Editorial Juli 2008

Wissen Sie noch, was Sie im Jahr 2000 dachten, als Eltern die Grund­schule in Niederpoyritz be­setzten, um gegen deren Schließung zu protestieren? Glaub­ten Sie den Argumenten und Statistiken von Politikern und Amtsleitern? Fanden Sie die Demonstrationen unangemessen?

Jürgen Frohse

Jürgen Frohse

Auswirkungen politischer Entscheidungen werden oft erst Jahre später sichtbar. Aufgrund der Schließungen der Grundschulen in Niederpoyritz und in Bühlau müssen jetzt Schulcontainer in Rochwitz aufgestellt und der bereits bestehende in Losch­witz aufgestockt werden. Unterricht in Containern ist alles andere als weitsichtige Schulpolitik!
Die Oberbürgermeisterwahl endete mit einem sehr klaren

Bekenntnis für die Partei der Waldschlößchen-Brückenbefürworter. Ein nochmaliger Bürger­entscheid wird unter diesen Vorzeichen fragwürdig und auch der Gang zu den Gerichten. Die Mehrheit der Dresd­ner hat sich entschieden. Zum Elbhangfest wehten dennoch zum Umzug und an vielen Spielorten die UNES­CO-Welterbefahnen, auch wenn kaum noch Aussicht auf die Rettung dieses Welterbe-Titels besteht. Auch in diesem Fall wird man erst in ein paar Jahren die Auswirkungen sehen. Der Wegfall des Titels wird zuerst die Dresdner Tourismusbranche treffen, die schon jetzt sinkende Besucherzahlen meldet. Man wird sich etwas einfallen lassen müssen, Dresden unter den europäischen Städten einzigartig erscheinen zu lassen. Wird man sich um die Olympischen Spiele bewerben? Mit etwas Abstand werden die derzeit stattfindenden kleinen Scharmützel um die Brücke vergessen sein. Was bleiben wird, ist eine Brücke, die keine Sehenswürdigkeit sein wird – und die Erinnerung daran, dass für Dresden der Welterbetitel „verzichtbar“ war, um den andere Regionen und Städte mit hohem Einsatz ringen. „Was bringt uns schon das Welterbe?“ Zumindest wird man in ein paar Jahren wissen, was der Verlust gekostet hat.

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