

Der schönste Dank für alle ist jedoch die Anerkennung durch die Zuschauer.

Hella Ulrich

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