Ungekürzter Leserbrief von Thomas Jung

Vielleicht war Ihre Reportage zu den Montags(auf)märschen doch etwas zu wohlwollend. Sicher dem Umstand geschuldet, niemanden verprellen zu wollen, den Keil nicht weiter zu treiben.

Versteh ich gut, aber heißt das in diesem Fall nicht doch, aus dem Herzen eine Mördergrube machen? Positiv schlägt zu Buche, dass ich dank dieser Leute dieses Land, in dem mein Zuhause/die Heimat ist, wo so viel im Argen liegt und so viel zu tun ist, mehr schätzen gelernt habe, wirklich nirgendwo anders leben möchte, besser sehe, was wirklich die Qualitäten hier sind. Nicht zuletzt sehe ich, wie substanziell und fragil und großartig Demokratie ist, wo auch ausgemachte Volltrottel demonstrieren, Quatsch erzählen und sogar wählen dürfen.
Schlimm ist natürlich, dass in einem der reichsten Länder der Erde das Bildungsdefizit so gigantisch ist, dass es noch so viele Volltrottel gibt. Außerdem aufschlussreich, den eigenen Inner-Nazi besser kennenzulernen, der sich in schwachen Momenten fragt, was mit diesen Leuten am besten gemacht werden sollte, ganz undemokratisch, voll Ärger über diese Flachpfeifen, denen es viel zu gut geht, die undankbar und verblödet sind, denen man mal richtig etc. und so weiter. In solchen Momenten meide ich aber öffentliche Orte und Begegnungen mit anderen Menschen.
Und die Moral von der Geschichte: Demonstrationsrecht für alle, was auch für alle übrigen Rechte gilt, entsprechend dann auch Auflagen und Pflichten.
Und mehr demokratische Be­teiligungsofferten, die Spanne zwischen verantwortungsloser Meckerei »unten« und den Verantwortungsebenen »oben« ist einfach zu groß.
Besonderen Dank für die Ausführungen zum Ziegengrund, wir sind jetzt dabei, dieses Areal genauer zu erkunden. Dabei sofort auffällig der Leerstand in der Grundstraße, wodurch ist der denn verursacht? Gibt es dafür eine einfache Erklärung?
Und schnell auch noch diese Frage: Am Ende des Materniwegs, wohl die 14, steht vor einer bedeutsam gefassten Garageneinfahrt (dorische Säulen) eine Muschelkalkskulptur, Frau mit Kind, unterlebensgroß, eine mich anrührende Arbeit, möglicherweise von dem an dieser Adresse mal wohnhaften Friedrich Brod­auf. Die Figur taucht auf keiner Denkmalliste auf, online ließ sich auch nicht allzuviel finden, ein Hinweis auf den Elbhang-Kurier November 2013 lässt vermuten, Sie wissen mehr. Hätte ich als Abonnent Zugriff auf das Archiv?
Gibt es jemanden, der sich dazu befragen ließe?

Thomas Jung

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