Rückblick zum 29. Elbhangfest vom 28.–30. Juni 2019

Motto: »Diddschn statt Diggschn« – sächsischer Kaffeeklatsch mit Gästen aus Dresden, Leipzig und Chemnitz

Eröffnung der Lene-Voigt-Ausstellung, Foto: Ben Lorenz

»Mach mor los«

Bereits für das Vorprogramm hatten sich die Elbhangfest-Organisatoren einiges einfallen lassen: Unter dem Titel »Mach mor los« sollte eine Fahrradtour als Ausstellungs-Eröffnungs-Rallye gleich vier Eröffnungen verbinden.

Auf der Fahrradtour »Mach mor los«, Foto: Ben Lorenz

Bei Holger Friebels Lene-Voigt-Ausstellung erhielt Überraschungsgast Tom Pauls von der Elbhangfest-Gründern und Vereinsehrenmitgliedern Susanne und Volker Berthold vier historische Leipzig-Fotografien überreicht. An der anschließenden Fahrrad-Tour (aller Anfang ist schwer) nahm nur rund ein Dutzend Leute teil.

Die Ausstellung »Begegnungen« in der Orangerie Pillnitz, Foto: Ben Lorenz

Am Ziel, der Eröffnung des sächsischen Wörtersees in Pillnitz, waren dann bereits rund 50 Gäste versammelt und zu den Karikaturen »Der Sachse stirbt zuletzt« und Bildender Kunst aus Chemnitz, Dresden und Leipzig kamen rund 100 Interessenten zusammen – ein schöner Abend und ein hoffnungsvoller Auftakt für das 29. Elbhangfest.

Kaffeemeile auf dem Dorfplatz Loschwitz, Foto: Holger Friebel

Diese Spur war heiß – und führte durch die Loschwitzer Kaffeemeile

Erst am Freitag-Nachmittag waren sie von sechs fleißigen Helfer auf die schon heißen Pflastersteine geklebt worden: Eine Fußspur aus 150 Kaffeebohnen führte die Besucher als »Kaffeemeile« quer durch Dresden-Loschwitz, vorbei an kulturellen und kulinarischen Genüssen.

Wer über die Brücke Blaues Wunder kommt, durchschreitet seit vielen Jahren schon einen »Kaffeeduft-Äquator«, der zwischen dem illustren Café Arabusta und dem »Kaffee Wippler« verläuft. Viele Loschwitzer wollten noch ein Sahnehäubchen obendrauf setzen. Hier konnte man nun »Elsas Bäbe« und bei »Kleinert’s« den »Loschwitz-Burger« kosten. Die einheimische Konditorin Kathrin Wippler kreierte hausgebackene Cantucci-Kekse als »Can-Diddsch-ini« neu.

Auch bei der Festeröffnung wurde »gediddschd« – OB Dirk Hilbert, Vereinsvorsitzender Volker Wenzel, Michael Wippler und Matz Griebel diddschden erstmal eine nach Loschwitzer Familienrezept gebackene Bäbe in die Sammeltasse ein.

Theater in der Kaffeekanne

Nicht nur »ein Schälchen Heeßer«, sondern auch Theater kam in Loschwitz aus der Kaffeekanne: Für Regina Felber und ihr 7-Minuten-Stück »Das Denkmal lebt … das Orakel vom Kaffeesatz« entstand ein temporärer Theaterbau am Dorfplatz in Form einer großen Kaffeekanne, zu der sich das Josef-Hermann-Denkmal wandelte.

Musikalisch begann alles klassisch in der wohlgefüllten Loschwitzer Kirche mit der Uraufführung CLARA! durch das Sächsische Vocalensemble Dresden am Freitag-Abend. Auf dem Dorfplatz konzertierten die »Dresden Bigband« mit Pascal von Wroblewsky und die »Gruppa Karl-Marx-Stadt«.

SZ-Lesehocker im Kunsthandwerkermarkt Loschwitz, Foto: Julia Schulz

Große Lesestühle in Gelb und Grün

Nach einer Idee der Loschwitzer Künstlerin Julia Schulz und durch ihre tatkräftige Mitwirkung entstanden acht Vorlesestühle, die, teilweise mit Verstärkeranlage und Bücherkisten ausgestattet, bestellten und spontanen Vorlesern ein besonderes Podium boten.

