Kurioses am Elbhang – von den Schildbürgern lernen heißt…?

Ich will ja nicht rummäkeln, aber manchmal bleibt mir nichts anderes übrig. Da läuft die Brühe im Verständnistöppel über – nämlich wechen dr dresdner Schildermanie.

Foto: M. M. Holzauge

Die Stadtratswahl haben alle Bewerber und das Dresdner Wahlvolk am 26. Mai mit Ausdauer und Fassung, ob erfolgreich oder nicht, hinter sich gebracht. Auch ich habe meine Kreuzl gesetzt. Die Wahlplakate hingen dann noch 14 Tage müde an den Masten und Bäumen herum. Die meist von Anfang an schon fahlen Gesichter darauf verblassten in der Frühsommersonne noch mehr, bevor sie dann in den Recyclingprozess gelangen. 56.000 Stück haben die Parteien davon drucken und anbinden lassen und über 500.000 Euro dafür aus den Vereinskassen locker gemacht – berichtet die Presse.

Ein Prof. Maurer, seines Zeichens Kommunikationsexperte, meinte: »Es geht immer darum, in einer sehr kurzen Zeit Emotionen oder zumindest Aufmerksamkeit zu wecken. Länger als ein paar Sekunden reicht unser Blick normalerweise nicht auf Plakate.« Experte müsste man sein. Gehe ich ehrlich in mich, so bewirken die Blätter in meinem Wahlbewusstsein wenig – eigentlich nichts. Als ich noch ein kleiner Junge war, hätte das meist fußläufig unterwegs gewesene Wahlvolk die Plakate mit großem Interesse angesehen und darüber diskutiert.

Foto: M.M. Holzauge

Leider waren die Wahlmöglichkeiten damals sehr eingeschränkt und die Obersten in Stadt und Land konnten sich werbetechnisch zurückhalten. Da wir uns heute fast alle mit unseren Karossen durchs Leben bewegen, schmückt man uns eben den Arbeits- bzw. Heimweg mit jedweden Parolen und Konterfeis. Wer die aus dem Auto wirklich genauer betrachten wöllte, hätte Staus, Auffahrunfälle oder Schlimmeres als Folge zu befürchten.

Also wozu der Aufwand? Aus alter Gewohnheit? Jedenfalls funktioniert diese erste Phase einer Legislatur der Stadträte wie immer perfekt. Aber wozu eigentlich? Die jungen Wähler zappen durch das Netz und brauchen keine Sichtwerbung und die älteren lesen Zeitung und gucken fern. Also vergesst den Quatsch, sonst fällt noch einer von der Leiter und bricht sich den Hals, wenn er aus bis zu 5 m Höhe die Pappen auf- und abhängt – oder tragen die dabei Sicherheitsgeschirre?

Nun erträgt der gestählte Sachse das aus Gewohnheit schon mit einer gewissen Abgeklärtheit, außer denen die die Konterfeis mit Bärtchen und Brillen des Nachts weiter ausschmücken. Aber auch dabei kann einer sich den Quandt brechen. So empfehle ich aus arbeitsschutztechnischer Sicht künftig auf diese Plakate zu verzichten und die Kohle bei Wahlveranstaltungen in Kneipen und Gasthäusern zu verbraten, mit dem Wahlvolk zu plauschen und einen zu heben. Das nützt den Kneipern und bringt die Kandidaten und Wähler näher zusammen. Und wenn der Vertreter erfolgreich war, dann trifft man sich noch einmal im Wirtshaus nach der Wahl und konkretisiert die kommunalen Ziele. Ist der Wahlkreis aber sehr groß, so wird das schwierig, besonders wenns da noch viele Trinkstuben geben sollte. Diese Variante würde mir aber insgesamt sehr gut gefallen.

