Oh welches Glück: Sie steht noch!

Die alte Pappritzmühle im Wachwitzgrund wurde in den sechziger Jahren vom Anglerverband gerettet

Die 94-jährige Erna Schneider lebt seit über fünfzig Jahren im Wachwitzgrund und trägt ihr Herz auf der Zunge.  Foto: Jürgen Frohse

Die 94-jährige Erna Schneider lebt seit über fünfzig Jahren im Wachwitzgrund und trägt ihr Herz auf der Zunge.
Foto: Jürgen Frohse

Am 2. Juli 1963 stellte die Kommunale Wohnungsverwaltung Dresden-Ost den Antrag, die Pappritzmühle, Wachwitzgrund 90, wegen Baufälligkeit abzureißen. Zuletzt hatte der geistig behinderte Maler Goldberg im Haus gewohnt, der Autos mit viereckigen Rädern gemalt hatte. Dieser Antrag wurde am 30. Juli 1963 mit der Abbruchgenehmigung Nr. 17/63 genehmigt.

Davon erfahren hatte der damalige Kreisvorsitzende des Deutschen Anglerverbandes, Heinz Ohlemann, welcher gleichzeitig der Leiter der Wohnungsverwaltung in Striesen war. Er stellte den Antrag, das Gebäude dem Anglerverband Dresden als Gewerberaum zu überlassen. Am 10. Dezember 1963 teilte die Bauaufsicht beim Stadtbezirk Dresden-Ost mit, dass die Abbruchgenehmigung hinfällig wird und der Anglerverband die Auflage erhält, das Gebäude instand zu setzen. Der Anglerverband plante, den Mühlteich für eine Hecht- bzw. Forellenaufzucht zu entschlammen und das Gebäude als Vereinshaus zu nutzen.

Winterlicher Blick über den „Stausee“ mit der 1964 gebauten und noch heute vorhandenen Staumauer sowie der Pappritzmühle im Hintergrund, März 2005 Foto: Jürgen Frohse

Winterlicher Blick über den „Stausee“ mit der 1964 gebauten und noch heute vorhandenen Staumauer sowie der Pappritzmühle im Hintergrund, März 2005
Foto: Jürgen Frohse

Alle Dresdner Anglergruppen leisteten dort freiwillige Arbeits­einsätze mit hunderten Stunden und es wurden etwa 3.000 Mark investiert. So wurden Fensterläden gebaut, so dass Scheiben-Einschlagen nicht mehr möglich war. In der ersten Etage wur­den eine Wand entfernt, ein Träger eingebaut und ein Versammlungsraum hergerichtet. Das Dach wurde repariert, die Außenwand wieder in den Originalzustand versetzt und vieles mehr.

Die statische Berechnung der Teich-Staumauer leistete in unbezahlter Arbeit der Statiker vom Dresdner Fernsehturm. Die Baugenehmigung 38/3/64 dazu erteilte die Bauaufsicht am 25. März 1964 und der Oberflussmeister Dietz gab seine Zustimmung.

Die Schlammberäumung erfolgte ebenfalls im damaligen NAW (Nationales Aufbauwerk) mit einem Bagger durch Angler, die bei der Müllabfuhr beschäftigt waren. Alte Wachwitzer Einwohner werden es noch wissen, wie ein Tieflader mit dem Bagger sich durch den engen Grund zwängte, ohne eine Dachrinne mitzunehmen. Der Teich war geräumt, die Schlammmassen abgefahren und der Bau der Staumauer begann. An der Elbe in Loschwitz wurde Lausitzer Granit abgekippt und von Anglern auf einen kleinen Lkw verladen und am Teich wieder in Handarbeit an die Baustelle gebracht.

Das Schild über dem Eingang fehlt heute. Foto: Jürgen Frohse

Das Schild über dem Eingang fehlt heute.
Foto: Jürgen Frohse

Eine Wasserbau-Firma errichtete dann die Staumauer. Nun konnte Ende 1964 der Probestau vorgenommen werden, die ersten Fische wurden zur Wasserkontrolle eingesetzt – bis zu einem großen Unwetter 1965. Die Fische lagen im Wachwitzgrund auf der Straße und der Teich war wieder so verschlammt wie vorher. Alle Arbeit war umsonst und die Mitglieder im Anglerverband verloren die Lust am Wiederaufbau.

Der neue Kreisvorsitzende hatte keine Lust mehr an dem Objekt und überließ es kostenlos der Urania Berlin. Der Teich sieht heute noch genau so aus wie nach dem Unwetter. Ein neuer Mieter ist jetzt im Haus. Wenn ich durch den Wachwitzgrund gehe, sehe ich noch in Gedanken über der Haustür meine Schrift: „Pappritzmühle“.

    Heinz Ohlemann

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