Die bekannte Dresdner Sängerin und Regisseurin Annette Jahns las darauf im Garten ihrer Kirchgemeinde in Hosterwitz erstmalig eigene, noch nicht veröffentlichte heitere Kurzgeschichten und Texte, weiterhin lasen auf den gelben und grün dekorierten Stühlen an acht Standorten im ganzen Festgelände Dietmar Selunka, Gisela Hunger, Helga Lindner, Walter Siegemund, Jens Gaitzsch, Beate Boeker, Jan Lipowski, Susanne Melde, Adelheid Neupert, Schreibgruppe Westhang…

In Pillnitz waren darüberhinaus noch Brit Gloss, Thomas Rosenlöcher und Birgit Schaller zu hören.

Festumzug an der Loschwitzer Kirche, Foto: Holger Friebel

Die Loschwitzer Kirche – Mehrsparten-Theater mit Musik, freier Rede und Kaffee

Die Loschwitzer Kirche ist bekanntlich seit 29 Jahren ein Dreh- und Angelpunkt des Elbhangfestes – drinnen und draußen. Daran hat sich auch mit dem Pfarrer- und Kantorenwechsel (Kunze/Braun und Selunka/Deckert) nichts geändert. Man kann sogar von einer Repertoire-Erweiterung sprechen, denn der Elbhangposaunenchor wartete zur Festeröffnung mit »In einer kleinen Konditorei« auf (auf der Orgelempore bisher nicht zu hören gewesen).

Die diesjährigen Eröffnungsreden auf der Kirchenrampe signalisierten allerdings nicht den gewohnten Esprit vorangegangener Jahre – mal abgesehen vom grandiosen Defizitabbau von 60.000 Euro, auf den Volker Wenzel stolz verweisen konnte (der diesjährige Saldo war bei Redaktionsschluss noch nicht ausgerechnet). Eine wirklich geistreiche Festmotto-Interpretation lieferte dann im Sonntagsgottesdienst der „Hausintendant“ Markus Deckert ab, der in freier Rede die Festgemeinde auf das einstmals (um 1800) auch in Chemnitz und Leipzig benutzte »Dresdner Gesangbuch« einstimmte (allerdings wurden in den Kirchenbänken nur wenige Gäste aus den Nachbargroßstädten gesichtet; wen wunderts, wenn wir den Chemnitzern – und Zittauern – den Kulturhauptstadttitel nicht gönnen?).

Dass sich das kommunikative »Diddschen« auch auf die vielbeschworene Loschwitzer Gesprächskultur auswirken möge, wurde im anschließenden Freiluft-Kirchen-Café mehrfach vertieft – schließlich hatte Pfarrer Deckert den Festgottesdienst liturgisch-freizügig mit »Amen – Nun Wohlan!« beendet). Apropos Kirchen-Café – die Loschwitzer Kirche ist natürlich kein »Kaffee-Haus«, aber Bachs Kaffeekantate war diesmal wohl unverzichtbar, auch wenn es darin frivol-mehrdeutig hieß, »Ei, wie schmeckt der Coffee süße, lieblicher als tausend Küsse …«.

Der unvergessene Rolf Hoppe verkörperte in der »Frühlinssinfonie« den streitbaren Friedrich Wieck. Foto: Archiv Ernst Hirsch

Und »Diddschen und Diggschen« hatten Pause, als der Sänger mahnte »Schweigt stille, plaudert nicht!«. Dass das Festeröffnungskonzert diesmal (erstmalig?) mit einer Uraufführung CLARA aufwartete, verlieh der (Konzerthaus-)Szene einen besonderen Reiz und signalisierte: Das etwas 2019-er Festmotto hätte man spielend mit den lokal verfügbaren Schlagworten »Clara – Robert – Wieck« anreichern können; das tat denn auch das unverzichtbare »Rosenhof-Freiluftkino« an der Schevenstraße.

