Der Gasthof zu Bühlau

Der „Gasthof Bühlau“ vor dem Umbau zum „Kurhaus Bühlau“, um 1899. Foto: Archiv R. Lorenz

Der „Gasthof Bühlau“ vor dem Umbau zum „Kurhaus Bühlau“, um 1899.
Foto: Archiv R. Lorenz

Die wechselvolle Geschichte vom Gasthof zum Bestandteil eines Einkaufszentrums

Im Jahre 1608 wurde erstmals eine Schenke, „die direkt an der Landstraße lag“, erwähnt. 1642 lesen wir von einer Rast- und Einkehr­stätte, die als „Alte Schänke von Bühlau“ bekannt wurde. Im Jahre 1775 ist von dem Besitzer Gottfried Benjamin Naake die Rede und es heißt von dem Anwesen: „Zwei Gebäude mit Stuben, Kammern und Ställen von Grund aus neu angefangen zu bauen zur besseren  Bequemlichkeit der Reisenden“. Es wird nunmehr vom „Gasthof Bühlau“ gesprochen. Speisen und Getränke kamen aus der eigenen Produktion.

Im Laufe der Zeit haben verschiedene Besitzer dem Gasthof Bühlau ein besonderes Gepräge gegeben. Da wird Johann Michael Schmidt als Fleischhauer und Gastwirt in Biele genannt. Er starb vor 1746. Die Ehefrau Eva Elisabeth heiratete den Gastwirtssohn aus Weißig, Christian Nacke, der am 31. Juli 1721 in Weißig geboren wurde und am 24. Oktober 1800 in Neu-Bühlau starb. Das Ehepaar konnte in den letzten Lebensjahren auf eine stattliche Nachkommenschaft mit 13 Kindern, 49 Enkeln und 25 Urenkeln zurückblicken. Von daher ist es verständlich, dass der Name „Nacke“ in den Dörfern bis heute weit verbreitet ist.

Abwasch im Hof – Carl Oskar Unrasch (rechts) vermutlich mit seiner Frau Amalie Auguste, um 1890.  Foto: Album Leistner im Kupferstichkabinett, Reproduktionen Elbhang-Photo-Galerie

Abwasch im Hof – Carl Oskar Unrasch (rechts) vermutlich mit seiner Frau Amalie Auguste, um 1890.
Foto: Album Leistner
im Kupferstichkabinett, Reproduktionen Elbhang-Photo-Galerie

Im Kirchenbuch steht die aufschlussreiche Bemerkung: „ … Der Gasthof wird in weiteren Generationen von der Familie Nacke geführt.“ Sie ließ wohl um 1870 einen Saalbau errichten, der noch heute Teil des Kurhauses ist (östlicher Flügel mit Tanzschule und Café). Eine Tochter heiratete den Posamentiermeis­ter und Hausbesitzer in der Dresdner Neustadt, Karl August Unrasch. Ihr Sohn Carl Oscar Unrasch übernahm von Johann Christian Nacke am 18. Januar 1878 „unter Beschränkung“ die Gaststätte und beantragte am 8. August 1879, an „sein Saalgebäude nach beiliegenden Zeichnungen ein Stück anzubauen“.

Carl Oscar Unrasch hatte in Eschdorf am 14. Februar 1865 Amalie Auguste Wehner geheiratet. Beide prägten in besonderer Weise den Gasthof Bühlau. Es wurden ihnen 14 Kinder geschenkt. Sieben starben sehr früh. Die anderen bis ins hohe Alter lebenden Familienmitglieder gingen in ihrem Leben unterschiedlich geprägte, eigene und interessante Wege.

Wettin-Gedenkstein zur Erinnerung an die 800-Jahrfeier des Hauses Wettin 1889. Im Hintergrund der Gasthof mit dem Saalgebäude, um 1890. Foto: Album Leistner im Kupferstichkabinett, Reproduktionen Elbhang-Photo-Galerie

Wettin-Gedenkstein zur Erinnerung an die 800-Jahrfeier des Hauses Wettin 1889. Im Hintergrund der Gasthof mit dem Saalgebäude, um 1890.
Foto: Album Leistner
im Kupferstichkabinett, Reproduktionen Elbhang-Photo-Galerie

