Von Blasewitz nach Capri

Der in Blasewitz getraute Alfred Krupp erlebte seine Silberhochzeit nicht mehr

Der Autor dankt den Ortschronisten Bernd Beyer und Kurt-Dieter Prskawetz für wertvolle Hinweise. Ein weiterer Beitrag von K.-D. Prskawetz mit ortsgeschichtlichen Details ist auf der Internetseite nachzulesen.

Am vormaligen Ortseingang von Blasewitz dominierte bis 1945 das Haus Residenzstraße 26 den (heutigen Königsheim-)Platz. Die Familie von Ende bewohnte zeitweise die erste Etage. Foto: Sammlung Bernd Beyer

Am vormaligen Ortseingang von Blasewitz dominierte bis 1945 das Haus Residenzstraße 26 den (heutigen Königsheim-)Platz. Die Familie von Ende bewohnte zeitweise die erste Etage.
Foto: Sammlung Bernd Beyer

In einer Hörspielsendung „Krupp, wie er sich auf Capri ergeht“ beleuchtet Deutschlandradio Kultur (DLR, in Dresden auf UKW 93,2 kHz) am Montag, 14. November, 21.33 Uhr ein Schicksal und eine Familiengeschichte, die eigentlich 1882 in Blasewitz begann (und 1902 in Essen vorläufig endete). Aus einer gutbürgerlichen „Stadtvilla“ – mit adligen Bewohnern – am Blasewitzer Königsheimplatz (damals Residenzstraße 26 zwischen Deutscher Kaiserallee/Mendelssohnallee und Fortshausstraße) führte der spätere „Kanonenkönig“ Alfred Friedrich Krupp (1854 – 1902) seine Braut Margarethe von Ende (1854 – 1931) in seine rheinisch-westfälische Heim Essen. Die kirchliche Trauung fand im August 1882 in der nahegelegenen evangelischen Erlöserkirche an der Wittenberger Straße/Ecke Paul-Gerhard-Straße statt, da es damals in Blasewitz noch keine Kirche gab – wohl aber die Anfänge des Blasewitzer Rathauses. Dort nämlich, im ursprünglichen „Naumannstift“ (am 14. November begeht das Haus seinen 160. Geburtstag), vollzog der damalige Gemeindevorsteher Karl Tauscher die standesamtliche Trauung und animierte den vermögenden Bräutigam mit der oft zitierten Bitte „Herr Krupp, Sie fabrizieren so viele Kanonen, könnten Sie uns da für unseren Kirchenbau nicht mal was vorschießen?“ zu einer (seinerzeit) namhaften Spende (für die heutige Heilig-Geist-Kirche).

Über den Verlauf der damals geschlossenen Ehe kann und soll hier nicht spekuliert werden, da der EHK keinen Paparazi-Ehrgeiz hat (weder die silberne noch gar die eiserne Hochzeit konnte der „Kanonenkönig“ feiern). Das Leben Alfred Krupps endete bereits am 22. November 1902 in der Essener „Villa Hügel“ nach offensichtlich spektakulären Geschehnissen, in die sich sogar Kaiser Wilhelm II. als Trauerredner einmischte. Margarethe Krupp hatte zuvor die Entmündigung ihres Gemahls angestrengt, nachdem in der italienischen und deutschen (von Paparazi gefütterten?) Presse homoerotisch angereicherte Nachrichten von der Insel Capri aufgetaucht waren. Dort hielt sich Krupp in den Wintermonaten 1899 – 1902 in seiner pompösen Villa auf, die man auch heute noch bewundern kann. Vielleich begegnete er dort auch dem späteren Dresdner Architekten Karl Weichardt, der 1905 auf dem Weißen Hirsch seine aus Capri „entlehnte“ Villa Tiberius errichtete (s. EHK August 2011, S.4).