Dietrich Buschbeck

Der »Wörtersee« in Pillnitz, Foto: Rolf Friebel

Stars am Wörtersee in Pillnitz

Dieser Wörtersee lag für drei Tage (Verlängerung ist wahrscheinlich!) am Fliederhof im Schlosspark, der sich auf am Festwochenende auf vielfältige Weise der sächsischen Sprache widmete:

Die Show »Wohltemperiertes…« auf der Wasserbühne war dem verstorbenen Kabarettisten Olaf Böhme gewidmet. In der »Ständigen Vertretung Kaffeesachsen« – der Orangerie – gab es den SZ-Lesemarathon mit Peter Ufer, Tanz und Bildende Kunst aus Chemnitz, Leipzig und Dresden.

Zum Pillnitzer Elbhangfest-Star-Ensemble gehörten auch die Pianistin Ragna Schirmer und »Quintense«, eine preisgekrönte junge Leipziger Pop-A-Capella-Gruppe. Zwei weitere »Elbhangfest-Klassiker« – die »Nierentische« (Sonnabend 22 Uhr) und  die »Tam Tam Combony« (Sonntag 21 Uhr) spielten auf der Weindorfbühne.

Der Ausstellungcontainer »Kriegskinder« des Stadtmuseums Pirna mit der Kuratorin Katrin Purtak. Foto: K. Purtak

Nach Redaktionsschluss ins Programm aufgenommen:

Dialog der Generationen – Ausstellung »Kriegskinder« beim Elbhangfest

Neben dem heiteren Grundtenor wendete sich das beliebte Fest mit der Sonderausstellung »Dialog der Generationen – Kinderschicksale in der Kriegszeit« in Kooperation mit dem StadtMuseum Pirna auch ernsten gesellschaftskritischen Themen zu.

Kurzfristig ergab sich die Chance, diese spannende Ausstellung aus der Nachbarstadt zu zeigen: Anlässlich des kommenden 75. Jahrestages des Kriegsendes 2020 werden private Erinnerungen aus der Region Pirna an die Zeit um 1939 – 1945 zusammengetragen. Im Rahmen des durch die Kulturstiftung des Bundes geförderten Projektes ist aus Zeitzeugeninterviews und privaten Fotoalben eine interaktive Containerausstellung entstanden, die nun am ganzen Festwochenende auf dem Schlossparkplatz Pillnitz zu sehen war.

SZ-Lesemarathon mit Peter Ufer, Foto: Christian Klose

Dank an die vielen Privatinitiativen

Entlang der für den Autoverkehr gesperrten Pillnitzer Landstraße – und natürlich auch nur dadurch überhaupt möglich – öffneten sich wieder zahlreiche Gärten und Häuser mit ganz unterschiedlichen Programmen von Kindertrödelmarkt, Poetry Slam, Live Musik aller Genres bis hin zur großartigen »Thonet-Schau« in der »naturfarbenwerktstatt« Niederpoyritz, die kongenial Kaffeehauskultur und Möbeldesign verknüpfte und per Sitzprobe eine tolle Brücke zum am gleichen Wochenende stattfinden »Tag der Architektur« schlug.

Tam Tam Combony auf der Weindorfbühne Pillnitz, Foto: Jürgen Frohse

Diese Angebote wurden dankbar von Vielen angenommen: Und da bei der Wärme natürlich nicht nur Kaffee getrunken wurde, ging vielerorten am späten Sonnabendabend das Bier aus. Einen besonderen Höhepunkt boten die »L-C-D-Freejazzklänge« in den Gärten der Laubegaster Straße, die neben einem exquisiten Musikprogramm auch wieder vielerlei liebevoll Angerichtetes für den Magen bereithielten. Auch entlang der Pillnitzer Landstraße trafen Straßenkünstler den Nerv des Publikums – genannt sei hier nur »Ju von Dölzschen«.

So konnten sich der rote Faden des Festes mit Dorfkernen und Schlosspark und die vielen gastfreundlichen Gärten gegenseitig befruchten. Ein großer Dank an alle engagierten Anwohner und Künstler!

