Der Pillnitzer Friedrichsgrund

17. Elbhangfest vom 22. bis 24. Juni: „Schau an der schönen Gärten Zier“

Anlässlich des diesjährigen Elbhangfest-Themas möchten wir uns den Gärten und gestalteten Land­schaften am Elbhang mit einer Reihe von Beiträgen widmen. Wir freuen uns besonders, dass wir die Landschaftsarchitektin Stefanie Melzer, die durch ihre Arbeit für die Ausstellung im Pillnitzer Schlossmuseum eng mit dem Thema verbunden ist, dafür gewinnen konnten. Im nächsten Heft wird sie noch näher auf das Wirken des „Botaniker-Königs“ Friedrich August des Gerechten in Pillnitz eingehen. Wir bedanken uns dafür  ganz herzlich.

Die Redaktion


Das Wirken des letzten Kurfürsten und ersten Königs von Sachsen, Friedrich August des Gerechten (1750 – 1827), bestimmte die Entwicklung des Pillnitzer Schlosses und seines Gartens nachhaltig. Doch nur wenige wissen, dass dieser Monarch auch den benachbarten Friedrichsgrund im Stil des frühen sentimentalen Landschaftsgartens ausgestalten ließ und ihm damit seinen Namen gab. Im Folgenden soll daher diese Ausgestaltung näher beleuchtet werden.

Der künstliche Wasserfall, im Vordergrund vier Bänke, von denen aus das „Natur-Schauspiel“ zu bewundern war. Kolorierter Kupferstich, Ende 18. Jahrhundert. Foto: Archiv Ortsverein Pillnitz

Der künstliche Wasserfall, im Vordergrund vier Bänke, von denen aus das „Natur-Schauspiel“ zu bewundern war. Kolorierter Kupferstich, Ende 18. Jahrhundert.
Foto: Archiv Ortsverein Pillnitz

Bereits in frühester Jugend unternahm der Kurfürst fast täglich ausgedehnte Wanderungen und Ausritte in die Pillnitzer Umgebung, wobei vor allem der nahegelegene Meixbachgrund mit seinen waldartigen Partien sowie den „koloßalischen Felsen und hundert kleinen Wasserfällen“ seine Aufmerksamkeit erregte. Zwischen 1775 und 1785 ließ er dort Spazierwege anlegen, Brücken, Stege und Ruhebänke errichten und vermutlich auch einzelne Waldpartien durch die Anpflanzung von Pappeln, Birken und dunklen Nadelgehölzgruppen bereichern. Hinzu kamen kleine sentimentale Gartenszenen, die die Gefühls- und Empfindungswelt stimulieren und den Besucher moralisch erziehen sollten. Um das zu erreichen, bediente sich der Kurfürst – wie Ende des 18. Jahrhunderts üblich – verschiedener literarisch-mythologischer Begebenheiten. Folgende Szenen sind im Friedrichsgrund nachweisbar:

Am unteren Zugang zum Fried­richsgrund fand der Spaziergänger unweit des alten Mühlteiches zunächst eine „an den Berg gebaute Scheune“. Eine Eiche und eine Linde daneben wiesen die Szene für den zeitgenössischen Besucher als Hütte von Philemon und Baucis aus. Beide sind Figuren der griechischen Mythologie, die als betagtes Ehepaar in bescheidenen Verhältnissen lebten, als die Götter Zeus und Hermes eines Tages in Verkleidung an ihre Tür klopften und ein Obdach erbaten. Philemon und Baucis teilten das wenige, das sie besaßen, mit den Fremden und wurden – um niemals voneinander getrennt leben zu müssen – zum Dank in eben erwähnte Bäume verwandelt. Die Hütte im Friedrichsgrund stand also als Symbol der Liebe, der Treue und der Gastfreundschaft.

„Eremitage“ auf dem Borsberg, im Vordergrund Reste der Steinterrassen, auf denen Ende des 18. Jahrhunderts vermutlich die Zeltbuden standen, 2006. Foto: Stefanie Melzer

„Eremitage“ auf dem Borsberg, im Vordergrund Reste der Steinterrassen, auf denen Ende des 18. Jahrhunderts vermutlich die Zeltbuden standen, 2006.
Foto: Stefanie Melzer

Bachaufwärts gelangte man als nächstes zum zerbrochenen Opferstein, einem gemauerten achteckigen Sockel, der oben in einem abgebrochenen Obelisken endete. Er stand in einem Tannenhain, unweit der „künstlichen Ruinen eines antiken Tempels“. Die hier nachgebaute Szene zeigte die von Karl dem Großen zerstörte Irminsäule, das Nationalheiligtum der Sachsen, das diese der Überlieferung zufolge noch nach ihrer Zwangs­christianisierung verehrten. Die Säule ist ein Beispiel des Ende des 18. Jahrhunderts auflebenden Germanenkultes. Die Germanen wurden damals als freies, nicht durch das Macht- und Konsumstreben der Römer korrumpierbares Volk idealisiert.