Das vormalige Naumannstift (hier noch ohne den Wägnerschen Anbau) beherbergte, nachdem die Schule 1876 ausgezogen war, 1882 auch das Blasewitzer Standesamt. Reproduktion (nach einer Zeichnung von August Reinhardt): Sammlung Bernd Beyer

Das vormalige Naumannstift (hier noch ohne den Wägnerschen Anbau) beherbergte, nachdem die Schule 1876 ausgezogen war, 1882 auch das Blasewitzer Standesamt.
Reproduktion (nach einer Zeichnung von August Reinhardt): Sammlung Bernd Beyer

Das angekündigte „Kriminalhörspiel“ von DLR begibt sich auf eine außerordentlich spannende Spurensuche zu den damaligen (weltbewegenden) Ereignissen. Die verbliebenen Dresdner Spuren sind allerdings dürftig: Das Braut-Elternhaus Residenzstraße 26 und die Striesener Erlöserkirche wurden Opfer des Bombeenkrieges, ein Standesamt im Rathaus Blasewitz existiert nicht mehr, das Wohnhaus des „Standesbeamten“ Tauscher musste dem Scherzschen Rathausbau weichen. Brautvater August Freiherr von Ende (1815 – 1889) verbrachte seinen Lebensabend als Königlich-Preußischer Oberpräsident a. D. auf dem Weißen Hirsch, wurde aber dort nicht begraben, weil der Waldfriedhof Bad Weißer Hirsch erst 1898 angelegt wurde (wie Horst Milde berichtet). Ob die heutige Grotte an der Dresdner Villa Tiberius Ähnlichkeit hat mit einer Capri-Grotte, in der sich Alfred Krupp mit „Jünglingen“ getroffen haben soll, könnte bestenfalls Stoff für eine Novelle sein – im „Turm“ ist darüber jedenfalls nichts zu lesen.

Die Trauung des „Kanonenkönigs“ in Blasewitz – Weiterführende Gedanken zu einem historischen Ereignis

Karl Friedrich Tauscher, 1859 – 1884 als Blasewitzer Gemeindevorstand im Amt. Reproduktion: Sammlung K.-D. Prskawetz

Karl Friedrich Tauscher, 1859 – 1884 als Blasewitzer Gemeindevorstand im Amt.
Reproduktion: Sammlung K.-D. Prskawetz

Am 14. November 2011 (Hörspielsendetermin bei Deutschlandradio Kultur/s. o.) wird der Gebäudekomplex des Ortsamtes Blasewitz 160 Jahre, und die Geschichte seiner Gründung ist bereits mehr als 170 Jahre alt (s. EHK-Serie 2007/2008 von K.-D. Prskawetz „Sachzeugen Blasewitzer Kulturgeschichte“). Anfänglich erstes Schulhaus von Blasewitz (Naumannstift), wurde er 1877 Gemeuinde- und 1878 Standesamt. Wegen des Baubooms in der Gemeinde seit 1850 kam es zu mehreren Um- und Anbauten am heutigen Ortsamt, so durch die Baumeister Emil Wägner und Karl Emil Scherz.

Eine Menge Geschichte und Geschichten birgt das heutige Ortsamt Blasewitz. Die Folgende sei hier besonders herausgegriffen. Sie ereignete sich während der Zeit, als Karl Friedrich Tauscher in Blasewitz nicht nur Gemeindevorstand (1859 – 1884), sondern gleichzeitig Standesbeamter war. Eine Trauung (1882), die Tauscher vornahm, ragte unter allen besonders heraus. Friedrich Alfred Krupp (1854 – 1902), geboren in Essen, zu seiner Zeit im Besitz des größten Familienunternehmens der Erde, hatte die Liebe nach Blasewitz verschlagen. So ergab sich jenes besondere Ereignis für die Gemeinde Blasewitz: die standesamtliche Trauung zwischen ihm und Eva Franziska Charlotte Margarethe Freiin von Ende. Ihr Vater, August Freiherr von Ende, Königlich-Preußischer Oberpräsident a. D., wohnte damals in der Residenzstraße 26 (heutige Loschwitzer Straße). Nach der Eheschließung und Fertigstellung des Protokolls kam es zu Krupps legendär gewordenem Ausspruch und zu seiner Spende von je 300 Reichsmark für den Kirchen- und Armenfonds der Gemeinde Blasewitz. Wie damals üblich, zog die Hochzeitsgesellschaft noch am gleichen Tag unter Teilnahme zahlreicher Einwohner in die Kirche nach Altstriesen, da die Blasewitzer Heilig-Geist-Kirche erst am 15. Oktober 1893 geweiht wurde.

(nach Aufzeichnungen von Kurt-Dieter Prskawetz)

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