Das zweite Schilderthema ist dagegen diffiziler und nicht im Wirtshaus auf die Schnelle abzuklären. Ich meine die Verkehrsschilder, Absperrungen und andere behördlich verordnete und nach Vorschrift eingebaute Teile in der Umwelt. Unser Drang nach mobiler Selbstverwirklichung führt zwangsläufig zu einem ungebremsten Schilderwachstum – das ist so, denn wenn sich Lieschen Müller irgendwo auf dem Wege den Fuß verknackst, wird ein Gebotsschild in den Boden gerammt oder der Weg wird einfach gesperrt – versicherungstechnisch versteht sich, wegen der Verkehrssicherungspflicht die die Kommune halt hat.

Foto: M.M. Holzauge

Aber manchmal schlagen die Behörden ganz schön über die Stränge. Auf dem Elbefußweg entlang zwischen Wiese und Gärten begegnen uns Schilder und Verkehrsbeeinflussungs- und Abbremskonstruktionen, die den stabilsten Trinker umhauen und die Bewohner Schildas erblassen lassen. Die Folgen dieser Regel-wutbügel auf der Wiese sind unschwer zu erkennen. Damals gabs hier auf den Wiesen nur die Wäschestangen von den emsigen Loschwitzer Lohnwäscherinnen.

Die Fußgängerhinweisschilder mitten im Weg in der Nähe unseres Körnergartens sind echt der absolute Hit. Auch in unseren Tagen gehen Männer, wenn auch immer weniger, ins Wirtshaus und nippen nicht nur an ihrem Gläschen herum, sondern gießen sich aus Frust oder Lust auch mal kräftig einen hinters Ohr. Haben sie dann das Klassenziel erreicht, können sie sich dann vor dem Gasthaus an den dort großzügig versenkten 42 Fahrradbügeln entlang hangeln und in einer ersten Stabilisierungsphase durchatmen.

Foto: M.M. Holzauge

Dann weiter über die stark befahrene 5 m breite Pflasterstraße balancieren. Da ist das gefährlichste Wegestück geschafft – denkste! Gehen sie dann nämlich instinktiv weiter Richtung nach Hause, zur Mutti, steht plötzlich mitten auf ihrem Sinuskurvenweg das Schild »Trinker an die Hand nehmen!« Das kann dann aber mächtig ins Auge gehen – Aua! Auch der Notarztwagen wäre behindert. Aber ich will den Teufel nicht ans Schild malen.

Foto: M.M. Holzauge

Die Vergangenheit hat uns bewiesen, dass die Behörde Fehler, wie diese, korrigieren kann und selten schneller als man denkt. Vielleicht erinnert sich der eine oder die andere an das brachialromantische Autobahnschilderportal an der Loschwitzer Brückenrampe. Ruckzuck war das Monster gegen ein vernünftiges Hinweisschild ausgetauscht. Das hat mich umgehauen, wie schnell das ging.

Genauso wie die Entfernung eines Verbotsschildes direkt vor dem Flutdenkmal. Also es geht doch und Fehler macht jeder ein- oder mehrmals, von unserer obersten Chefin bis zum Schilderbruder. Würde ich hier meine Fehlleistungen beichten, dann müsste der Elbhang Kurier eine Extraausgabe drucken und Sie würden eventuell Ihr Abo kündigen. Das verkneife ich mir aber und hoffe, dass Sie nach dieser »Schilderung« ein treuer Leser bleiben.

Foto: M.M. Holzauge

Übrigens stehen in Loschwitz rund um den Körnerplatz, der Grundstraße bis zum Leonhardimuseum, der Friedrich-Wieck-Straße, der Fidelio-F.-Finke-Straße bis hin zur Calberlastraße etwa 300 Verkehrsschilder und sonstige Hinweisschilder.

Wer soll das alles beachten und dann noch den Gegenverkehr? Mein Wahlslogan für die nächste Stadtratswahl als Vorschlag ist daher: »Stoppt den Schilderwahn –jetzt!«

Ihr M. M. Holzauge

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