Die Gründungs- und Erschließungsarbeiten, die Stahlbaumontagen an der „Elbewiesenbrücke“, die die Dresdener Bürger in zwei unversöhnliche Lager gespalten hat, sind abgeschlossen und die Betonarbeiten werden bis zum Sommer 2012 beendet sein und die Brücke kann noch in diesem Jahr (?) in Betrieb genommen werden. Dem einen zur Freude, dem anderen zum Verdruss.
Täglich hören wir von der Politik, dass man bei allen möglichen Problemen einen tragfähigen Kompromiss geschlossen hat. Bei diesem Verkehrswegeprojekt hätte der Kompromiss zweifellos Elbetunnel heißen können. Es gab jedoch ein „Basta“ der CDU-Landesregierung und die Realisierung des fragwürdigen Entwurfes wurde unter Nutzung aller Verbindungen und Lobbyisten durchgesetzt. Warum gab es eigentlich keinen Dialog, keinen „Runden Tisch“ zu dieser die Stadt- und Elbelandschaft so stark dominierenden Brücke, die noch dazu den Charme einer Industrie-bzw. Eisenbahnbrücke hat. Irgendwann wird es wohl auch dazu Erklärungen geben. Anfang der 90er Jahre wurde durch die Fa. DYWIDAG eine Studie zum geplanten Verkehrszug am Waldschlößchen für den damaligen OB Dr. Wagner erarbeitet, mit dem Ergebnis, dass der Verkehrszug nur dann Sinn macht, wenn ein zweiter Straßenring neben dem 26-Ring entsteht. Das bedeutet aber, den Großen Garten zu untertunneln, um dann in den Zelleschen Weg einzubinden. Auf die jetzt entstehenden Verkehrskonstellationen von der Brücke bis zur Stübelallee sind wohl alle mächtig gespannt.
Die Fa. DYWIDAG war es auch, die schon einmal in den 20-iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen Brückenentwurf für die Stadt erarbeitet hatte. In dem Buch von Josef Ponten „Architektur, die nie realisiert wurde“ finden wir auf Seite 115 dazu Folgendes: „In diesem Zusammenhang sei auch der Entwurf von Spangenberg und der Baufirma Dyckerhoff & Widmann für eine neue monumentale Elbebrücke in Dresden erwähnt, obgleich er ganz in das Gebiet der Ingenieurlösungen fällt. Wegen des in der Nähe des Hafens sehr lebhaften Schiffsverkehrs waren Pfeiler im Strom zu vermeiden, und damit das unvergleichliche Stadtbild Dresdens mit seinen Türmen nicht durch hohe Konstruktionen gestört würde, war vorgeschrieben, dass die gesamte Konstruktion unter der Fahrbahn zu liegen habe. Durch diese Bedingung entstand für den Eisenbetonbau eine Aufgabe von ungewöhnlicher Kühnheit, weil der Strom mit einem flachen Bogen von der bis dahin für Eisenbetonbrücken unerhörten Spannweite von 136 Meter bei nur 9 Meter Pfeilerhöhe über Wasser zu überbrücken war. Die Brücke sollte im Zuge der Erfurter Straße bei den Schlachthofgebäuden errichtet werden.“ Infolge Geldmangels wurde das Projekt nicht realisiert. Dieses Grundprinzip hinsichtlich der Bauwerkshöhe hatten alle Stadtväter seit „Augusts Zeiten“ zum Wohle der Stadt formuliert und beherzigt, selbst auch bei Planung und Bau der Dr.-Rudolph-Friedrich-Brücke in der DDR. Wer weiß heute denn noch, dass die Stadt Dresden große Grundstücke im Stadtgebiet kaufte, damit keine Industrieanlagen gebaut werden, um das Flair der Stadt zu schützen. Heute spielen solche Fragestellungen anscheinend eine untergeordnete Rolle – Parteidisziplin ist wichtiger, Dialog nicht gewünscht. Dabei haben wir Dresdner so gute Fachleute, mit denen ein Konzept zum Nutzen der Stadt hätte erarbeitet werden können. Ich bin überzeugt, dass unsere Altvorderen einen Tunnel am Waldschlößchen gebaut hätten, wäre damals die Technik des Tunnelbaues schon auf solchem Niveau gewesen wie der damalige Stahlbetonbrückenbau.
