Krippen(be)suche im Elbhang-Umfeld

Wer in diesem Jahr Weih­nachtskrippen nicht nur im Stadtmuseum „schauen“ will (siehe S. 6), kann das auch – wie in jedem Jahr – in einigen Kirchen des Elbhangumfeldes tun. Zwar findet man in vielen häuslichen Weihnachtsstuben eine Krippe in den verschiedensten Ausprägungen, aber die Kirchenräume bieten – auch im Hinblick auf das gemeindliche Brauchtum – dafür einen besonderen Rahmen.

In Pillnitz, Hosterwitz, Loschwitz oder auf dem Weißen Hirsch (in beiden Kirchen) begegnen wir keiner figürlichen Darstellung – in Loschwitz war aber bis zum Umzug in die wiedererrichtete Kirche (die jetzt alljährlich mit Reinhold Herrmanns „schwebendem Engel“ geschmückt ist) im Gemeindehaus Grundstraße eine traditionelle Weihnachtskrippe aufgestellt (wie Eberhard Münzner berichtet).

„Christgeburt im Lüneburger Heidehaus“– über die Zeiten gerettet in die Striesener Versöhnungskirche. Foto: Gert Hiltscher

„Christgeburt im Lüneburger Heidehaus“– über die Zeiten gerettet in die Striesener Versöhnungskirche.
Foto: Gert Hiltscher

Kleine Kunstwerke in Kirchen und Kapellen

Die Kirchen oder Kapellen in Laubegast, Tolkewitz, Striesen, Blasewitz, Bühlau und Rochwitz/Kamerun haben in den vergangenen Jahr(zehnt)en sehenswerte, gestalterisch ganz unterschiedliche Krippendarstellungen „angeschafft“, die alle ihre Geschichte haben. Die Christophoruskirche Laubegast beherbergt eine von Kerstin Hermann und Karin Dutsch aus „waldorftypischen“ Naturmaterialien gefertigte Krippe, deren phantasieanregende Stofffiguren nach der großen Flut von 2002 teils neu hergestellt werden mussten. – Für die in den 50er Jahren gebaute Bethlehemkirche Tolkewitz (sie begeht am 8. Dezember ihr 60-jähriges Bestehen) schnitz­te 1958 der Geisinger Holzbildhauer Siegfried Urbank (1928–1972) eine „Bethlehemfamilie“, die hier beziehungsvoll auf dem Altartisch aufgestellt wird. Einer der dort versammelten Hirten trägt übrigens die Gesichtszüge des damaligen Gemeindepfarrers Hermann Winkler, der den Bau der Kirche maßgeblich initiiert hatte.

Diese fast lebensgroßen Figuren von der Hand eines bulgarischen Künstlers stehen zu Weihnachten im Saal der Christengemeinschaft an der Wachbergstraße. Foto: Wolfram Pietsch

Diese fast lebensgroßen Figuren von der Hand eines bulgarischen Künstlers stehen zu Weihnachten im Saal der Christengemeinschaft an der Wachbergstraße.
Foto: Wolfram Pietsch

Die „dienstälteste“ Krippe steht in Striesen

Auf dem großen Altarplatz der Striesener Versöhnungskirche fin­det sich in der Weihnachtszeit eine ikonografische Besonderheit (recherchiert von Gert Hiltscher): Hier liegt Maria neben der Krippe des Jesuskindes im Wochenbett. Diese nachempfundene „Wirklichkeit“ spiegelt sich auch in den übrigen Figuren der „Christgeburt im Lüneburger Heidehaus“ wieder, die der Trachenberger Pfarrer Johannes Riedel in den 30er Jahren schnitzte und bemalte (im Winter 1934/35 wurde die Krippe auf der – „völkisch inspirierten“ – Deutschen Krippenschau in Aue gezeigt). Riedel schenkte die Krippe der ebenfalls in Trachenberge wirkenden evan­gelischen Schwesternschaft des dortigen Maria-Anna-Hospitals, das behinderte Kinder betreute und (offenbar aus „rassischen Gründen“?) bereits 1937 geschlossen wurde. Die nach 1945 noch in Striesen versammelten Schwestern übergaben die Krip­pe schließlich der dortigen Versöhnungsgemeinde, in deren Obhut sie bis heute geblieben ist. – Im benachbarten Blasewitz werden die weihnachtlichen Gottesdienstbesucher in der Brauthalle der Heilig-Geist-Kirche seit den frühen 60er Jahren von einer stilvollen Tonfiguren-Krippe begrüßt, die aus den Behinderten-Werkstätten des diakonisch en­gagierten Potsdamer „Oberlin-Hauses“ stammt. Ebenfalls eine „Oberlin-Krippe“ findet sich in der Bühlauer St.-Michael-Kir­che, die dort von Weihnachten bis Lichtmess aufgebaut ist.

