Laudatio für die (Film-)Regisseurin Sieglinde Hamacher

Erinnerungen an

Sieglinde Hamacher

– einstmals DEFA-Regisseurin in Dresden

11. Juli 1936 (Dresden) bis 18. Dezember 2020 (Stuttgart)

(für den Elbhang-Kurier aufgeschrieben von Marion Rasche /Blasewitz 2021/, Dramaturgin und Filmregisseurin, vormals Kollegin von Sieglinde Hamacher)

Wie gern hätten wir Freundinnen und ehemaligen DEFA-Kolleginnen Sieglinde zu ihrem 85. Geburtstag am 11. Juli wie jedes Jahr in den Arm genommen und ihr viele, viele guten Wünsche auf den Weg gegeben – natürlich wie immer in feucht-fröhlicher Runde. Doch dies geht nun nicht mehr.

Schön wäre es auch, hätte ich sie für den Elbhang-Kurier grade zu der Zeit, als sie auf dem Veilchenweg 48 wohnte, ausgiebig befragen können, denn leider weiß ich nur wenig darüber. Als wir uns kennenlernten, lag diese Zeit ja schon lange zurück. Bekannt ist mir , dass sie mit 19 Jahren dort hinzog, um mit dem neuen Mann an ihrer Seite, dem Wand- und Kirchenmaler Will Hamacher , der war grade geschieden worden, zusammen leben zu können. Hat es ihr dort gefallen? Ich weiß es nicht. Als das Paar vom Veilchenweg wegzog, waren die kalten Winter der Grund. Denn besonders Sieglinde fror in dieser Wohnung jämmerlich, vermutlich weil sie schlecht zu heizen war. Und in der Nähe des DEFA-Studios in Dresden-Gorbitz war der Veilchenweg nun auch nicht grade. Zum Glück wurde Sieglinde öfter vom Ehepaar Katja und Klaus Georgi, auch bedeutende DEFA-Regisseure, mit dem Auto mitgenommen. Denn diese wohnten auch auf dem Veilchenweg. Zuguterletzt bin ich mir sicher: hätte man Sieglinde nach ihrer Traumwohnlage gefragt, hätte sie garantiert geantwortet: direkt neben dem Theater. Denn das Theater war bis zum Schluss der Ort, wo Sieglinde am liebsten war. Die Liebe zum Theater bekam sie schon von den Eltern in die Wiege gelegt, denn auch diese waren begeisterte Theatergänger und nahmen die Kinder sehr früh mit dorthin. Der Vater war Musterzeichner von Beruf und entwarf verrückte Tapeten. Seine Brüder waren Kunst- und Porzellanmaler. Sieglindes Schwester war Schauspielerin. Die Mutter, von Beruf Verkäuferin, hatte allerdings für die Familie die Führung eines Kolonialwarenladens inne, in dem auch Sieglinde in ganz jungen Jahren Aufgaben zu absolvieren hatte. Später war es nicht so einfach für sie, sich von der Übernahme dieses Ladens loszueisen, obwohl die Mutter es sich so sehr wünschte. Aber zum Glück gelang es ihr ja.

Es gab für sie nach dem Abitur kein anderes Studienziel als Bühnenbildnerin. Daraus wurde jedoch nichts, weil sie an der Dresdner Kunsthochschule nicht genommen wurde. So bemühte sie sich um ein Volontariat bei einem Bühnenbildner an den Landesbühnen Sachsen, ein Jahr später wechselte sie in den Malsaal des Staatstheaters Dresden. Ihr gefiel es, dort in großen Formaten arbeiten zu können und manchmal bedeutende Künstler wie Martin Hellberg oder Karl von Appen zu treffen. In dieser Zeit nahm sie auch Malunterricht an der Dresdner Volkshochschule bei dem Maler und späteren Dokumentarfilm-Regisseur Jürgen Böttcher, der sich später Strawalde nannte. Sie war in der gleichen Klasse wie Ralph Winkler, der als Künstlerberühmtheit später A. R. Penck hieß.

Als sie hörte, dass in Dresden ein Trickfilmstudio eröffnet worden sei, bewarb sie sich dort, da sie für sich dort mehr Chancen sah und weil, wie sie selbstironisch erzählte, das Gehalt auch höher war. In den ersten Jahren arbeitete sie als Animatorin, also als Phasen-Zeichnerin, für verschiedene Regisseure. Es muss übrigens nicht erwähnt werden, dass die Vorlagen für Animationsfilme nun das genaue Gegenteil von großen Formaten waren. Weil die Arbeit als Zeichnerin für andere Regissseure Sieglinde nicht so recht befriedigte, nahm sie nebenbei ein Fernstudium an der Theaterhochschule in Leipzig auf und schloss es auch erfolgreich ab. Ihr Ziel war es, Regisseurin zu werden, und sie fand, dass das absolvierte Studium dafür als Grundlage durchaus gut geeignet war.

Die ersten Filme als Regisseurin – es war die satirische Zeichentrickserie »Vater und Familie« – machte sie als Co-Regisseurin mit ihrem Ehemann Will Hamacher. Nach dessen Tod im Jahre 1974 begann Sieglinde ihre eigenständige Regie-Laufbahn, die ein Weg zum Erfolg werden sollte.

Der Besuch eines bedeutenden Animationsfilm-Festivals in Zagreb wurde für Sieglinde ein Wendepunkt zu internationaler Anerkennung. Konfrontiert mit einer Vielzahl von gestalterischen und erzählerischen Möglichkeiten fand sie den Weg zu einer überaus erfolgreichen Filmsprache auf der Grundlage interessanter Filmideen, die sie mit ihrer Dramaturgin Hedda Gehm entwickelte. So wurden einige ihrer Arbeiten auf internationalen Festivals ausgezeichne. Zu ihren wichtigsten Filmen gehören »Ein friedlicher Tag«, »Die Lösung«, »Lebensbedürfnis oder Arbeit macht Spaß«, „»Kafkas Traum«, »Rapport«, »Die Wahrheit um den Froschkönig« oder »Kontraste«.

Nach Schließung des Studios ist Sieglinde sofort in den Ruhestand gegangen und hat nie wieder einen Film gedreht. »Ich hatte ein so schönes Berufsleben… Ich habe das Buch einfach zugeschlagen«, sagte sie dazu. Allerdings hat sie ihre Filmerfahrungen in verschiedenen Gremien eingebracht, zum Beispiel in der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien, im Sächsischen Kultursenat oder bei der Mitteldeutschen Medienförderung..

Liebe Siggi, wir haben wunderbare Erinnerungen an unsere gemeinsamen Jahre. Die helfen uns, an Deinem 85. Geburtstag nicht traurig zu sein. Ich bin mir ganz sicher, dass Du uns vom Himmel aus zuschmunzeln wirst.

Marion Rasche

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