„Schau an der schönen Gärten Zier“ ist das Motto des diesjährigen Elbhangfestes. Zu Zier und Schönheit der Gärten trugen auch die vielen Gärtnereien am Elbhang bei. Eine Erinnerung an die Loschwitzer Gärtnerfamilie Gruhl
Wann und wie mein Großvater Arthur Gruhl nach Dresden kam, weiß ich nicht. Er wurde in Oschatz geboren und wollte eigentlich Lehrer werden. Nachdem sein Vater, ein selbstständiger Seifensiedermeister, tödlich verunglückt war und sein älterer Bruder die Seifensiederei übernommen hatte, war kein Geld mehr für die Lehrerausbildung vorhanden. Da wurde mein Großvater, der immer schon sehr naturverbunden war, Gärtner. Gegen 1890 muss er dann in Dresden als Gärtner eine Stelle gefunden haben und wurde später bei der Familie des Miniaturenmalers August Grahl in Loschwitz (siehe EHK 1/95) für die Gärtnerei verantwortlich. In dieser Zeit hatte er meine Großmutter Selma, geborene Knackfuß, kennengelernt und 1895 geheiratet. Damals war ihr Vater bereits gestorben und ihr Bruder führte die Gärtnerei Knackfuß gegenüber der Loschwitzer Kirche. Eine Schwester war mit dem Uhrmacher Gustav Fehrmann vom Körnerplatz verheiratet, eine andere Schwester, Olga, mit dem Kunsttischler Franz Lukas.
Wahrscheinlich zu dieser Zeit konnte mein Großvater die Gärtnerei, Pillnitzer Landstraße 82, von Grahls Erben pachten und später kaufen, denn in einer Urkunde ist er schon als „Privatgärtner“ bezeichnet. In der glücklichen Ehe wurden fünf Mädchen geboren, aber das zweite Kind starb schon nach wenigen Monaten. So habe ich nur drei Schwestern meiner Mutter kennengelernt.
Die Älteste war Margarethe, die mit dem Feuerwehrwachtmeister an der Dresdner Oper, Karl Wesely, verheiratet war. Sie wohnte auf dem Weißen Hirsch, Rissweg 66, neben der „Felsenburg“. Wir haben sie sehr gern besucht, sind mit ihr durch die Dresdner Heide gewandert und ich freute mich, wenn ich von ihr eine Freikarte für eine Opernaufführung geschenkt bekam. Meine Mutter Erna war die dritte Tochter, verheiratet mit dem Gärtner Otto Fritzsche, der aber schon in meiner Kindheit anderen Tätigkeiten nachging. Meine Schwester Irene wurde 1931 geboren und wir hatten eine sehr schöne Kindheit.
Tante Liesel und die Loschwitzer Künstler
Das vierte Mädchen, Luise, heiratete den Steindrucker Arthur Hebert. Sie wohnten in den ersten Jahren ihrer Ehe im alten Schloss auf dem königlichen Wachwitzer Weinberg und zogen dann Mitte der dreißiger Jahre in die erste Etage der Gärtnerei, also ihrem Elternhaus. Die „Tante Liesel“ half tüchtig mit, hauptsächlich im Haus und beim Verkauf. Da ihre Ehe, wie auch die Ehe Wesely, kinderlos blieb, freuten sie sich, wenn wir in den Ferien in der Gärtnerei waren.
Die jüngste Tochter Gruhl, Martha, wurde 1911 geboren und lernte Blumenbinderin. Sie blieb aber nicht im Elternhaus, sondern heiratete den Bauern Martin Beyrich und zog mit ihm nach Großschirma.
Die „Tante Liesel“ habe ich oft besucht und da sie einen großen Bekanntenkreis hatte, lernte ich auch viele interessante Menschen kennen. Dabei waren Maler, Bildhauer und Künstler, die im Künstlerhaus und der Umgebung wohnten. Ich erinnere mich noch an die Namen Auerswald, Glöckner, Hassebrauk, Angermann und Krabbes.
Aus dem Nachlass meiner Tante habe ich eine Radierung „Kirche Loschwitz“ von Käte Krabbes, von Auerswald „Blick auf Dresden“ und meine Schwester besitzt das „Pochwerk“ von Auerswald. Es haben mehrere schöne Bilder bei den Großeltern und Tanten existiert, die aber nicht mehr auffindbar sind. Die Tante Gretel hatte schon aus ihren Kindertagen eine gute Freundin, Irene Herzing. Diese war mit dem jüdischen Maler und Grafiker Bruno Gimpel verheiratet. Ich erinnere mich noch, dass wir in den ersten Kriegsjahren manchmal abends bei der Verdunklung Päckchen mit Obst und Gemüse an der Wohnung auf dem Staffelstein abgelegt haben, um beiden zu helfen.
