Eine Stadt ohne Titel – mit dem „Hang zur Freiheit“
Sevilla lag hinter uns, die Stimmung war zwiespältig, die Welterbe-Gedenktafel an der Loschwitzer Kirche trug Trauerflor, die Begrüßungsmusik von Top Dog Brass Band war ungewöhnlich herb-frech – und die Festreden waren wohlüberlegt, diplomatisch angemessen. Der elbhangfesteigene „Geist der Wahrheit und der Geist der Freiheit“ wurden als „Stützen der Gesellschaft“ beschworen, aber ein leichtfertiger Welterbeverzicht sei eine „falschverstandene Freiheit“. Ein französischer Schirmherr begrüßte die Eröffnungsgäste; Monsieur Dr. Denis Bouquet vom „Institut francais de Dresde“ bestätigte uns in freier Rede, dass das Elbhangfest „einen festen Platz in der Geschichte der Stadt“ hat. Davon zeugte auch der 23-teilige Festumzug, wo den Machern die Freiheit der Gestaltung überlassen wurde. Chefmoderator Mario Thiel hatte alle Mühe, die thematischen Bezüge der schnell vorbeiziehenden Bilder gehörig „auszuschöpfen“. Während er mit einigen offenherzig dekolletierten Festzugsdamen scherzte, entging ihm beinahe der Slogan „vom Sozialismus in seinem Lauf“, den „weder Ochs noch Esel aufhalten“ sollte. Darunter defilierte Erich Honecker „20 Jahre danach“ an uns vorbei, gezogen von zwei Öchslein und gefolgt von zwei Eseln. Als dann Umweltbürgermeister a. D. Klaus Gaber die schwarzbeflorte Welterbefahne (mit Welterbesarg) an der Gedenktafel vorübertrug, blieb dem Moderator der Kommentar weg.
Umso fester war die Stimme des Loschwitzer Pfarrers, als er im Festgottesdienst den „verordneten Predigttext“ der lutherischen Freiheit eines Christenmenschen würdigte. Dass war keine „Methaphysik“, hier wurde allen Freiheitsliebenden der himmlische Segen verheißen. Noch am Abend zuvor hatten wir die „Freiheit von unten“ gerochen, als aus den beleuchteten Schächten der „Trille“ Musik nach oben drang.
Oberirdisch trat wieder „Müllers Weingarten“ über die Ufer. Als dort am Sonntag-Abend die unverwüstliche Barbara Hoene mit dem jung gebliebenen „Arco Belcanto“ auftrat, war man überzeugt, dass die Rente mit „67“ eine reale politische Chance hat. Aber auch die Jugend war nicht faul. Im erstmalig geöffneten Ambiente „bei Uhlmanns“ in Wachwitz brillierten die kreativen Ideen. Wer den Sonntag in Wachwitz an der schönsten Festbühne am Elbhang ausklingen lassen wollte, erlebte ein wunderschönes Konzert von Sinti Swing aus Berlin. Die Kirmes an der Elbe musste derweil schon abgebaut werden, da das Hochwasser die Schaukeln und Karussells erreichte. Doch der angekündigte Regen und der Beginn der Schulferien blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Besucherzahl.
Jürgen Frohse/ Dietrich Buschbeck