Leserbriefe

Eine Auswahl an Leserbriefen die die Redaktion erreichten – von Franns v. Promnitz, Dr. Judith Brombacher und Peter Witzmann.

Irritation (oder Denkmalschändung?) an der Blasewitzer Naumann-Stele hinter der SchillerGalerie

Während ich den Artikel über „Naumanns Weinberg“ schrieb (ELBHANG KURIER Juni 2021), begab es sich anscheinend gleichzeitig, dass das Denkmal für den Protagonisten Johann Amadeus Naumann ‚geschändet‘ wurde! Dies steht ja auf Naumanns ehemaligem (Palais-)Grundstück, wurde vor 20 Jahren errichtet, und ich enthüllte es am 200. Todestag 23. Oktober 2001 gemeinsam mit einem naumannschen Nachfahren und damit sollte an den ‚berühmtesten Sohn Blasewitzens‘ erinnert werden.

Der auf der Sandsteinstele aufsitzende Glaskörper ward’ inzwischen völlig demoliert, und – Ironie der Geschichte – neben dem nun verhunzten Denkmal prangt jetzt eine Texttafel, festgemauert in die Erd’ mit ziemlich verhunztem Textinhalt. Es erhebt sich für mich die Frage,  wer  hat diese Tafel zu verantworten? Der von mir befragte neue Centermanager hat wahrscheinlich wenig Ahnung, wo er sich befindet, Die Frage ist auch, wem gehört das Denkmal eigentlich?

Im Stadtbezirksamt erreicht man keine Seele, mein Protest an den amtierenden Centermanager Glöckner blieb unbeantwortet. Allso scheint es angezeigt, die Fehler der Tafel zu beleuchten. Am 25. November anno 2001 hatte der damalige Schriftführer der Naumann-Gesellschaft, Walther Haupt, an den damaligen Ortsamtsleiter Dieter Brunow geschrieben: „Beeindruckt von der Gedenk-Stele für Naumann und der Festveranstaltung anlässlich ihrer Enthüllung glaube ich doch, dass diese würdige Ehrung für die Öffentlichkeit noch einer verbalen Erläuterung bedarf“, und mahnte eine Texttafel freundlich an. Darauf geschah (natürlich) nix, und nun steht eine Texttafel seltsamerweise so schlimm in der Gegend rum…

Die FEHLER:

  1. gab es nie einen kursächsischen Hofkapellmeister Johann ,Gottlieb`  Naumann! Tatsächlich kommt in keinem einzigen Stück der gesamten Musik dieses Meisters der Vorname ,Gottlieb` vor! Ergo, da am Denkmal nebenan ja Naumanns Unterschrift zu finden ist, ist es ja wohl doppelt dämlich, in der ,Erklärung` dazu das Falsche zu schreiben!
  2. Die Stele markiere den Platz, wo Naumanns Geburtshaus gestanden hätte. F a l s c h, dies
    stand quasi an der heutigen Straßenbahnhaltestelle, wurde aber schon vor 1900 abgerissen. Die jetzige Stele ,markiert` wahrscheinlich den Weinberg nahe seinem Palais.
  3. Die autographischen Noten am Denkmal-Glaskörper – der jetzt nun gerade fehlt – enthalten Beispiele aus fünf Schaffensbereichen (im geistlichen Bereich ein Kyrie – leider steht auf der Tafel Kyriem, allso ein „m”   zuviel).
  4. hätte die Naumann-Gesellschaft, die es ja nun schon 30 Jahre gibt, erwähnt werden können …

Franns v. Promnitz


Zum Artikel „Vom Fernsehturm aus die Schlacht um Dresden von 1813 erleben“ (Juli 2021)

„Vom Fernsehturm aus die Schlacht um Dresden von 1813 erleben“ heißt das Programm der neuen Fernsehturm-Betreiber. Ich habe kein Verständnis dafür, dass für die Realisierung dieses Programms und dafür der baulichen Instandsetzung des Fernsehturms mit 25,6 Mio. Euro öffentliche Fördermittel von Bund, Land und Stadt Dresden – also unsere Steuergelder – verschwendet werden. Durch eine entsprechende Visualisierung kann dies auch vom Boden von einem privaten Betreiber ermöglicht werden, dafür braucht es keine Steuergelder.

Im Moment haben wir im ganzen Land einen immensen Geldbedarf, um uns gegen Katastrophen aller Art für die Zukunft zu wappnen und die aktuellen Schäden zu beseitigen. Wann hört das endlich auf, dass solch ein „Firlefanz“ für einen Luxuskonsum, den wir eigentlich nicht brauchen, endlich nicht mehr mit öffentlichen Geldern gefördert wird und wir uns um die tatsächlichen, existenziellen Probleme unseres Landes kümmern?