Gegenüber der Gärtnerei steht die „Villa“ (Pillnitzer Landstraße 63), die nach der Familie Grahl von der Familie von Wittern bewohnt wurde und in der nach der Vertreibung aus Schlesien eine Verwandte, die Ärztin Frau Dr. von Korff, ihr Zuhause fand. Nach dem Krieg wurde der ehemalige Speisesaal der Villa als katholische Kapelle eingerichtet, die von einem Fräulein Winter liebevoll betreut wurde, die auch immer für Blumenschmuck sorgte. Meine Tante brachte die Blumen in die Kapelle und ich durfte sie auch mal begleiten. In meiner Kindheit gab es in Loschwitz mehrere Gärtnereien und mein Großvater sowie Knackfuß’s waren Mitglieder des Gärtnervereins. Nach dem Tode des Onkels meiner Mutter übernahm der Cousin Hermann, genannt „Männe“ die Gärtnerei Knackfuß. Anfang der Dreißiger Jahre hatte er bei einem Motorradunfall ein Bein verloren, aber diese Behinderung hat ihn bei der Arbeit nicht gestört.
Nach seinem Tode, seine Frau konnte wegen Krankheit die Gärtnerei nicht weiterführen und seine beiden Kinder waren weggezogen, ging diese Gärtnerei in fremde Hände über. Jetzt ist dort das Antiquariat Kunze. Von der schönen Grabstelle auf dem Loschwitzer Friedhof, mit einer Ruhebank, ist jetzt nur noch der Grabstein mit der verwitterten Schrift „Knackfuß“ vorhanden.
Mein Vater stammte ebenfalls aus Loschwitz, hatte Gärtner gelernt und war nach dem Ersten Weltkrieg als Friedhofsgärtner tätig. Er lernte meine Mutter kennen und heiratete sie 1926. Sein Vater war Arbeiter, seine Mutter Köchin. Bruder Ernst war im Ersten Weltkrieg geblieben, seine Schwester Johanna hatte Schneiderin gelernt und hatte viele Jahre als selbstständige Schneidermeisterin gearbeitet. Dann war sie verheiratet mit dem Malermeister Karl Herrmann, Grundstraße 85. Es wurde erzählt, dass er das „Blaue Wunder“ mit angestrichen hat.
Mit der Tante Hanni haben wir schöne Kinderfaschingsfeiern im „Burgberg“ und im „Hotel Demnitz“ gefeiert. In der Nähe des „Hotel Demnitz“ holten wir für die Großmutter Fritzsche Milch, Butter und Eier vom Bauer Karsch. Es wurde ja großer Wert auf frische Ware gelegt, denn Kühlschränke kannte man damals nicht. Am Körnerplatz waren viele kleine Geschäfte und die Konditorei „Winkler“. Von dort nahmen wir Kuchen mit, wenn wir von Loschwitz aus mit der „Drahtseilbahn“ auf den Weißen Hirsch zur Tante Gretel fuhren.
Dann gab es auf dem Körnerplatz noch einen Gemüsestand der „Mutter Zeibig“. Dorthin ging meine Großmutter täglich, nicht nur zum Einkaufen. Dort erfuhr man alle Neuigkeiten des Tages. 1944 feierten die Großeltern Fritzsche noch ihre Goldene Hochzeit – sehr bescheiden, es war ja Krieg. Am 13. Februar 1945 nachmittags ist meine Großmutter ganz ruhig für immer eingeschlafen. Sie hat den Untergang Dresdens nicht mehr erleben brauchen und bekam noch einen Sarg und eine richtige Grabstätte.
Da es keine männlichen Nachkommen gab, ist in unserer Verwandtschaft der Name Fritzsche nicht mehr vorhanden und an den Namen Gruhl erinnert nur noch ein altes Wappen aus längst vergangenen Zeiten mit der Inschrift: „Wappen des Geschlechts Gruhl aus Oesterreich. Sie stammen aus Ober-Oesterreich und man findet im Jahre 1401, das der Hauptmann Joseph Gruhl im Adelsstand erhoben wurde unter Kaiser Ruprecht.“ (11. Buch, Seite 116)
Dieses Wappen wurde von Generation zu Generation weitergegeben und so landete es bei mir.
Edith Tackmann