„Unterbodenpflege“ am Schloss­park

Die Firma Hans Brode/Pillnitz

Mit der Inbetriebnahme der beiden Brunnen im Oktober 2008 vor dem „Schind­lerbau“ galt der Pillnitzer Platz als wiederhergestellt. Etwas abseits aber, mit gleicher Adresse, steht ein unscheinbarer Flachbau, der dem widerspricht. Den Pillnitzern ist das Haus als Wohnsitz eines hiesigen Winzers bekannt.

Grundstück Brode in den 1950er Jahren. Foto: Sammlung Dr. Kunath

Grundstück Brode in den 1950er Jahren.
Foto: Sammlung Dr. Kunath

Des Winzers Heim

Der Bau verrät, dass er keine der typischen Baracken aus Zeiten der Planwirtschaft ist. Beim Blick übers Gartentor wird, als versteckter Hinweis, ein farbiges Wandbild sichtbar. Dieses zeigt die sogenannte Scheune, welche auch des Winzers Produkte als Etikettenmotiv ziert. Der imposante Fachwerkbau mit den zahlreichen Fleder­mausgauben auf dem gewaltigen Krüppelwalmdach erinnert unweigerlich an vergangene Jahrhunderte.

Moskwitsch vor der Autowaschanlage mit den Brodes in den 1960er Jahren. Foto: Sammlung Dr. Kunath

Moskwitsch vor der Autowaschanlage mit den Brodes in den 1960er Jahren.
Foto: Sammlung Dr. Kunath

Stroh, Diesel und die gute Stube

Schloss und Park, Kammergut, Kaserne mit Marstall und Remise prägten und prägen Pillnitz seit Jahrhunderten. Sie unterschieden das Dorf von den umliegenden. Und zum Weinberg hin standen sie, die notwendigen Stallgebäude. Diese wurden als Wagenschuppen, Scheunen und bei Bedarf auch von Weinbauern genutzt. Deren Nachfrage hielt sich nach der Reblauskatastrophe allerdings in Grenzen. Im März 1936 vermietete der Staat Sachsen, vertreten durch den Vorstand des Schloß­rentamtes Dresden, an Herrn Hans Brode einen Wagenschuppen im oberen Wagenhause zum Einstellen eines Lastkraftwagens. Im Mietvertrag wird unter 3. bereits darauf hingewiesen, dass das Wagenhaus in absehbarer Zeit abgebrochen werden soll. Bis 1945 ergab sich diesbezüglich allerdings nichts. Im März des so folgenschweren Jahres brannte die am Schlosspark gelegene Scheune in Folge eines Luftangriffes nieder. Nach dem Wiederaufbau durch die Familie Brode wurden in ihr, nun ein schlichter Flachbau, wieder Fahrzeuge untergestellt und die Brodes bezogen – nach behörd­licher Genehmigung – sogar das Haus. Sie wohnten nun neben dem Schlosspark mit Blick auf die alten Weinberge, welche zu dieser Zeit fast ausschließlich dem Obstanbau dienten.

Das Wagenhaus vor dem Zweiten Weltkrieg. Foto: Sammlung Dr. Kunath

Das Wagenhaus vor dem Zweiten Weltkrieg.
Foto: Sammlung Dr. Kunath

Die noch vorhandene Bauzeichnung des Pillnitzer Architekten Huhle (März 1948) zeigt Küche und Flur, Wand an Wand mit Werkstatt und Wageneinstellraum. Komplettiert wurde das ganze später mit einer Autowaschanlage und Unterbodenpflege. Diese geben Bro­des Anfang der achtziger Jahre altersbedingt nach und nach auf.

Befragt man heute das ehemalige Umfeld der Brodes, erinnert sich dieses neben der nicht allzu öko­lo­gischen Autowäsche – natürlich der Zeit und den Umständen geschuldet – und dem kleinen Fuhrbetrieb an ein ganz anderes Objekt von damals noch allgemeinem Interesse:
Das Telefon der Familie! War das öffentliche am Dorfplatz defekt, klingelte es häufig im Flachbau, und das kam mit Sicherheit nicht immer gelegen.

Auszug aus dem Mietvertrag von 1936. Foto: Sammlung Dr. Kunath

Auszug aus dem Mietvertrag von 1936.
Foto: Sammlung Dr. Kunath

Nach dem Tod der Familie Brode waren wieder umfangreiche Umbauten notwendig, um aus dem Anwesen ein schickes Haus werden zu lassen, in welchem nun noch viel edlere Tropfen als die eines Diesels zu Hause sind.

Matthias Stresow

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