Dr. Judith Brombacher


Anmerkungen zu Anmerkungen

Sehr geehrter Herr Dr. Böttger,
Ihre „Anmerkungen“ im jüngsten Elbhang-Kurier (Juli 2021) sind, ich sage es einmal so: etwas eigenartig. Darum muß ich zu ihnen doch etwas anmerken.

Herr Kühnel war lange Jahre mein Buchhändler, Ingo Schulze war auf der Kreuzschule mein Schüler (und wurde mir über sein Studium zum Fachkollegen), Frau Dagen ist mir nicht unbekannt – ich hätte sie, legte ich mir altershalber nicht Grenzen weiteren Büchererwerbens, wohl zu meiner Buchhändlerin erkoren, weil einen Buchändler/eine Buchhändlerin, zumal so gute, wie die genannten, zu haben, doch etwas völlig anderes ist als der Einkauf bei einer Handelskette.

Ihr erstes Wort, da stock’ ich schon: „Vor 25 Jahren an die Elbe verschlagen“ – nach meiner Rechnung führt mich diese Mitteilung in das Jahr 1996: da war Herr Kühnel schon über zwei Jahre tot. Wie jemand da eine „Vielzahl“ von „Bücher(n) aus Kühnelscher Hand“ in seinem Bücherbestand haben kann, ist mir etwas rätselhaft, es sei denn, er habe die Erwerbungen keine geringe Zeit vor 1992, dem Jahr der beabsichtigten/erfolgten (?) Geschäftsaufgabe, getätigt. Da hätten wir einander durchaus über den Weg laufen können, war ich doch häufig und regelmäßig in seiner Handlung, die ja für mich gleich um die Ecke lag. Wir, Herr Kühnel und ich, hatten auch stets anregende Gespräche, in denen ich freilich nie etwas von seinem „leidvoll erlernten Pazifismus“ oder seiner „offen bekannte(n) Gottgläubigkeit“ auch nur zu spüren bekam, mußte er doch mir gegenüber keinerlei Anlaß zu besonderer Umgangsvorsicht haben – und solche auch nicht hatte.

Nun kommt der „karrieresüchtige Jungschriftsteller“ ins Spiel, eben Ingo Schulze, der übrigens seinen Fünfzigsten hinter sich hat. Ich kenne ihn gegenteilig, nämlich als bescheiden, sorgsam arbeitend, seiner Sache sicher und unsicher zugleich, keineswegs als einen, der frühzeitig den Könner herauskehrte, der auf einer aktuellen Welle mitzuschwimmen gedachte, um nur ja recht bald recht bekannt und berühmt zu werden – und dieser Grund ist der Grund seines Wesens, seines Charakters geblieben. Der Gedanke, einer habe da ein Jahrzehnt gewartet, daß andere Zeiten kommen, über die er dann auch gehörig, einem Mainstream folgend, den er nicht kennen konnte, herziehen könne, Buch um Buch, Vortrag um Vortrag, Essay um Essay, nur um „für solche Fleißarbeiten winkende Preise, Auflagen, Ehrungen, Aufmerksamkeiten zu erwirken“ ist abwegig, ist schlicht unhistorisch, unsachlich, niederträchtig. Das Letzte ist hart, doch ich kann eine Position nicht unwidersprochen hinnehmen, die etwa – si licet parva componere magnis – Thomas Manns „Leiden an Deutschland“ für Nestbeschmutzung halten möchte. Leider – denn das ist ein Grundthema deutscher Literatur und ihrer Geschichte – kann man eine lange Reihe von Autoren anführen, die sich an ihrer Zeit gerieben haben, die an ihren Zeitläuften sogar zugrundegegangen sind.

Solche Zeiten sind hoffentlich – was man aber nicht sicher wissen kann – vorbei, und dennoch bleibt das große Thema unaufgelöst, das Schulze in mehrfacher Gestalt und Weise angeschlagen hat: Merkelsche „marktkonforme Demokratie“ oder „demokratiekonformer Markt“ (Schulze). Doch das ist halt „ein politisch Lied, ein leidig Lied“, das lassen wir lieber und befassen uns mit Literatur.

Jetzt kommen die Philologen zum Zuge, der Autor Ingo Schulze und der Schreiber dieser Zeilen. Beide sehen sich nicht als Grammatikerseelen und Silbenkrämer, sondern als Leute, die mit Literatur umgehen, der eine produktiv, der andere rezeptiv, also auch analysierend.