10 String Orchestra in der Weinbergkirche Pillnitz, Foto: Dieter Fischer

Musik und Fotografie in der Weinbergkirche

Das Elbhangfest begann in der Weinbergkirche am Freitag um 20 Uhr mit dem Konzert von Tom Götze und Stephan Bormann, dem »10 String Orchestra«. Zusammen erschufen sie eigensinnige Klangwelten. Dem Publikum gefiel die persönliche Mischung aus Konzertmusik, Pop und Nordic Jazz. Bass und Gitarre bezogen sich zur Freude der Hörenden aufeinander.

Eröffnung der Fotografie-Ausstellung »Einblicke Israel« von Justus Steinfeldt in der Weinbergkirche. Foto: Dieter Fischer

Die Eröffnung der Fotografie-Ausstellung »Einblicke Israel« von Justus Steinfeldt in der Weinbergkirche hatte um 17 Uhr am EHF-Sonnabend viele interessierte Besucher. Mit Liedern vom Chorus 116 und der Laudatio von Ulrike Birkner-Kettenacker wurden die interessanten Israel-Ein- und Ausblicke des jungen Fotografen gewürdigt und zur Betrachtung freigegeben.

Das Abschlusskonzert »Sommernachtstraum«, eine sächsische Romanze mit Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy« mit Tom Pauls, Foto: Christian Klose

Das gerettete Abschlusskonzert

Aus organisatorischen Gründen musste das eigentlich geplante Abschlusskonzert als Programm von Tom Pauls mit Musikern aus Chemnitz, Leipzig und Dresden wegen Verhinderung der Musiker ausfallen.

Glücklicherweise konnte Tom Pauls anstelle dessen den – in diese heiße Sommernacht bestens passenden – »Sommernachtstraum« zeigen, eine sächsische Romanze mit Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy«. Der Shakespearesche Traum vom Durcheinander der Beziehungen und Gefühle war dafür in sächsische Mundart übersetzt worden (Neudichtung/Inszenierung Holger Böhme).

Tom Pauls gelingt es damit endlich, Durchblick in das Beziehungs-Drunter und Drüber um Hermia, Lysander, Demetrius, Helena, Oberon, Titania und den Kobold Puck zu schaffen, was bisher weder einer Inszenierung noch einem Lexikon je gelang.

Ein besonderer Dank für das Einspringen in buchstäblich letzter Minute geht an die mitwirkenden Musiker des Thomas-Meining-Quartetts: Sonnhild Fiebach (Piano) und Barbara Meining (Violine), Martin Jungnickel (Violoncello) und Thomas Meining (Violine), Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle Dresden.

Ragna Schirmer auf den Spuren Clara Schumanns

Die Pianistin Ragna Schirmer, zweimalige Gewinnerin des internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerbs in Leipzig, gastierte am Elbhangfest-Sonnabend in der Weinbergkirche Pillnitz. Intensiv hatte sie sich mit Clara Schumann, deren 200. Geburtstag dieses Jahr gefeiert wird, beschäftigt. In Zwickau konnte sie 1300 Programmhefte von Aufführungen der Pianistin einsehen und studieren.

Ausnahmepianistin Ragna Schirmer in der Weinbergkirche. Foto: Jürgen Frohse

Für das Konzert in der Weinbergkirche wählte sie Stücke, die in Leipzig, Chemnitz und Dresden von Clara Schumann in Konzerten gespielt wurden. Durch die Programmhefte erfuhr sie auch, dass die Tochter von Friedrich Wieck immer am Anfang eines ihrer Konzerte eine Sonate spielte, weil dann die Zuhörer noch aufnahmefähig seien. So begann das Konzert mit Ludwig van Beethovens Sonate op. 53 „Waldstein“.

Barocke Stücke verschiedener Komponisten, so Scarlatti und Bach, spielte Clara Schumann oft zusammen. Mit ihrem Mann Robert Schumann verband sie eine besondere Beziehung zu Frederic Chopins Variationen über »La ci darem« op. 2, welches sie bereits als 13-Jährige spielen konnte.