Emil Unrasch wurde Rittergutsbesitzer, zunächst in Goldbach, später in Demitz-Thumitz und starb im Jahre 1940. Bruno erwarb eine Fleischerei in Königstein, setzte sich später zur Ruhe und zog in Bühlau in das Haus Bautzner Landstraße 109 ein. Jedoch eröffnete er noch einmal am 1. Juni 1926 dort eine Fleischerei. Bruno starb im Jahre 1936. Der Sohn Karl Unrasch führte die Fleischerei bis 1958. Ein Nachkomme, ebenfalls Karl Unrasch, wohnt heute in diesem Haus, welches nach der Wende 1990/91 wieder in den Familienbesitz übertragen wurde. Gustav war Privatus in Radeberg und starb im Jahre 1870, Hugo war Hotelier in Sorau und starb fünf Jahre später. Max war Bäckermeis­ter in Dresden-Plauen, wurde beim Angriff auf Dresden ausgebombt  und fand eine Unterkunft im „Heiderand“ in Bühlau bis 1965. Alwin war Bauer in Wünschendorf und starb im Jahre 1941.

Die einzige Tochter, Amalie Laura, verheiratet mit Friedrich August Kegel aus Bühlau, wohnte auf der Quohrener Straße. Nach dem Verkauf des Hauses an den späteren Taxiunternehmer Angermann erwarb die Familie mit den Kindern Alfred und Hedwig das Haus Bautzner Landstraße 169. Amalie Laura starb im Jahre 1953. Die Tochter Hedwig heiratete den Baumeister Karl Hanke. Aus dieser Ehe stammen zwei Mädchen. Annelies Hanke erwarb 1945 einen Gewerbeschein und gestaltete Gebrauchsgegenstände im Kunstgewerbe. Sie wohnt seit 1953 in Wiesbaden. Ute hat sich mit ihrem Sohn wieder in Bühlau niedergelassen.  Über die Geschichte der Rochwitzer Familie Hanke ist im Elbhang-Kurier (Ausgabe 12/1999) ausführlich berichtet worden.

Ansichtskarte der Kunstanstalt Leutert & Schneidewind, Dresden, um 1910.  Archiv R. Lorenz

Ansichtskarte der Kunstanstalt Leutert & Schneidewind, Dresden, um 1910.
Archiv R. Lorenz

Am 9. Mai 1893 verkaufte Carl Oscar Unrasch den Gasthof an Eduard Wilhelm Schwarz.

Seine Frau Amalie Auguste Unrasch starb wenige Jahre danach am 29. Mai 1897. Carl Oscar Unrasch zog sich später zurück und wohnte im Fleischerhaus an der Bautzner Landstraße 109. An einem Stück Eisenzaun  im Garten ist das Monogramm COU des einstigen Gastwirtes noch heute zu sehen. Er starb am 16. Februar 1914 in Bühlau und liegt auf dem Schönfelder Friedhof begraben.

Der neue Besitzer des Bühlauer Gasthofes ließ 1894 noch einmal das „Saalgebäude für Garderobe, Gesellschaftszimmer, Abort und einen zweiten Ausgang“ erweitern. Die anderen Gebäude des Grundstücks waren jedoch sehr sanierungsbedürftig. Auch der „Reparaturbau“ an einem Wohngebäude änderte daran nicht viel. Wilhelm Schwarz überlegte, wie die Zukunft der Einkehrstätte anders gestaltet werden könnte. Gleichzeitig wuchs die Bevölkerung, neue Häuser wurden gebaut und aus den kleinen Heidedörfern entstand zusehends ein klimatischer Luftkur­ort. Dennoch wagte er viel, als er am 18. Februar 1898 den Umbau des Gasthofsgebäudes beantragte.

Das Kurhaus

Der „Bauende“, Architekt von Reichpietsch, ließ das alte Gebäude des Gasthofes vollständig umbauen und mit dem Saalgebäude verbinden. Trotz sumpfiger Wiese wurde im Hintergelände ein großer geräumiger Festsaal angebaut. In einem „Zusatz-Kontrukt“ überließ Wilhelm Schwarz gleichzeitig ein Stück Land an der Bautzner Straße der Gemeinde Bühlau. Der Gasthof war nicht wiederzuerkennen und erhielt bald auch einen neuen Namen. Mit dem „Kurhaus Bühlau“, dem neuen Rathaus und der im neugotischen Stil errichteten Erlöser-Kirche (seit 1949 St. Michaels-Kirche) sollte im Luftkur­ort an der Dresdner Heide ein attraktives Zentrum geschaffen werden. Sehr schöne Postkarten taten ein Übriges, um den Luftkurort weithin bekannt zu machen. „Gruß aus Bühlau“ mit schönen Zeichnungen und Fotomotiven vom Kurhaus gehörten selbstverständlich dazu.