Der erste Satz der „Mörder“, die erste Zeile verzaubert und bannt den Lesenden sogleich, und der Orts- und Zeitkundige meint, Bescheid zu wissen, zumal ihm der Fortgang schon auf den beiden ersten Seiten Bestätigung liefert, d.h. zu liefern scheint: die Brucknerstraße und dergleichen sehr konkrete Einzelheiten. Wer nicht orts- und zeitkundig ist, nimmt den Text so hin, wie er halt dasteht. Aber der Orts-und Zeitkundige weiß auch, daß dieser Antiquar Norbert Paulini nicht der reale Antiquar Hans-Georg Kühnel sein kann, denn der war älter, der war nicht erst im Juni 1953 geboren. Er hatte vielleicht gesprächsweise erfahren, daß der reale Antiquar noch in den Krieg gezwungen war, was dem fiktiven, literarischen nicht widerfahren sollte. Der im Juni 1953 – ist das Datum zufällig so gewählt? – Geborene ist tragender, unentbehrlicher Bestandteil einer literarischen Fiktion, aber beilebe nicht der einer biographischen Re- oder, wie unterstellt: De-Konstruktion einer realen Person. Das läßt sich an vielen Details nachweisen. Sie reizen, ihnen nachzugehen und von ihnen angeregt zu spekulieren. Manches davon ist versteckt, man muß nachschlagen und, zum Exempel, den ersten Satz von „Leviathan“ lesen, der genauso märchenhaft anhebt wie Schulzes „Mörder“, manches ist so konkret, so anscheinend stimmig, daß kein Zweifel an Echtheit aufkommen mag – aber eine Kasse mit Kurbel gab es, erinnere ich es recht, bei Kühnel nicht.

Das Personal war, nach langjähriger Erfahrung, nie so wie das im Roman. Die „Weiße Reihe“, in der zu DDR-Zeiten, wenn auch in meist zu kleinen Auflagen, sehr viele sonst wenig oder gar nicht gepflegte Autoren erschienen, war in Wahrheit eine schwarze, in schwarzem Schutzumschlag (dafür in druckfreier weißer Broschur), ironischerweise als „Spektrum“ bezeichnet, mit Reihennummerierung (meine reicht bis 190) – dies übrigens ein kleiner sachlicher Blick auf die „Öde der sozialistischen Einheitskultur.“ Zugleich existierte auch eine Weiße Reihe, die, wenn nicht ausschließlich, so vornehmlich Lyrik bot. Bruno Snells „Entdeckung des Geistes“, bei Kühnel laut Eintrag des Vorbesitzers aus dem Nachlaß Janentzky erworben, steht in meinem Bücherregal – ob er je ein zweites Exemplar antiquarisch gehandelt hat, dürfte zweifelhaft sein: ich vermute, das ist ein Titel, der vielleicht im Unterricht aus irgendeinem Grunde erwähnt wurde – ein Stoffkrümel für den Autor, dessen Herkunft ihm nicht bis ins Letzte klar sein muß, die Brauchbarkeit für Evidenz von Wahrscheinlichkeit genügte ihm völlig. Der Autor treibt ein Spiel mit Fiktionen – und mit dem Leser und lädt diesen zu diesem Spiel ein. Kurzum: bei Schulzes Roman hat man es mit keinem Bilse-Roman zu tun. Thomas Mann hat das 1906 in einem Aufsatz „Bilse und ich“, auf den Hans Mayer gern verwies, sehr schön expliziert (in: Altes und Neues, Kleine Prosa aus fünf Jahrzehnten, und anderswo in einer Werkausgabe). Das Fazit kann mithin nur lauten: der reale Buchhändler und Antiquar Hans-Georg Kühnel, geboren 1927 zu Eisenach, verstorben 1994 auf einer Reise, hat mit dem fiktiven Antiquar Norbert Paulini soviel oder so wenig gemein wie Hanno Buddenbrook mit Thomas Mann oder Karl May mit seinem Helden Old Shatterhand, auch wenn der bändelang in der Ich-Form erzählt. Homers Troja ist eben nicht das, was seit Schliemann ausgegraben wurde.

Ich breche ab – es wird wohl auch klar genug sein, daß ich mich mit gar manchen Ihrer Aussagen, oder sollte ich nicht genauer sagen: Anschuldigungen, Herabsetzungen, nicht nur des Autors, sondern auch seines Publikums, nicht anfreunden mag.

Ich neige sehr dazu, zu sagen: si tacuisses …

Mit freundlichen Grüßen
Peter Witzmann

 

Getagged mit: , , , , , ,
Veröffentlicht unter Der Elbhang-Kurier, Zusätzliche Artikel online