Den Abschluss des Konzertes bildete Robert Schumanns »Carneval op. 9«, den sie auch bei ihren Konzerten in England vortrug. Hier wählte sie ihre eigene Fassung, da einzelne Passagen Personen beschreiben, die sie ausklammerte. Ragna Schirmer führte die Zuhörer mit diesem Konzert in das Leben von Clara Schumann hinein. Es war ein fantastisches Konzert über eine Ausnahmepianistin, vorgestellt von einer Ausnahmepianistin.

Jürgen Frohse

Die Bergbaukapelle Johanngeorgenstadt, Foto: Jürgen Frohse

Die Bergbaukapelle Johanngeorgenstadt kam nur bis Wachwitz

Als der vorletzte Wagen des Festumzuges vor der Loschwitzer Kirche vorfuhr, entstiegen ihm die Herren der Bergbaukapelle Johanngeorgenstadt. Sie holten in Ruhe ihre Notenständer heraus, bauten das Schlagzeug auf und begannen mit einem Konzert. Das war nicht ganz so vorgesehen und musste vom Moderator unterbrochen werden.

In ihren Monturen kamen sie schwitzend dann nur bis Wachwitz. Hier suchten sie sich im Schatten des Press-Punkts einen Platz und spielten in einer selten bei Blasorchestern gehörten Harmonie. Man spürte, dass diese meist sehr betagten Herren seit vielen Jahrzehnten ein eingespieltes Team sind.

Jürgen Frohse

Regina Felber las wort- und ausdrucksgewaltig im Orakel des Kaffeesatzes. Foto: Jürgen Frohse

Lesungen an allen Ecken des Festes

Im tiefen Grund der »Kaffeekanne«, im umgewidmeten Joseph-Herrmann-Denkmal am Dorfplatz Loschwitz, las Regina Felber wort- und ausdrucksgewaltig im Orakel des Kaffeesatzes. Auf neuen, von der Bildhauerin Julia Schulz aus Loschwitz gestalteten Lesehockern waren an mehreren Stellen im Festgeländes Märchen von Hans-Christian Andersen oder Geschichten über die Gräfin Cosel zu hören.

Petra Büschelberger führte die Zuhörer auf die Baikalseeinsel Olchon. Foto: Jürgen Frohse

In der Garage der Wollnerstraße 3 führte Petra Büschelberger die Zuhörer auf die Baikalseeinsel Olchon, und im kleinen Garten des Instrumentenbauers Bertold Neumann in Niederpoyritz waren neben musikalischen Klängen auch Texte von u. a. Christian Morgenstern, gelesen von Martin Hertrampf, zu hören.

»Für große und kleine Muggel« – Birgit Schaller las am Sonntag aus Harry Potter. Foto: Knut Zyball

»Für große und kleine Muggel« las Birgit Schaller am Sonntag aus Harry Potter, auch auf einem der von SZ unterstützten Lesestühle sitzend.

Jürgen Frohse

»Fata Morgana« an der Pillnitzer Landstraße, Foto: Holger Friebel

Die Niederpoyritzer »Fata Morgana« – Schubert im Schatten

Mittagshitze auf der glühend heißen Pillnitzer Landstraße. Es fällt schon schwer, die nur leichten Hügel hoch zu radeln. Hier und da haben nette Nachbarn ihre Gartenschläuche auf die Straße gelegt und erfrischen die wenigen Elbhangfestgäste, die schon unterwegs sind. Plötzlich eine »Fata Morgana«: Aus dem Schatten eines alten Hauses erklingt Schubert! Vor den geschlossenen Hollzrolläden des leerstehenden alten Ladengeschäftes steht ein großes schweres Klavier.

Wie mag es hier her gekommen sein? Daran sitzt ein Paar. Zwei Köpfe unter schwarzen Zylinderhüten sind ganz in sich versunken, tief über die Tasten gebeugt und spielen ein Stück für vier Hände. Als es uns bewusst wird, wie schön dieses Bild klingt, sind wir schon zehn Meter weiter. Wir kehren um, lehnen die Räder an und gehen auf das Duo zu -– andere Passanten tun es uns nach, und bald bildet sich ein kleiner Halbkreis. – Das Stück endet. Das Paar dreht sich zu uns um.