Im Ballsaal des Kurhauses fanden viele große und kleine Feste statt. Eine Aufnahme aus den ersten Jahren des Kurhaus-Betriebes.

Im Ballsaal des Kurhauses fanden viele große und kleine Feste statt. Eine Aufnahme aus den ersten Jahren des Kurhaus-Betriebes.

Ein glücklicher Umstand verhalf dem neuen „Kurhaus Bühlau“ zu ungeahnter Blüte – der Bau der Straßenbahnlinie am 22. August 1898, die vom Waldschlösschen bis Bühlau führte. Ab 1. Juli 1908 fuhr erstmals die Bühlauer Pendellinie 11 planmäßig von Bühlau nach Weißig/Eisenbahn-Bahnhof, die allerdings 1949 wieder eingestellt wurde. Durch diese Neuerung zog es viele Sonntagsausflügler, Erholungssuchende und Heidewanderer in diese Gegend. Vor dem Kurhaus konnte sich Jung und Alt von der Heidewanderung erholen und saß im Garten und schaute dem ruhigen, gemächlichen Verkehr auf der Bautzner Landstraße zu.

Der prachtvolle Saal, mit einer hervorragenden Bühne ausgestattet, bot vielen Gruppen Möglichkeiten, sich zu profilieren. In Bühlau gab es in zunehmenden Maße Vereine. Wir kennen den Mandolinenverein, den Schützenverein, den Kegelverein, den Militärverein, den Feuerwehrverein, den Concordia-Gesangverein, den Turnverein und den Verschönerungsverein. Sie alle führten ihre Jahres- und Stiftungsversammlungen im Kurhaus-Saal durch.

Zu Feuerwehrbällen war ganz Bühlau auf den Beinen, um 1920. Ansichtskarten und Fotos: Archiv R. Lorenz

Zu Feuerwehrbällen war ganz Bühlau auf den Beinen, um 1920.
Ansichtskarten und
Fotos: Archiv R. Lorenz

Zum 50-jährigen Bestehen des Concordia-Gesangvereins 1925 feierte ganz Bühlau mit. Die Leis­tungen der 75 Sängerinnen und Sänger auf dem Sportplatz und im Kurhaus fanden große Anerkennung.

Die neu gegründete evangelische Kirchgemeinde in Bühlau konnte endlich am 29. Oktober 1899 ihre neugotische Kirche einweihen. Die aufblühende Gemeinde nutzte ausgiebig den neuen Kurhaus-Saal für ihre großen Veranstaltungen. Zu Weihnachten, wie etwa im Jahre 1910, spielten Schulklassen vor voll besetzten Zuschauer-Rängen ihre mit viel Liebe einstudierten Advents- und Weihnachtsspiele. Der Evangelische Arbeiterverein zu Bühlau bot am 31. Oktober 1905 ein eindrucksvolles Lutherspiel dar. Der Saal war bei jeder Aufführung brechend voll. Nach der Vorstellung stellte sich die Spielgruppe zum Fototermin vor dem Kurhaus auf.

Drogist Johannes Köhler erweiterte 1938 seine Drogerie. Beim Richtfest stoßen die Arbeiter mit Johannes Köhler (Dritter von links) und Paul Schwarz (Vierter von links) auf eine erfolgreiche Drogerie-Entwicklung an.

Drogist Johannes Köhler erweiterte 1938 seine Drogerie. Beim Richtfest stoßen die Arbeiter mit Johannes Köhler (Dritter von links) und Paul Schwarz (Vierter von links) auf eine erfolgreiche Drogerie-Entwicklung an.

Die unvergessene Familie Schwarz ist mit dem „Kurhaus Bühlau“ und seinem rasanten Aufschwung eng verbunden. Sie prägte das Haus über Jahrzehnte. Vielen älteren Bühlauern ist die Familie noch in guter Erinnerung. Erst mit dem Druck zur Verstaatlichung 1972 gab Herr Schwarz schweren Herzens die Gaststätte an die „HO“ ab.

Am 20. Mai 1933 eröffnete das Ehepaar Köhler die Kurhaus-Drogerie. Johannes und Hildegard Köhler ahnten damals nicht, dass die „Drogerie Köhler“ viele Jahre den Bühlauern zu einer begehrten Einkaufsquelle werden würde. Am 7. März 1939 konnte der Laden durch einen Anbau erweitert werden. Nach der Rückkehr von Johannes Köhler aus russischer Kriegsgefangenschaft  erfolgte in einem Teil des Ladens der Verkauf von Volkskunst. Im Geschäft gelangten sehr gefragte und preiswerte Artikel zum Verkauf, die Köhlers über besondere Beziehungen heranschaffen konnten. 1984 erfolgte leider ein Schließungsbefehl für das Geschäft „wegen Umbau“, der von den Bühlauern nicht so recht zu verstehen war.