Unter dem Stern von Bethlehem in der Tolkewitzer Bethlehemkirche: 1958 schnitzte Siegfried Urbank diese Figurengruppe; dem weißhaarigen Hirten (r.) verlieh er die Gesichtszüge des damaligen Gemeindepfarrers. Foto: Stefan Behr

Unter dem Stern von Bethlehem in der Tolkewitzer Bethlehemkirche: 1958 schnitzte Siegfried Urbank diese Figurengruppe; dem weißhaarigen Hirten (r.) verlieh er die Gesichtszüge des damaligen Gemeindepfarrers.
Foto: Stefan Behr

Die im Altersheim der „Christengemeinschaft“ in Rochwitz/Kamerun auf­gestellte Krippe – geschnitzt von dem aus Bulgarien stammenden Künstler Petkov – ist insofern eine Besonderheit, dass die fast lebensgroßen naturbelassenen Figuren der eigentlichen Christgeburt von Weihnachten bis 5. Januar im Saal des Hauses, aber die Heiligen Drei Könige erst am Epiphaniastag im Vorraum der dortigen Michaelkapelle zu betrachten sind. Der Kunstdienst der Landeskirche, der schon manche (zeitgenössische) Krippendarstellung gezeigt hat, verfügt auch über einen kleinen „Elbhang-Bestand“; dazu gehören die bemalten Krippenfiguren der einstmals auch in Graupa arbeitenden Künstlerin Brigitte Großmann-Lauterbach (1923–1965) und die Figuren des studierten Holz- und Steinbildhauers Erich Müller (1909–1976), der zeitweise in Wachwitz und später an der Steglichstraße (Weißer Hirsch/Oberloschwitz) wohnte, u. a. mit seinen „Weihnachtskrippen und Paradiesgärten“ und durch die künstlerische Zusammenarbeit mit dem Blasewitzer Architekten Fritz Steudtner (EHK 8 u. 9/2011) bekannt wurde (s. auch „Künstlerbuch“ Bd. II).

Der Kirchliche Kunstdienst bewahrt die bemalten, am Elbhang entstandenen Krippenfiguren von Erich Müller, dem wohl ein Paradiesgarten vorschwebte, auf.  Foto: Kunstdienst

Der Kirchliche Kunstdienst bewahrt die bemalten, am Elbhang entstandenen Krippenfiguren von Erich Müller, dem wohl ein Paradiesgarten vorschwebte, auf.
Foto: Kunstdienst

Ein Weihnachtsberg „ganz privat“ – und ganzjährig

Bei den Recherchen zu weihnachtlichem Brauchtum im Revier stießen wir in Blasewitz auf der Reinhold-Becker-Straße auf einen „Weihnachtsberg“, der in den 80er Jahren in Laubegast entstand und jetzt ganzjährig in der Wohnung aufgebaut ist. Aus naturbelassenem Lindenholz geschnitzt und gestaltet hat ihn die kunsthandwerklich begabte Musikerin Ingeborg Weise (1936–2001). Das kleine (nicht beweg­liche) Kunstwerk erzählt vom Bergbau, vom Weihnachtsmarkt, von den Tieren im Wald und von himmlischen Engeln, und damit nichts fehlt, baut Wolfgang Weise in der Weihnachtszeit daneben eine ebenfalls von seiner verstorbenen Frau geschnitzte Krippe auf.

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Veröffentlicht unter Artikel aus der Print-Ausgabe, Kunst und Kultur