Pillnitzer Mutbürger

Ein kleiner Park umgibt das Finanzministerium in der Stadtmitte. Es könnte passieren, dass demnächst das Gelände abgesperrt wird. Die Mitarbeiter des Ministeriums werden dann von Bürgern gebeten, vor Betreten des Finanzparks Eintrittsgeld zu zahlen.

„Vom Barock zum Barack“ spottete man über die vielen provisorischen Bauten, die in DDR-Zeiten in Dresden entstanden – Mit den neuen Kassenhäuschen vereint man jetzt beide Baustile in Pillnitz. Foto: Jürgen Frohse

„Vom Barock zum Barack“ spottete man über die vielen provisorischen Bauten, die in DDR-Zeiten in Dresden entstanden – Mit den neuen Kassenhäuschen vereint man jetzt beide Baustile in Pillnitz.
Foto: Jürgen Frohse

Dem Freistaat wird das „Frei“ genommen, die Mitarbeiter, die freiwillig zur Arbeit gehen, müssen plötzlich widerwillig dafür Eintritt zahlen. Es ist die Idee eines Pillnitzers, der den Vorschlag auf der Einwohnerversammlung der Bürgerinitiative am 13. März vortrug. Vielleicht werden so die Finanzbeamten endlich auf die Bürger aufmerksam. Aufmerksam ist ein Wort, aber zugleich eine Umgangsform. Es wäre sinnvoll, aufmerksam zuzuhören, denn längst geht es nicht mehr um zwei Euro, die die sächsische Regierung ab 2. April für den Zugang des Pillnitzer Schlossparks verlangt. Pillnitzer sprachen sich mehrheitlich gegen das Eintrittsgeld aus. Darauf wurde der Staat nicht aufmerksam. Am 15. März sprach sich der Dresdner Stadtrat mehrheitlich gegen das Eintrittsgeld aus. Das erregt nun hoffentlich Aufmerksamkeit. 2010 erhielt die Oberbürgermeisterin schon einmal den Auftrag, sich bei der sächsischen Regierung gegen das Eintrittsgeld stark zu machen. Aufmerksam tat sie das nicht.   Seit sieben Jahren versucht der Staat, für den Parkbesuch Geld abzuverlangen. Seit sieben Jahren scheitert dieser Versuch am Widerstand der Bürger, die eine intelligente Lösung, die Alternativen zu einem Eintrittsgeld suchen, um den Park zu erhalten. Denn dafür gibt es gute Gründe:

  1. Pillnitz mit Schloss und Park ist ein Ort mit Wegebeziehungen, ein Gesamtkunstwerk, das durch die Absperrungen zerschnitten wird. Wegerechte werden verletzt.
  2. Die Freiheit, in dem Park eintrittsfrei spazieren zu gehen, beruht darauf, dass schon die sächsischen Könige dies ihren Untertanen erlaubten. Den Wettinern gehörte die Anlage seit 1694 bis zur Fürstenabfindung im Jahre 1924. Die Fürsten und Könige erweiterten das Anwesen mit der Zeit immer mehr und nahmen sich dafür das Land der dort ansässigen Bauern. Sie würden mit der Absperrung nachträglich nochmals enteignet.
  3. Der Staat Sachsen verfügt heute über ein Eigentum, das er nicht kaufte, sondern das ihm zufiel – durch die Revolution der Bürger 1918. Sachsen erhob nie ein Eintrittsgeld, nicht unter dem König, nicht unter der Nazidiktatur, nicht zu DDR-Zeiten. Da verwaltete die Stadt Dresden die Anlage und schaffte es, trotz massiver Finanznöte, das Kulturgut zu bewahren. Nach 1990 ging der Besitz, erneut durch eine Revolution der Bürger, an den Staat Sachsen zurück. Jetzt den Park abzusperren, verletzt ein Jahrhunderte währendes Gewohnheitsrecht.
  4. Auf dieser Historie beruht das Verständnis vieler Dresdner, dass dieser ein Bürgerpark ist. Und genau deshalb sind sie mit Leidenschaft und Emotion für ihn da. Den Park abzusperren verletzt diese Gefühle, ignoriert den moralischen Anspruch.
  5. Der Staat sparte in den vergangenen Jahren kräftig. Das soll er sogar. Doch er zieht sich vor allem aus seiner kulturellen Verantwortung zurück. Der Bürger soll das ausgleichen. Doch Sachsens Erfolg beruht vor allem auf seinem Ruf als Kulturland. Den Park abzusperren heißt, den Zugang zu Kultur und Bildung weiter zu beschneiden. Im neuen Landesentwicklungsplan, der die Strategie der Regierung für die kommenden Jahre absteckt, werden die Kultur und die sächsische Kulturlandschaft nicht mit Aufmerksamkeit bedacht. Es geht vor allem um den Wirtschaftsraum Sachsen. Auch deshalb wird jetzt der Schlösserbetrieb in eine GmbH verwandelt. Aber kann man ein Kulturgut wie den Pillnitzer Park wirklich privatwirtschaftlich erhalten und entwickeln? Ganz abgesehen davon wurde eine weitere wichtige Chance in der Vergangenheit verspielt. Der Pillnitzer Schlosspark gehörte einst zum Unesco-Welterbe Dresdner Elbtal. Der Titel wurde der Stadt aberkannt. Damit ist es fürs Land auch leichter, sich aus der kulturellen Verantwortung zu stehlen. So bringt das Eintrittsgeld plötzlich vieles zum Vorschein, was Sachsen bewegt. Es einzuführen wäre ein weiterer Schritt, Tradition, Engagement und Zuversicht zu verletzen. Ohne jeden Zweifel benötigt der Park Aufmerksamkeit. Doch ihn einzuzäunen, ist nur der bequeme Weg einer Finanzverwaltung, die ausschließlich in Zahlen denkt. Man sollte gemeinsam weiter denken, statt Zäune zwischen Staat und Bürger zu errichten.

Peter Ufer

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Veröffentlicht unter Artikel aus der Print-Ausgabe, Eintritt Schlosspark Pillnitz