Drogerie Köhler mit der Tanksäule vor dem Geschäft, um 1940

Drogerie Köhler mit der Tanksäule vor dem Geschäft, um 1940

Das Haus mit dem wunderbaren Saal stand ständig kleinen und großen Veranstaltungen zur Verfügung. Aus dem Jahre 1936 wird wieder von besonders gelungenen Weihnachtsspielen der Bühlauer Schule mit vielen Kindern berichtet. Sehr schöne Fotos zeugen davon. In zunehmendem Maße lud das Haus für Jung und Alt zum Tanze ein. In den Dresdner Zeitungen spiegelt sich das besondere Interesse an den Veranstaltungen wieder. Ab dem Jahre 1931 wurde auch für die „Kleeblatt-Tanzdiele“ geworben. Bei schönem Wetter fanden im Freigelände des Kurhauses die beliebten Tanzveranstaltungen statt. Am 4. Mai 1931 heißt es in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ unter der Überschrift „Der Glückstanz auf dem Kleeblatt“: „ … Die Frühlingsluft soll Euch nach Bühlau ziehen. Unser Tanz im Freien findet auf der neuen Glückskleeblatt-Tanzdiele statt“. Das Wiesengelände hinter dem Kurhaus bot im Mai einen besonders schönen Rahmen.
Auf einem späteren Plakat lud das Gastwirtsehepaar zu den traditionellen Veranstaltungen der Hauskirmes ein.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der Saal als einfachste Flüchtlingsunterkunft für Deutsche aus Wolhyn (Ukraine) und Bessarabien (Rumänien) genutzt. In den letzten Kriegsjahren blieb das Haus geschlossen.

Roland Lorenz, Jürgen Frohse


Theateraufführung Bühlauer Schulkinder im Jahre 1910 im großen Saal des „Kurhauses Bühlau“.

Theateraufführung Bühlauer Schulkinder im Jahre 1910 im großen Saal des „Kurhauses Bühlau“.

Erinnerungen einer alten Bühlauerin

Meine Eltern lebten in einer großen Wohnung in Dresden, wo ich 1920 geboren wurde. Im Grundstück meiner Großeltern, Quohrener Straße 17, heute Kunstschmiede Ehnert, war ich oft zu Besuch. Später, nach dem Tod meines Vaters und nachdem wir eine Zeit in einer kleineren Wohnung an der Bautzner Landstraße wohnten, zogen wir in dieses Grundstück, wo ich noch heute lebe. Mein Weg führte mich als Kind oft am „Kurhaus Bühlau“ vorbei und wenn die „Kleeblatt-Tanzdiele“ zum Tanz lud, war mächtig Betrieb in Bühlau. Meine Großeltern waren Bauern und sie konnten es sich nicht leisten, regelmäßig ins Kurhaus zu gehen. Wir gingen nur, wenn Vereine Feste veranstalteten, die Feiereis-Militärkapelle spielte oder „Apels Marionettentheater“ zweimal im Jahr gastierte. Sie präsentierten Opern oder Sagen, wie die von der Entstehung der Mordgrundbrücke. Zu Hause spielten wir die Szenen nach oder übten Überschläge mit unseren Puppen.

Mit zwölf Jahren konnte ich in dem von der evangelischen Jungschar aufgeführten Theaterstück „Der Holzkopf“ im Kurhaus mitspielen. Meine Großeltern waren mit der Gastwirtsfamilie Schwarz befreundet. Der Sohn spielte Klavier und wurde mir immer als Vorbild genannt.

Nach meiner Ausbildung, schon während des Zweiten Weltkrieges, arbeitete ich in der Firma des Großhändlers Horschik. Eines Tages schickte er mich, einen Umsiedler aus dem Kurhaus zu holen. Der große Saal war nur mit Decken in kleine Wohnräume aufgeteilt, wo die aus Bessarabien und der Wolhyner Gegend stammenden Deutschen untergebracht waren. Es war ein jämmerlicher Eindruck, den ich nicht vergessen werde.

Charlotte Damme

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Veröffentlicht unter Artikel aus der Print-Ausgabe, Der Elbhang-Kurier