Editorial Februar 2022

»Därfen die denn das?« soll der letzte sächsische König Friedrich August III. gefragt haben, als ihm berichtet wurde, dass die Revolutionäre im Besitz von Waffen seien. Ein Ausspruch, der angesichts seiner gewissenhaften Amtsführung viel wahrscheinlicher ist als das weit bekanntere »Macht euren Dreck alleene«. – Wir erinnern anlässlich seines 90. Todes­tages an den letzten Sachsenkönig, der seine Kindheit am Elbhang verlebte und dieser Landschaft nicht zuletzt durch die vielen Immobilien der Wettiner am Hang verbunden war.

Obwohl die Monarchie scheiterte, war der letzte Monarch der Sachsen beliebt im Volk – bis heute, wie ein neues Filmprojekt von Peter Ufer, Ernst Hirsch und Tom Pauls zeigt.
»Versuch und Irrtum«, ein ständiges Scheitern in wiederkehrenden Wellen, bleibt auch als vorläufiges Fazit der Corona-Jahre. Das Virus ist zu schnell für unsere föderalen Strukturen und teildigitalisierten Beamtenstuben. Es hat zu einer Spaltung der Gesellschaft in zwei Drittel Geimpfte und ein Drittel Impfskeptiker geführt. »Spaziergänger« protestieren – bei uns noch ohne Waffen, aber teilweise auch nicht mehr gewaltfrei – gegen die Corona-Maßnahmen. Verschwörungstheorien, aber auch berechtigte Existenzängste und Kritikpunkte vermischen sich zu einer unguten Stimmung. Obwohl sie eigentlich »nicht därfen«, nehmen sich selbsternannte »Freie Sachsen« das Recht zu demonstrieren, und der Staat hat nicht die Kraft, das zu verhindern. Die Meinungen sind so verhärtet, dass z. B. medizinische Fachkräfte lieber eine jahrzehntelange Berufstätig­keit aufgeben, als sich der Impfpflicht zu beugen. Kann sich die Gesellschaft leisten, auf sie zu verzichten?
Viren lesen keine Partei­bücher. Es gilt, parteiübergreifend konstruktiv zusammenzukommen. Alle Informationen stehen – nicht wie in einer Diktatur – zur Verfügung. Heute muss jeder entscheiden, welche glaubhaft sind und welche nicht. Es wird eine große Herausforderung, das Vertrauen wieder herzustellen. Dazu gehört, einige Coronamaßnahmen zu hinterfragen. Dazu gehört aber auch, wissenschaftliche Erkenntnisse zu akzeptieren.
Denn was wäre, wenn unsere Landesregierung – angesichts ihrer seit Jahren komplett spaßfreien Arbeit plus frustriertem Feedback – tatsächlich mal sagte: »Macht euren Dreck alleene«?
Holger Friebel/Jürgen Frohse

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