Die Eröffnungsrede von Schirmherr Otto-R. Wenzel zum Elbhangfest

Nun „herrscht“ sie also wieder, die „Freiheit“ in Dresden

Otto R. Wenzel Foto: Johannes Dose

Otto R. Wenzel
Foto: Johannes Dose

Liebe Gäste des 19. Elbhangfestes!

 „Schätze der Freiheit – Schätze die Freiheit“ ist das Thema des 19. Elbhangfestes. Es ist das erste Mal, dass ein abstrakter Begriff das Motto dominiert: „Freiheit“. Sie hat eine lange Geschichte. Sie wird so alt sein, wie es Menschen gibt. 

In diesem Jahr feiern wir einige Jubiläen der Freiheitsgeschichte:

  • Vor 2000 Jahren (9) verteidigten die Germanen erfolgreich das, was sie für ihre Freiheit hielten, in einer blutigen Schlachte gegen die Römer.
  • Vor 250 Jahren (1759) wurde Friedrich Schiller geboren, in dessen Werken die Freiheit ein zentrales Thema ist.
  • Vor 220 Jahren (1789) begann die Französische Revolution.
  • Vor 160 Jahren (1849) standen in Dresden Richard Wagner, Gottfried Semper und viele andere für die Freiheit auf den Barrikaden.
  • Vor 90 Jahren (1919) wurde die unermüdliche Kämpferin für Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit, Rosa Luxemburg, in Berlin ermordet.
  • Vor 60 Jahren (1949) gab sich die Bundesrepublik Deutschland eine Verfassung, das Grundgesetz, das den Deutschen Freiheit, Grundrechte, Menschenrechte und Demokratie bis heute garantiert.
  • Vor 20 Jahren (1989) gingen im Osten Deutschlands die Menschen mit Kerzen für mehr Freiheit auf die Straßen. Aus dieser Bürgerbewegung wurde auch das Elbhangfest geboren.
  • Auch heute (2009) gehen Menschen für ihre Freiheit auf die Straßen. So erleben wir es gegenwärtig zum Beispiel im Iran.

Schiller lässt in seinem „Don Carlos“ den Marquis Posa vor den allmächtigen König treten und fordern: „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“ Als diese spätestens nach dem Ende der Monarchie garantiert war, züngelt Karl Kraus aber 1925: „Die Gedankenfreiheit haben wir, jetzt brauchen wir nur noch die Gedanken.“ Und schon Heinrich Heine wusste: „Die Freiheit der Meinung setzt voraus, das man eine hat. 

„Wir hatten eine Meinung – damals 1989. Wir haben uns sie kundzutun getraut. Wir haben auch gehandelt. Wir sind für Freiheit eingetreten und haben um sie gekämpft. Und jetzt – 2009? Wer sich heute nicht traut oder zu bequem ist, sich für diese Freiheit einzusetzen, für sie einzutreten, wird zum „Schwarzfahrer unserer freiheitlichen Demokratie“, wie es Richard von Weizsäcker formulierte.

Die Frage sei erlaubt: Wie gehen wir mit der Freiheit. die wir heute haben, um? „Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sie zu bewahren ist eine Kunst, die mit Verantwortung jedes Einzelnen zu tun hat:“ (Joachim Fest)

 Zügellos ausgenutzte und damit pervertierte Freiheit führt beispielsweise in der Marktwirtschaft zur Beschränkung der Freiheit anderer. Das erleben wir heute. 

Falsch verstandene Freiheit führt zum zerstörerischen Umgang mit deren Schätzen wie beispielsweise dem Welterbe. In einer Leserzuschrift der SZ fand ich kürzlich, ich zitiere: 
„Der Welterbetitel soll abererkannt werden. Damit haben wir die Freiheit wieder, in unserer Stadt tun und lassen zu können, was wir wollen.“

Jetzt ist der Titel aberkannt.
 Nun „herrscht“ sie also wieder, die „Freiheit“ in Dresden. Nur bei Erich Fried las ich: „Wer sagt: hier herrscht Freiheit, der lügt, denn Freiheit herrscht nicht.“ Oder Friedrich von Logau bringt es sehr drastisch so auf den Punkt: 
„Wo dieses Freiheit ist: frei tun nach aller Lust,
 So sind ein freies Volk die Säu in ihrem Wust:“ 

Gerade deshalb dürfen wir die Freiheit nicht den „Logau’schen Säuen“ überlassen. Dass wir uns nicht missverstehen: „Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“ Es gehört nicht alles mir. Zügelloser Freiheit sind Grenzen gesetzt. Ich kann mir nicht nehmen, was mir nicht gehört. Das ist für uns selbstverständlich. Es gibt das materielle und geistige Eigentum der Anderen. Und es gibt gemeinsames Eigentum. Das gehört nicht mir allein. So ist das Dresdner Elbtal nicht alleiniges Eigentum der Dresdner oder Sachsen. Welterbestätten sind Eigentum aller Menschen dieser Erde. Aber Dresden und Sachsen haben sich anders entschieden. So als hätte es keine geistige Entwicklung gegeben in Europa und der Welt.

Hier siegte die „Macht“ über die Freiheit; Machtausübung auf Kosten der Anderen oder der Kultur. „Durchregieren“ geht immer zu Lasten der Andersdenkenden. Dialog stattdessen ist Kultur der Freiheit. Ich wünsche mir auch in dieser verfahrenen Situation den Dialog – auch und gerade in unserer Stadt. Ich wünsche uns allen: Werdet nicht müde, für die Schätze unserer damals erkämpften Freiheit zu kämpfen! Einer dieser Schätze ist die von unserer Bürgerbewegung hier am Elbhang geforderte behutsame Weiterentwicklung unserer Kulturlandschaft. Die Verleihung des Welterbe-Titels war deren logische Konsequenz.

Vor vier Jahren (2005) wurde hier an dieser Stelle – zum 15. Elbhangfest – die Tafel angebracht, die an die Aufnahme des Dresdner Elbtales als Welterbe in die Liste der Unesco-Stätten erinnert. Heute trägt diese Tafel einen Trauerflor.

 Wir dürfen uns dennoch nicht entmutigen lassen zu streiten für unsere Kultur und nicht zuletzt für die Kunst – die „Tochter der Freiheit“!

Trotz oder gerade wegen dieser Ereignisse wünsche ich Ihnen allen offene Augen, Ohren und Herzen, möglichst viele „Schätze der Freiheit“ auf unserem Fest zu entdecken! Ich wünsche uns allen, dass diese Schätze über dieses Fest hinaus das Fundament unserer Gesellschaft, unserer Demokratie, unserer Kultur sind und sich im Sinn der Freiheit weiter entwickeln mögen. – Ich danke Ihnen.

Otto-R. Wenzel

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