Nach dem Willen der Stadtverwaltung sollte die Loschwitzer Grundschule 2005 geschlossen werden, wogegen eine Elterninitiative erfolgreich kämpfte. Die Eltern konnten Politik und Verwaltung davon überzeugen, dass eine neue Grundschule hier sogar notwendig und möglich ist.
Bürgermeister Winfried Lehmann besaß die Größe, den Fehler einzugestehen und der Elterninitiative Recht zu geben. 2007 wurde ein Architekturwettbewerb ausgerufen, den das Architekturbüro „Raum und Bau“ mit den jungen Dresdner Architekten Ralph Hengst und Alexander Krippstädt gewann (siehe EHK 2/2008). Wir fragten die Architekten kurz vor Eröffnung der Schule:
Am 9. August beginnt das neue Schuljahr und die Schuleinführung soll noch im alten Gebäude erfolgen? Wird der Bau der neuen Grundschule an der Winzerstraße in Loschwitz nicht pünktlich fertig oder was spricht sonst gegen eine Feier im neuen Haus?
Die Schule wird planmäßig mit Beginn des neuen Schuljahres fertig gestellt sein und in Betrieb gehen. Ausnahme bildet ein Teil der Außenanlage, mit der aufgrund des langen Winters und der schlechten Witterung im Frühjahr erst verspätet begonnen werden konnte. Der sehr straffe Terminablauf über alle Leistungsphasen hinweg wird damit eingehalten werden.
Die Planung lief ab Wettbewerbsentscheidung über Entwurfs-planung, Fördermittelbeantragung, Ausführungsplanung und Bauausführung ohne Unterbrechung durch. In den zurückliegenden zweieinhalb Jahren von Planung bis Fertigstellung sind Dank der Umsicht aller Beteiligten keine nennenswerten Terminprobleme aufgetreten.
Die Schuleinführung wird im alten Schulgebäude mit einem Ausflug in das neue Haus stattfinden. Dies war bislang so geplant, da für die Schuleinweihungsfeier eine entsprechende Vorbereitungszeit benötigt wird. Der geplante Schulbeginn am 9. August ist gewährleistet. Im Schulgebäude selbst werden dann nur noch diverse technische Anlagen planmäßig komplettiert. Diese Einregulierungen sind erst unter „laufendem Betrieb“ möglich und wurden im Ablauf bisher auch so vorgesehen.
Sie haben nach 20 Jahren die erste neue Grundschule in Dresden planen dürfen – eine große Herausforderung. Auf welche Schwierigkeiten stießen Sie?
Die Herausforderung, diese bedeutende Planungsaufgabe umsetzen zu können, haben wir in besonderer Weise angenommen. Mit unserem kompetenten Planungsteam und viel planerischer Energie haben wir dazu beitragen können, dass es keine außergewöhnlichen Schwierigkeiten gegeben hat.
Die in jedem normalen Bauvorhaben auftretenden Herausforderungen wurden mit einem ständig konstruktiv arbeitenden und kompetent aufgestellten Bauherrenteam aus Hochbauamt (Projektleiter Hr. Fritsche), Schulverwaltungsamt (Hr. Fücker/Hr. Wagner) und Schule (Direktorin Fr. Lehmann) pragmatisch gelöst. Der Dank für die Umsetzung des gelungenen Werkes gebührt somit allen Beteiligten.
Von der Raumkonzeption waren die Preisrichter beim Architekturwettbewerb sofort überzeugt. Können Sie uns kurz erklären, worin die Vorteile beim Lernen in diesem Gebäude liegen werden?
Die offene, alle Geschosse verbindende Atriumhalle ist das Herzstück des Entwurfes. Hier entsteht ein zentraler Kommunikationsraum, der sämtliche Funktionsbereiche sowie den Freibereich miteinander verbindet. Vom Atrium im Erdgeschoss aus erreicht man den Mehrzweck- und Speiseraum sowie die Freiflächen. Blickbeziehungen in die abgesenkte Turnhalle und zu den Unterrichtsbereichen der Obergeschosse vermitteln zwischen Aktions- und Konzentrationsbereichen. In den Räumen sind optimale Lichtverhältnisse geplant. Die Unterrichtsräume orientieren sich nach Süden und sind mit einer Lichtleitsteuerung ausgerüstet. Weiterhin sind sämtliche Räume mit am neuesten Stand der Technik orientierter Raumakustik ausgestattet. Die CO2-Konzentration wird ständig gemessen und automatisch über die Lüftungsanlage im optimalen Bereich gehalten. Ein Öffnen der Fenster ist natürlich möglich, in Richtung Pillnitzer Landstraße jedoch nicht zu empfehlen, da hier die Schallschutzverglasungen für ruhige Lernbedingungen sorgen.
