10 Jahre Kunstgalerie am Weißen Hirsch – gegründet und geleitet von Veronika Petrov

Laudatio zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung am 19. September 2014, gehalten von Heinz Weißflog

Zunächst herzlichen Glückwunsch zum 10-jährigen Jubiläum! Im Rahmen der Neugründungen von Galerien in der Stadt Dresden gerade Anfang des neuen Jahrtausends nimmt die Kunstgalerie am Weißen Hirsch einen besonderen Platz ein: Vor zehn Jahren wurde an dieser Stelle die erste Ausstellung mit Papierarbeiten von Kartrin Süß eröffnet. Die Galeristin Veronika Petrov entstammt einer deutsch-bolivianischen Familie. Sie hat mit eigenen Mitteln die Galerie öffentlichkeitstauglich gemacht. Das jetzige Outfit der Galerie mit dem charakteristischen Kubus haben Veronika Petrov, ihr Mann und ihre Freunde geschaffen. Die gelernte OP-Schwester hat sich 2004 mit Verve in die Galeriearbeit geworfen und dabei praktische Erfahrungen und Kenntnisse im Kaufmännischen sowie in der zeitgenössischen Kunst erworben.

Es sind die Begeisterung für moderne Kunst und die Neugier auf ihre Macher, die die Galeristin immer wieder antreiben, Neues zu erkunden und dabei auch Risiken einzugehen. Kommerzieller Erfolg, so sehr auch erwünscht, steht dabei nicht im Mittelpunkt. Seit ihrer Gründung hat sich inzwischen ein Kreis von Freunden um sie geschart und die Galerie ihr spezifisches Publikum gefunden, das nicht nur aus der Gegend um den Weißen Hirsch stammt. Auch was die Künstler betrifft, so kommen viele von ihnen von auswärts, zum Beispiel aus Bulgarien, Österreich und den USA.

In der Jubiläumsausstellung sind jeweils eine Arbeit von 25 Künstlerinnen und Künstlern zu sehen, die schon einmal oder mehrmals hier ausgestellt haben oder solche, die ohne Ausstellung von Veronika Petrov vertreten werden. Zehn von ihnen möchte ich näher vorstellen, stellvertretend für jedes der zehn Ausstellungsjahre, Künstler, über die ich etwas weiß und die ich schätze. Darunter sind jene, über die ich in den vergangenen Jahren Besprechungen geschrieben oder Laudatien für die Galerie gehalten habe.
Katrin Süß, wie schon erwähnt, eröffnete die Ausstellungsserie im Jahr 2004.

Ihre objektartigen Papierarbeiten setzen sich mit Kreis und Quadrat in ihrem konstruktiven Zusammenhang auseinander. Hell leuchtend präsentiert sich ihr aus Seidenpapier bestehendes Objekt. Nach einem Aufenthalt in New York begann sie auch, polyphenile Schallplatten als Vorlage für den Druck zu verwenden, durch die sie übrigens bekannt geworden ist. Diese Technik perfektionierte sie mit Hilfe der „Obergrabenpresse“, gemeinsam mit Jochen Lorenz, dem dortigen Drucker und Grafiker. Nach drei Jahren HfBK Dresden studierte Kartin Süß an der Hochschule für Gestaltung Berlin-Oberschöneweide bei Wolfgang Leber. Wichtige Anregungen übermittelten ihr unter anderen Agathe Böttcher, Eberhard Göschel und Bernhard Theilmann.

Stefan Kulev stammt aus Varna/Bulgarien. Er studierte bis zum Jahr 2000 an der Universität Veliko Tarnovo und gehört damit zu den jungen Künstlern des Landes. Im Jahr 2005 stellte Veronika Petrov seine Mischtechniken aus. Nah-und Fernsicht auf seine informellen Kompositionen in Acryl plus Öl ermöglichen unterschiedliche Eindrücke auf Großes und Kleinteiliges gleichermaßen. Oft ist es nur ein stark strukturiertes Viereck, das durch seine Tiefe und Farbigkeit beeindruckt, wie das sonor leuchtende Ölbild „Verträumter Sommer”, das wie ein Klangteppich wirkt und den ganzen Kosmos in sich zu tragen scheint.

