34 herausgeputzte Mädchen einer 6. Klasse der 8. Volksschule in Dresden-Pieschen nutzen im Spätfrühling 1925 einen Wandertag zum Kennenlernen ihrer Heimatstadt. Die Straßenbahnlinie 18 bringt sie nach Blasewitz, dem erst 1921 eingemeindeten Villenvorort.
An diesem warmen Frühlingstag, als noch die Blasewitzer Hochuferstraße und der einmündende Lothringer Weg mit Kirschbäumen bepflanzt waren, haben sich die Mädchen mit ihrem „Fräulein“ Lehrer (links) – sie musste immerhin mehr als 30 Mädchen allein beaufsichtigen – mitten auf dem Lothringer Weg vor dem Fotografen E. Hammer aufgestellt, sie lächeln freundlich in die Kamera.
Kommen sie doch aus einem eng bebauten Dresdner Wohnquartier zwischen Rehefelder Straße und Moritzburger Platz und nehmen hier mit Staunen eine ganz andere Welt wahr: herrschaftliche Vil-len, große gepflegte Gärten und eine vorwiegend distinguiert-betuchte Einwohnerschaft.
Noch Jahrzehnte später hat mir eine ehemalige Schülerin dieser Schule, die damals zehnjährige Hildegard G. (auf der Fotografie in der zweiten Reihe die 9. von links) erzählt, dass sie neben staunender Ehrfurcht- hier leben also die reichen Dresdner!- Scheu vor diesem besonderen Milieu empfunden hatte.
Die Zeiten sind an diesen Villen mit ihren Gärten und den einstigen Besitzern nicht spurlos vorübergegangen. Heute sind die meisten der aufwändig restaurierten und sanierten Prachtvillen und schlossähnlichen Anwesen, so sie denn die Dresdner Bombennacht überlebt hatten, an Spitzenverdiener, Anwalts-kanzleien oder Immobilienbüros entweder verkauft oder vermietet worden. Die einstigen Bewohner sind wahrscheinlich in bezahlbare Quartiere ausgewichen.
Schloss und Park Albrechtsberg, im Hintergrund erkennbar, wurden erst 1925 städtischer Besitz, sodass sie zum Zeitpunkt des Pieschener Schulwandertags noch nicht als Ausflugsziel dienen konn-ten. Inzwischen residiert dort die jedermann zugängliche Jugend§Kunstschule; sie beweist auf ihre Art, dass Bildungs- und Standesunterschiede überwindbar wurden.
Gerd Grießbach