Dem Kunstsammler auf der Spur
Noch bis März 2008 zeigen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister im Semperbau des Zwingers in einer Ausstellung „Die Schenkung von Eduard Cichorius an die Dresdener Galerie – Dem Ludwig-Richter-Freund und -Sammler zum 100. Todestag“. Aus der Publikation über den Sammler (Gerd Spitzer: Ludwig Richter in der Dresdener Galerie, Sandstein Verlag, Dresden 2007) ist zu erfahren, dass Cichorius (1819 – 1907) von Ludwig Richter über 900 Zeichnungen besaß, von denen 1908 immerhin 263 Arbeiten des Meisters in das Dresdener Kupferstichkabinett kamen.
Die jetzige Ausstellung zeigt im Zusammenhang jene elf Gemälde, die der Sammler 1903 bis 1906 der Dresdener Galerie schenkte und unter denen sich sechs der insgesamt elf Ludwig-Richter-Bilder der Dresdener Sammlung befinden. Da das Katalogheft auch den Lebensgang des Sammlers und Stifters umfassend erhellt, galt es zu eruieren, wo Cichorius seine „schönsten Knabenjahre“ in Loschwitz verlebte. Die diesbezügliche Stelle in einem Brief an Ludwig Richter vom 20. Juni 1856 besagt weiter: „Wir wohnten damals in dem kleinen Häuschen, das der Besitzung des Kunsthändlers Reichel gegenübersteht“.
Allerdings gab es in Loschwitz nur einen Arzt dieses Namens, zu welchem jedoch Otto Kotzsch eine wichtige Mitteilung in seinen ortsgeschichtlichen Aufzeichnungen gibt: „… Er praktizierte hier bis in die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts, dann betrieb er am Neumarkt eine Kunsthandlung, da sein Sohn öfter Amerika besuchte … in den 70er Jahren praktizierte er wieder … Die Kunsthandlung übernahm Heinrich Richter, der Sohn Ludwig Richters.“ Über die damalige Loschwitzer Besitzung des Doktors und Kunsthändlers enthält das Historische Häuserbuch keine, das erste Adressbuch von 1883 nicht verwertbare Angaben. Aber, so ist in der Chronik überliefert, führte der so genannte „Reichelweg“ aus dem Dorf zum Anwesen des Arztes. Da der Weg ein Vorläufer der späteren Calberlastraße war, muss das Haus des Doktor Reichel in deren oberen Bereich zu suchen sein.
Die Recherche in den Grundbüchern der alten Häuser, die da oben in den 1820er Jahren, denn das ist die Knabenzeit von Cichorius, standen, brachte ein Ergebnis: Dr. med. Carl August Reichel, Dresden, erkaufte am 3. November 1852 das Weingut, jetzt Josef-Hegenbarth-Weg 18, das einstmals dem Hofuhrmacher von Poncet gehörte (EHK 12/2000). Und Cichorius’ „kleines Häuschen“ könnte demzufolge nur das so genannte Begerhäuschen sein, das damals mit zum Besitztum gehörte.
Dieses Häuschen wurde an Sommergäste vermietet; in den Jahren 1816 bis 1818 und dann wieder ab 1824 verlebte hier die Familie von Kügelgen ihren Landaufenthalt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird also Eduard Cichorius Anfang der 1820er Jahre als Kind im Begerhäuschen gewesen sein.
Zwar nennt er in seinem Brief von 1856 nicht die Besitzerinnen während seiner Knabenjahre, das waren die schon bejahrten Töchter von Poncet, sondern den ihm geläufigeren „Kunsthändler Reichel“, der zur Zeit des betreffenden Briefes an Ludwig Richert der Besitzer war.
Das Begerhäuschen existiert heute nicht mehr; es brannte 1945 aus und wurde abgebrochen. Immerhin gibt es davon eine Zeichnung aus der Kügelgen-Zeit.
Matthias Griebel