Ein paar Wegebiegungen weiter folgte das wohl imposanteste Bild des Friedrichsgrundes: der künstliche Wasserfall. Da natürlicherweise nicht genug Wasser zur Verfügung stand, ließ der Kurfürst drei steinerne Reservoirs in eine Sei­tenschlucht des Friedrichsgrundes mauern und darin das Regenwasser der benachbarten Felder aufstauen. Zusätzlich zweigte man Wasser aus dem Meixmühlteich ab und leitete es über einen eigens dafür erbauten Kanal in die Reservoirs. Bei Bedarf konnte dann kurzzeitig ein prächtig schäumender Wasserfall erzeugt werden.

Unweit des Wasserfalls lag in einem besonders steilen und düsteren Abschnitt des Tals Amaliens Rosenhügel. Er stellte das Grab eines „alten sächsischen Helden“ dar und griff erneut das Germanenthema auf. Auf dem Hügel standen ein Wacholderstrauch und zwei Birken. Letztere sollten mit ihren hängenden Zweigen die Trauerassoziation des Betrachters verstärken.

Am Ende des Meixgrundes öffnete sich der Wald zu einer arkadischen Landschaft: Hier lag die Meix­mühle umgeben von Feldern und Weideflächen. Die Mühle exis­tierte bereits seit dem Mittelalter und wurde geschickt als Staffagebau genutzt. Hier erquickte sich „Sachsens Fürst […] oft nach seinen Spaziergängen durch einen Trunk Milch“ und träumte wohl vom vermeintlich sorgenfreien Landleben.

Der zerbrochene Opferstein, links daneben die „Ruinen eines antiken Tempels“. Kolorierter Kupferstich, Ende 18. Jahrhundert. Foto: Archiv Ortsverein Pillnitz

Der zerbrochene Opferstein, links daneben die „Ruinen eines antiken Tempels“. Kolorierter Kupferstich, Ende 18. Jahrhundert.
Foto: Archiv Ortsverein Pillnitz

Der Weg führte schließlich auf den Borsberg, dessen Kuppe völlig frei lag. Der Kurfürst ließ dort im Frühjahr 1775 eine „Eremitage“ bauen, die wie ein unregelmäßiger, moosbedeckter Steinhaufen aussah. Auf einer versteckten Treppe gelangte man zu einer Aussichtsplattform, von der sich ein Panorama-Rundblick in die umgebende Elblandschaft bis hin nach Pirna und Meißen bot. Im Inneren befand sich ein kleines, unterirdisches Kaminzimmer auf achteckigem Grund­riss. Es wurde über zwei kleine Holzfenster und diverse Öffnungen in der flachen achteckigen Kuppel belichtet. Anfangs war der Raum mit rustikalen Knüppelholzbänken ausgestattet, später tauschte man sie gegen bequemeres Mobiliar aus. In unmittelbarer Umgebung der Einsiedelei standen sieben wie Zelte bemalte Holzbuden, die vermutlich als Küche und Speisesalon dienten.

Der Weg zur Eremitage war recht weit und so ließ Friedrich August im Sommer 1785 auf dem Schloss­berg bei Pillnitz ein weiteres Lustgebäude in Blickweite des Schlosses errichten: die gotische Ruine mit Blick auf das Elbtal und die Sächsische Schweiz. Von außen machte das Bauwerk mit Spitzbogenfenstern, Ecktürmchen und abgewitterten Außenwänden voll und ganz den Anschein eines verfallenen Gemäuers, innen beherbergte es einen prächtigen Speisesaal mit stuckierter Decke und Empire-Kamin, ein Nebengelass und einen östlich angelagerten Küchenbau.

Zu Lebzeiten Friedrich August des Gerechten wurden Bauten und Wege des Friedrichsgrundes stets instand gehalten. Der Kurfürst und König durchstreifte den Fried­richsgrund oft allein und zwar bevorzugt montags zwischen sechs und neun Uhr früh. Einsamkeit und Naturerlebnis waren dann ein wesentliches Charakteristikum seines Refugiums. In den Abendstunden diente die Gegend jedoch auch der Zerstreuung der Hofgesellschaft. Auf dem Borsberg fand sie sich zu „Belustigungen“ mit Fernrohr und anderen mathematischen Instrumenten ein, bestaunte den künstlichen Wasserfall und versammelte sich zu glanzvollen Diners in der prächtig illuminierten Ruine. Die Wege blieben stets öffentlich zugänglich.