Die schöne Chansonette in rotem Samtrock und meernixenfarbenem Mieder greift sich einen großen Kontrabass, ihr Kavalier am Piano erklärt sich zum Programm und der eigentliche Auftritt der beiden Berliner Straßenmusiker beginnt: Charmante bis schwarzhumorige Couplets aus den zwanziger Jahren amüsieren die Zuhörer, die dann gern ihren Obulus in den einen der beiden schwarzen Zylinderhüte entrichten.

Live-Musik in der Hitze des Sonntags am »Pila-Baugarten«. Foto: Holger Friebel

CCR und Bratenbrot

Das große Plakat an Sabine und Götz Wiegands Mauer am »Pila-Baugarten«, Pillnitzer Landstraße 143, haben wir schon oft bewundert, ohne dem Paar auf seine Bergtouren folgen zu können. Nun soll wenigstens der Aufstieg in diesen gastfreundlichen Garten unternommen werden. Die Front des Hauses liegt in der prallen Sonne. Man sieht erstmal niemanden.

Doch hinter dem Haus und in einigen schattigen Ecken erholen sich die Besitzer von den Strapazen der beiden Elbhangfest-Vortage: Freitag lasen Wiegands selbst »Geschichten von unterwegs«, am Sonnabend traten 17 Uhr »OOckroxx« und ab 19 Uhr »Shift it Baby« auf. Der Sonntag ist nun auch noch der heißeste Tag, unter Bäumen ruhen nur einige Freunde mit den Füßen im kalten Wasser. Für uns Hungrige wird trotzdem gern gesorgt. Die gute Küche des Hauses ist Vielen vom Loschwitzer Elbhangfest-Weihnachtsmarkt ein Begriff.

Hier im »Baugarten« verlockt ein überraschend opulentes Speisenangebot von Pilz-Rührei bis Wiegands selbst gebratenem Fleisch. Die Hausherrin weist uns den Weg hinauf zum schönsten Plätzchen oben am Hang neben dem Gewächshaus, wo wir die ersten freundlichen Musikanten treffen, die sich und uns mit der Gitarre unterhalten. Man kommt ins Gespräch – auch über die Sorgen des Elbhangfestes. Und das hausgemachte Bratenbrot ist eine Wucht. Im Kombination mit einem kühlen Bier gibt es Kraft für den ganzen Nachmittag.

Als wir beim Abstieg in die kalifornische Hitze vor dem Haus zurückkehren, erklingt auf einmal ein vertrauter »CCR«-Song aus genau dieser Gegend unterm Balkon hervor: Zwei Musiker spielen in der prallen Sonne u. a. Songs von »Creedance Clearwater Revival«, der wohl amerikanischsten Musik aller Zeiten (entstanden von 1967 bis 1972). Im Programmheft steht nur »Live-Musik«. Eine Nachfrage hilft, die beiden zu identifizieren: Es waren Thilo von »shift it baby« und Kalle von »Kalexos«.

Holger Friebel

Duplizität der Ereignisse – oder Konkurrenz? »Café Sachsen« am Elbhangfestabend in der »Keule«

Keine Schleichwerbung – das Elbhangfest warf seine »Schatten« auch in die klimatisierten Räume der »Herkuleskeule« im Kulturpalast. Wem es am Elbhang zu heiß war, der konnte nach längerer Pause am Sonnabend – sozusagen zeitgleich – im Kulturpalast die »elbhangfest-angepasste« Wiedereröffnung des »Café Sachsen« mit Birgit Schaller (Pillnitz) und Rainer Bursche erleben. Dabei kamen auch Lene-Vogt-Verse »zum Klingen«.

Ob es außerdem lizensierte Textanleihen bei »Diddschn und Diggschn« gab, ist derzeit nicht bekannt. Wer das überprüfen will, ist zwischen dem 6. und 15. August an acht Abenden (jeweils 20 Uhr) ins »Café Sachsen« eingeladen. Das Elbhangfest geht also thematisch in der »Keule« weiter – oder klingt dort aus. Nu Grade!