Der zweitplatzierte Entwurf von Leonhardt Andrä & Partner (LAP) hatte die vorgenannten Intentionen der Stadtväter von damals in hoher Qualität aufgenommen (siehe Bild 1).
In dem Zusammenhang gibt es die unbeantwortete Frage. Welche Person(en) den nun gebauten Entwurf konkret durchgesetzt hat und damit auch konkret die Verantwortung trägt.
Schon August dem Starken war die Blickbeziehung von der Altstadt zur Neustadt und umgekehrt von großem Wert. Das in diesem Sinne gestaltete Neustädter Königsufer war Ausdruck dieser Haltung. Die Ausläufer dieses Ufers reichten bis hinter das Waldschlößchenareal. Meine Mutter schob mich schon 1953 mit dem Kinderwagen, wir wohnten in der Arndtstraße, durch diese einmalige Flußlandschaft.
Dresden bleibt meine Liebe, auch wenn ich etwas unter einigen Sünden leide, begonnen mit der Fluchttreppe (verzinktes Stahlhaufwerk eines Außerirdischen) am barocken Landhaus, der „Haltestelle (besser Laufstelle) am Postplatz“ mit den sinnlosen Stahlpylonen, der gesamten Postplatzgestaltung überhaupt samt begehbaren Fäkalkanal und den von Göttervater Zeus persönlich in den Altmarkt gerammten Lichtspeer. Es fällt schwer, aber ich ertrage es, weil die guten Ansichten Dresdens, die entstanden sind, dominieren.
Unsinn wurde zu allen Zeiten produziert und kann ja auch zurückgebaut werden – oder? Das Projekt Waldschlößchenbrücke bleibt für mich jedoch ein unverzeihlicher, schwer zu revidierender Makel und ist überflüssig wie ein Kropf am Hals. Wie lächerlich erscheinen heute in der Zeit der größten Finanzkrise aller Zeiten die Argumente von damals hinsichtlich der Kosten, die bereits in die Planung des Brückenprojektes geflossen wären. Das vom Bund beschlossene Konjunkturprogramm zur Stabilisierung der Wirtschaft hätte dazu genutzt werden können, das Tunnelprojekt trotz des erreichten Bautenstandes anzugehen.
Ich hatte immer die Hoffnung, dass sich unser von so vielen verehrter Ministerpräsident a.D., Prof. Biedenkopf mit einer die Dresdner Bürger einenden Lösung noch ein Denkmal gesetzt hätte. Seiner Frau Gemahlin ist das mit dem „Ingridtunnel“ in Dölzschen gelungen. Die Dresdner hätten den Tunnel wahrscheinlich „Kurt`ls Röhre“ genannt – so was bleibt.
Leider ist unter Chiaveris Dach anders entschieden worden – nämlich zu Gunsten des weltgrößten Schwibbbogens.
Insgeheim hoffte ich „So schlimm wird`s vielleicht nicht werden!“ oder wie unser aller Kaiser Franz zu sagen pflegt: „Schau` mer `mal!“
Nun liegt die Brücke wie ein Brett vor dem herrlichen Elbhang, dort wo zu Urgroßvaters Zeiten Sängerfeste stattfanden und die größten Zirkusse aufbauten und die Dresdner Vogelwiese ihr Domizil hatte und man begreift, dass die Aberkennung des Welterbetitels durch die Unesco kein kleinbürgerlicher Akt war.
Und nun wird mit der Erhebung von Eintritt im Schloßpark Pillnitz den Dresdner Bürgern wieder ein Stück bisher frei nutzbarer Kulturlandschaft entzogen und verkommerzialisiert. Es geht also weiter, vielleicht bald mit einer Elbewiesenliegegebühr – wundern würde mich das bei unseren uns Verwaltenden nicht!
Sächs`sch is ehmd butz`sch!
M.M. Holzauge