Durch die Grundrissfigur gibt es keine Sackgassen, die Wege sind kurz. Das Atrium und sein Gegenstück, die innere Funktionsbox, werden von Rundwegen umschlossen.
Zur Vorstellung des Architekturwettbewerbes im Ortsamt Loschwitz sah das Stadtplanungsamt „Spielraum“ bei der Gestaltung der Fassade, vor allem farbenfroher sollte sie werden. Was sprach dagegen?
Das Schulgebäude befindet sich in einem der schönsten Stadtquartiere Dresdens. Die vornehme und gediegene Architektur der Umgebung wurde im Gebäude bewusst aufgenommen. Das Gebäude ist eine städtebauliche Dominante und repräsentiert die engagierte Bürgerschaft. Ein zeitlos elegant gestaltetes öffentliches Gebäude in die sensible Umgebung einzufügen, war unser Anliegen und wurde in seiner Ausformung sowohl durch das Stadtplanungsamt als auch durch das Landesamt für Denkmalpflege unterstützt.
Die Verwendung von Holzplatten, die im Erdgeschoss das Äußere des Hauses mit dem Inneren verbinden und so die räumlichen Grenzen nahezu aufheben, sowie die Verwendung der Platten als verbindendes Element in den Fensterbändern der Obergeschosse, geben dem Bau eine natürliche Farbigkeit, wie sie prägend für den Stadtteil vorzufinden ist. Ein wohl überlegter Einschnitt in die Fassade des Gebäudes zum Vorplatz in Richtung Pillnitzer Landstraße verschmilzt den Stadtraum mit der Schule und löst damit alle Barrieren demokratisch auf.
Das Haus ist auch die erste Schule in Dresden nach dem Passivhausstandard, was geringen Energieverbrauch bei großem technischen Aufwand bedeutet. Konnten Sie alle Probleme lösen und werden die Kinder auch bei den gerade herrschenden Temperaturen von knapp 40 Grad in der Schule ein erträgliches Raumklima finden?
Die Schule ist der erste sächsische Schulneubau in Passivhausbauweise. Für den Fördermittelgeber war es demzufolge schwierig, Vergleichsmaßstäbe bei der Prüfung der Fördermittelanträge anzulegen. Aus diesem Grund war ein hoher Aufwand notwendig, um das innovative Gesamtkonzept entsprechend förderfähig darzustellen und zu begründen. Durch die enge Zusammenarbeit des Teams aus Bauherren und der beteiligten Planer konnte das Konzept überzeugen und gefördert werden.
Die bereits im Entwurf angelegte Kompaktheit unterstützt maßgeblich das Passivhauskonzept. Dem großen Gebäudevolumen steht eine vergleichsweise geringe Hüllfläche gegenüber, welche sich zudem auch auf den sommerlichen Wärmeschutz positiv auswirkt. Des Weiteren berücksichtigt das Konzept die besondere Lage der Schule in Elbnähe. Das vorhandene fließende Grundwasser wird über zwei Brunnenanlagen im Winter zum Heizen genutzt und kann bei Bedarf im Sommer auch kühlen. Die dafür vorgesehene Wärmepumpe hat eine vergleichsweise geringe Leistung von 80 kW und lediglich die Größe eines Kühlschrankes. Die Tageslicht leitenden Verschattungselemente und die Ausformung des großen Oberlichtes im Atrium unterstützen zusätzlich den sommerlichen Wärmeschutz.
Das Klima im Gebäude ist optimal, der „Nachteil“ für die Schüler wird sein, dass „Hitzefrei“ wohl immer ausfallen muss.
Den Außenbereich planten Sie als Erlebnisschulhof. Was genau werden die Kinder erleben können?
In erster Linie wird dem natürlichen Drang der Kinder nach Bewegung und Freiheit Rechnung getragen. Unter einer Obstbaumallee wird es Dreh-, Wipp- und Balanciergeräte geben. Ein hölzernes „Stadtmikado“ lädt zum Klettern ein. Zum Verweilen stehen den Schülern kindgerechte, sehr farbenfrohe Sitzmöglichkeiten zur Verfügung. Für den Schulsport sind eine 50m-Laufbahn, eine Weitsprunganlage und ein Ballspielfeld vorgesehen. Im Schulgarten können Kirschen und Kiwis geerntet und Gemüse angebaut werden.
Der Freiraum im benachbarten Kindergarten ist im Zusammenhang mit dem Schulaußenraum geplant und bietet den Hortkindern die Möglichkeit, nachmittags auch diese Spielangebote zu nutzen.
Das Interview führte Jürgen Frohse.