Dietrich Buschbeck

Eine botanisch-künstlerische Entdeckung: »Blatt-Aderwerk« am Elbhang

Erfahrene oder spurensuchende Elbhangfestbesucher wissen es: Hinter den kleinsten Ankündigungen im Programmheft können sich tiefe Erlebnisse verbergen. Wer vermochte sich vorzustellen, was es an »Schönem Blattwerk am Elbhang« zu entdecken gäbe? Folgte man der Biologin und (Waldorf-)Pädagogin Sieglinde Gardemin in ihren versteckten Garten an der Schevenstraße – bislang noch nie zum Elbhangfest zugänglich – konnte man an einem Ateliertisch Platz nehmen, um ausgesuchte Pflanzenblätter in ausgesuchte farbige Mandalas zu verwandeln, so nennt man auf Sanskrit »Bilder als Meditationshilfe«.

Hier herrschte kein Massenandrang, aber wer sich auf Gespräche mit Frau Sieglinde einließ und ihren Anleitungen folgte, konnte (samt Blattwerk) bereichert von dannen ziehen – und zugleich mit Erstaunen wahrnehmen, dass eine Elbhang-Kurier-Abonnentin aus Hannover von der Elbhangfest-Idee so fasziniert war, dass sie endlich einmal »selbst mitmachen« wollte, in aller Stille und mit aufgeschlossener Hang-Entdeckerfreude – auch davon lebt das Fest.

Sollte sie im nächsten Jahr zum Elbhangfest wiederkommen, sei Jedermann ermutigt, das Gartentor zu ihrem ererbten Anwesen zu öffnen.

Dietrich Buschbeck

Pfarrer Markus Deckert (Loschwitz) nahm das Elbhangfest-Motto in seine sonntägliche Predigt auf. Hier ein Auszug daraus:

»Diddschen statt diggschen? – Ein fröhliches, unverstelltes Miteinander statt beleidigtem Sich-Abgrenzen – so versuche ich das mächtig sächsisch geratene Motto des laufenden Festes zu interpretieren. Diddschen statt diggschen – damit es nicht nur eine Parole bleibt, empfehle ich aber, genau hinzuschauen und zu fragen, warum einer diggscht.

Ein ›Schwamm drüber!‹ reicht selten, um sich fremdgewordene Menschen wieder ins gemeinsame »Diddschen« einzuladen. Mindestens braucht es da ein Elbhangfest – Gelegenheit, sich wahrzunehmen. Miteinander ins Gespräch zu kommen. Sich in die Augen zu sehen dabei.

Das geschieht zuwenig. In diesen Zeiten werden Unterschiede extrem markiert. Werden politische Gräben gezogen und vertieft – links oder rechts, weltoffen oder (?) heimatbewusst, schwarzgrünblaurotgelbpink – was noch? Soll das etwa aufgeklärtes Denken sein? Wollen wir als Christenmenschen wirklich so miteinander umspringen?«

Markus Deckert

ElectroZid in »Krachwitz«, Foto: pixelfis.ch

Hoffung auf positives Ergebnis

Noch ist es zu früh für ein finanzielles Fazit – dazu fehlen die Ergebnisse des Vorverkaufs und die Summe aller Kosten. Der Verein freut sich jedoch über deutlich mehr Besucher als im Vorjahr und hat Hoffnung auf einen ausgelichenen Haushalt, der eine gute Basis für die Vorbereitung des Jubiläums 30. Elbhangfest sein wird.

Dessen Thema steht bereits fest: »Das Dreißigste tanzt!« Mit diesem Thema will der Verein Festlichkeit und ausgelassene Fröhlichkeit verbinden – von Klassik bis Moderne, von Volkstanz bis Welttanzprogramm, von Walzer bis HipHop – Mary Wigman und Gret Palucca lassen grüßen…

Freuen Sie sich also auf das erste ELBTANZFEST – wir freuen uns wieder auf Ihre Mitwirkung mit vielen schönen Ideen und Beiträgen.

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