Die Malerin Angelika Kauffmann (1741 – 1807) schreibt an den Dresdner Kulturbürgermeister:
Verehrter Herr Bürgermeister, obwohl ich Ihre schöne Stadt nie betrat, benannten im Jahre 1904 die Stadtväter mir zu Ehren eine Straße des Waldschlößchenviertels nach meinem Vornamen Angelika. Knapp 100 Jahre nach meinem Dahinscheiden hat mich das seinerzeit sehr berührt. Immerhin war ich damals (bis heute) bereits in der Königlich-Sächsischen Gemäldegalerie präsent: als „Selbstporträt im Kostüm einer Vestalin”, die im Tempel das Feuer bewacht. Meine Wachsamkeit war aber zeitlebens auch der Anmut und Unversehrtheit des menschlichen Umfeldes verpflichtet. Die Akademie in Florenz, Dresdens Schwesterstadt, nahm mich deshalb bereits als 21-Jährige als Mitglied auf, und die Stadt Rom, wo ich vor 200 Jahren starb, stellte im dortigen Pantheon meine Büste auf.
In diesen Weihnachtstagen 2007 muss ich erfahren, dass die Unversehrtheit und Würde der Angelikastraße durch eine willkürliche Baumfällung bedroht ist, nachdem auch Ihr Amtsbruder, der mit Vollmachten ausgestattete Dresdner Baubürgermeister, einen Offenbarungseid geleistet hat. Die zu fällende Buche hat schon zu meinen Lebzeiten dort gestanden. Doch einer „geschändeten” Angelikastraße als Opfer einer maßlosen Brückenbauidee möchte ich hinfort nicht mehr meinen Namen leihen. Bitte, Herr Kulturbürgermeister, tilgen Sie, falls die ehrwürdige Buche fallen muss, meinen Namen aus dem Dresdner Straßenverzeichnis! Es wäre aber auch beleidigend, die Angelikastraße etwa nach ihrem einst prominenten, nicht sehr empfindsamen Bewohner „Putinstraße” oder gar nach dessen Frau Ljudmila zu nennen (, da auch die Nachbarstraßen weiblichen Vornamen gewidmet sind). Keinem Namen ist es zuzumuten, hier in Zukunft einer ratlosen (oder ohnmächtigen?) Stadtverwaltung zu dienen, die Dresden nach dem Willen des Landesherrn und des Regierungspräsidenten zu einem „austauschbaren Ort” ohne Welterbetitel verkommen lassen muss.
Sollte ich jemals wieder den „Pinsel der Mythologie” in die Hand nehmen, würde ich den wackeren Baumbesetzern von „Robin Wood” die Gesichtszüge von unsterblichen baumbewohnenden Elb-Nymphen verleihen – und das Bild ebenfalls der Dresdner Galerie schenken, damit es an die götterferne (oder gottlose) Bedrohung des Welterbes in Dresden gemahnen kann. Es grüßt Sie aus dem griechischen Tempel der Göttin Vesta, aus dem römischen Pantheon, aus den Gängen der florentinischen Akademie, aus den geheiligten Hallen der Dresdner Sempergalerie Ihre der Schönheit und dem Goethegeist ergebene, immer noch in Elbflorenz präsente
Angelika Kauffmann