Mehrmals ausgestellt hat bei Veronika Petrov auch die Dresdner Malerin Franziska Leischker, die 2003-2008 an der HfBK Dresden studierte (bis 2012 bei Prof. Bömmels) – das erste Mal im Jahr 2006. Unter ihrem Pseudonym „Fides Linien” pflegt sie eine betont weibliche Ästhetik, und die Frau ist Mittelpunkt ihres Schaffens (besonders als lebensgebende Mutter). In ihren vorwiegend farbgrafischen Werken nutzt sie ihre Kenntnisse in Mode und Design, thematisiert Um-und Verhüllungen sowie die Dekoration des weiblichen Körpers. Im Zusammenhang „mit gesellschaftlich verordneter, immanenter weiblicher Schönheit und der kritischen Auseinandersetzung damit stellen sich ihr Fragen nach dem Sinn um das Streben nach Schönheit und deren Stellenwert” (Fides Linien). Die Papierarbeit mit eingelegten Fäden im zweiten Raum der Galerie ist ein eigenwilliges Konstrukt aus Körper und Hülle.

Matthias Schroller zeigte 2007 Malerei und verstand die damaligen Arbeiten als „Zwischenspiel” und Übergang zu etwas Neuem. Ein Jahr später machte er am gleichen Ort mit seinen „Fensterbildern” auf sich aufmerksam. Die formelhafte und strenge Auffassung der gegliederten Architektur von Fenster und Tür, im malerischen Prozess realisiert und grafisch vorbereitet, stellte sich als pure Malerei dar, bei der es auf die malerische Sensation ankam. Matthias Schroller will sich für Künftiges offen halten und begeht mit seinen geometrisch-konstruktiv gebauten Landschafts-Farbholzschnitten („Monaco”) eigene Wege.

2008 stellte die Tharandter Malerin/Grafikerin Michele Cyranka bei Frau Petrov aus: Ihr vernis mous „Engelin I” demonstriert gut die starke Poesiehaltigkeit ihrer Arbeiten. Neben ihrer expressiv-farbigen, dem körperlichen Gestus der Figur verpflichteten Malweise, stellt die Grafik durchaus etwas Eigenständiges dar. Die Algrafie, aber besonders das vernis mous kommen ihrer spontanen Arbeitsweise entgegen. Temperamentvolle Strichführung und träumerische Extase gehen dabei Hand in Hand.
Mit ihren minimalistischen Ölbildern beschreitet Doris Granz in Dresden einen besonderen Weg. 2009 stellte sie sich dem Publikum der Galerie mit auffallend stark reduzierten, fast „leeren” Bildern vor. Nur auf ein bis zwei Grundfarben reduziert (meist Gelb oder/und Grün) spielt sie in ihrer Malerei mit Flächen, Tupfern und Halbkreisformen. Form und Farbe schwingen in großer Stille und Unaufdringlichkeit miteinander in meist hellen, atmophärischen, auf das Weiß der Leinwand hingehaucht erscheinenden Ölfarben. Erstaunlich dabei ist aber die dennoch vielfache Schichtung der Farben, die eine besondere Transparenz ergibt.

Michael Lange, der 2010 bei Frau Petrov ausstellte, versteht sich als Fotograf im wirklichen Sinne des Wortes, nämlich als einer, der „mit dem Licht zeichnet”. Das verdächtige Wort „Manipulation” ist auf seine Arbeit nicht anwendbar. Ausgangspunkt für seine Arbeit ist für ihn die Suche nach den vom Menschen entsorgten Dingen, im Abfall, auf Schrottplätzen oder in Abrisshäusern, aber auch totes Getier, Baumrinde u.a., die er zum Stilleben umbaut, inszeniert und fotografiert. Michael Langes Botschaften wenden sich an das emotionale Erleben. Leidenschaftlich wendet er sich auch der Landschaft zu. Mit seinen Bildern (ich nenne sie bewusst nicht Fotografien, weil in ihnen das malerische Moment sehr stark ausgeprägt ist) beschreitet Michael Lange einen eigenen Weg in der Fotografie, bei dem er den Standard des Formates wie eine Norm auffasst und seinen Bildkanon aus seinem großen Materialfundus beliebig varriiert.