Die künstliche Ruine, von außen bereits im 18. Jahrhundert als verfallenes Gemäuer konzipiert, innen enthielt sie einen prächtig ausgestatteten Speisesaal, 2006. Foto: Stefanie Melzer

Die künstliche Ruine, von außen bereits im 18. Jahrhundert als verfallenes Gemäuer konzipiert, innen enthielt sie einen prächtig ausgestatteten Speisesaal, 2006.
Foto: Stefanie Melzer

Bereits 1782 erschien der erste Hinweis auf den Friedrichsgrund in einem Dresdner Reiseführer, ab spätestens 1820 konnten Fremde auch die Eremitage von innen besichtigen. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Tal zum beliebten Ausflugsziel, spätestens 1831 öffnete ein Gasthof auf dem Borsberg. Um den starken Gehölzzuwachs ringsum zu kompensieren, errichtete das Hofbauamt Mitte des 19. Jahrhunderts einen hölzernen Aussichts­turm auf der Eremitage. Erst 1897 verlor das Königshaus das Interesse an dem Gebäude und übergab es der Gastwirtswitwe Bähr. Heute droht das Bauwerk einzustürzen. Auch die Meixmühle entwickelte sich zur Ausflugsgaststätte. Sie brannte 1895 komplett ab, wurde neu aufgebaut und lädt heute wieder zur Rast ein.

Die künstliche Ruine scheint bis 1918 noch vom Königshaus genutzt worden zu sein, verfiel dann zunehmend und ist heute eine „echte“ Ruine. Leider gibt es immer wieder Besucher, die durch das Grillen im Kamin und das Herumklettern auf den Wänden die noch erhaltene Bausubstanz der Ruine schädigen. Dank des Einsatzes von ABM-Kräften konnten zwischen 1999 und 2003 bereits die Reservoirs des Wasserfalls sowie die Brücken des Fried­richsgrundes gesichert werden und mit etwas Einfühlungsvermögen findet man auch den Rest der Szenen im Gelände wieder.

Bedeutung kommt dem Ensemble Friedrichsgrund und Borsberg neben naturschutzfachlichen Aspekten auch aus denkmalpflegerischer Sicht zu: Seine Gestaltung entsprach ganz und gar den gartenkünstlerischen Theorien der Zeit um 1780. Im Gegensatz zu anderen, zeitgleich angelegten Gärten – wie z. B. das berühmte Seifersdorfer Tal – kommt sie sogar ohne erläuternde Inschriften aus und beschränkt sich auf wenige, mit Bedacht ausgewählte Garten­szenen, deren thematische Bezüge interessante Einblicke in Charakter und politische Ansichten ihres Schöpfers erlauben.

Dabei ist der Friedrichsgrund nicht losgelöst von seiner Umgebung zu betrachten: Er entstand als Ergänzung des Pillnitzer Schlossgartens und war Bestandteil eines weiträumigen Spazier- und Fahrwegenetzes, das der Kurfürst in der Pillnitzer Elb- und Vorgebirgslandschaft anlegen und instandhalten ließ. Damit verwirklichte er das Anliegen der Landschaftsgartenkunst, den Besucher in die freie Landschaft hinauszuführen, natürlich-schöne Gegenden zugänglich zu machen und nur da, wo es tatsächlich notwendig war, gestalterisch-korrigierend einzugreifen. Der Reiz des Fried­richsgrundes bestand schon im 18. Jahrhundert in stillem Naturgenuss und der Herausforderung der Imaginationskraft – mögen dies noch viele Generationen erleben dürfen.

Stefanie Melzer

Nächste Führungen:

  • 12. Mai 2007, 10 Uhr – „Auf den Spuren Friedrich Augusts des Gerechten durch den Friedrichsgrund“
  • 13. Mai 2007, 11 Uhr – „… und boten Ihm 60 000 Taler“ – Schloss Pillnitz in der Ära Friedrich Augusts des Gerechten
  • 20. Mai 2007, 11 Uhr – Der Schloss­park Pillnitz – Geschichte und botanische Besonderheiten

Beginn und Ticketverkauf jeweils im Besucherzentrum Alte Wache/Pillnitz

Führungen im Rahmen des Elbhangfestes:

  • Sonnabend, 23. Juni
    Chinesischer Pavillon (Straßenseite), 10 Uhr Führung mit Roland Puppe – Der Friedrichsgrund: Auf den Spuren Friedrich August des Gerechten
  • Sonntag, 24. Juni
    Chinesischer Pavillon (Straßenseite), 10 Uhr Führung mit Stefanie Melzer – Der Friedrichsgrund: Auf den Spuren Friedrich August des Gerechten
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Veröffentlicht unter Artikel aus der Print-Ausgabe, Elbhangfest, Kunst und Kultur