Der Maler René Weigel stellte 2011 aus: Vorwiegend malt er Porträts und Figuren im schnelleren Acryl. Sein Thema ist der Mensch, das Gesicht, der Kopf – die Physiognomie, das Studium seiner Typenhaftigkeit. Dafür findet er im Alltag reichlich Stoff. Auf vielen Streifzügen durch den urbanen Raum entdeckt er Menschen, die für ihn bildwürdig werden, oft auf Distanz aber auch nach einer besonderen Begegnung. Weigels expressiver Duktus und seine sichere Malspur (mit Bevorzugung von Rot, Blau und einem verfeinerndem Weiß) verraten ein großes Talent, das sich mit psychologischem und philosophischem Interesse am Menschen und seiner Existenz verbindet.

Eine besondere und denkwürdige Ausstellung wurde 2012 zum Gedächtnis der 2011 verstorbenen Malerin Christiane Just ausgerichtet. Das Ölbild „Windsbraut” spricht vom Lebensgefühl der Künstlerin und ihrer tiefen Spiritualität, ihren Träumen und ihrer Zuversicht, die ihr in schwerer Zeit Flügel verliehen. Der feine lanzetthafte Schwung und das Schweben der Vögel und Engel im Raum sind charakteristische Neuschöpfungen der sensiblen Künstlerin, die auch als Grafikerin, Grafikdesignerin und Buchkünstlerin der BUCHENPRESSE auf sich aufmerksam machte.

Der Dresdner Maler/Grafiker/Bildhauer/Dichter und Buchkünstler Andreas Hegewald arbeitet in verschiedener, miteinander in geistiger Wechselbeziehung stehender Themen und Gegenstände. Als begnadeter Bildhauer leistet er Besonderes im Stein, vor allem in Porphyr und rotem und grünem Zöblitzer Serpentin. Neben antik-philosophischen Themen, wie die jüngst aufgestellte „Athene und Odysseus”-Skulptur vor der Villa Baumgarten am Albertplatz, umschreiben seine Steine auch andere Mythen, wie hier die beiden sich befruchtenden Gegensätze des altchinesischen Yin und Yang, in zwei sich einander zuneigenden Stelen, die gewissermaßen grafisch gegen den Stein gehend, bearbeitet wurden (wie er selbst schmunzelnd sagt „wer dagegen ist, der ist dafür”. Zwei Ausstellungen mit Skulpturen und Handzeichnungen laufen noch bis Anfang Oktober im „Kunstraum Pillnitz“ und im „Kunststandort“ Glauchauer Straße.

Zum Abschluss meiner Worte noch ein Hinweis auf eine mich außerordentlich stark bewegende Ausstellung von Markus Tepe, die 2008 stattfand: Seine Poesie „des geheimen Gartens”, in der er die Natur auf sich wirken lässt, wie Ein-und Ausatmen oder Auf- und Entladen eines Akkus. Es ist das Erlebnis des Gartens, deren Formen er sensorisch analysiert und in eine Mathematik der gefühlten Formen umsetzt. Danach vertraut er auf seine inneren Gestaltsinn, der ihm hilft, die natürlichen organoiden Cluster zu konkreten Gebilden umzudeuten, die aus Flächenschemen und der Geometrie nahen Gebilden bestehen, bruchstückhaft und provisorisch, fast minimalistisch einfach.

Das Chaos wird formatiert, das bedeutet, Tepe bereitet sich auf eine angemessene Aufnahme der von außen kommenden Formen vor, die zwar verschieden, immer mit dem inneren Kanon des Künstlers korrespondieren. Die Magie von Markus Tepes Bildern besteht in der Seltsamkeit ihrer Formen, die gleichsam Natur und Idee sind, in denen beides wirkt. Gerade durch die zarte Farbigkeit der Blätter mit ihren Varianzen von Grün, Violett, hellem Braun und Gelb entsteht eine Lebendigkeit und zeichenhafte Tiefe, in der das Auge gern verweilt und sich mit zunehmender Hinwendung der Meditation ergibt.

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