»Zeigefinger in sächsischer Landschaft« – Weg 12

August 2024 – Weg 12: »Von Weixdorf durch das Seifersdorfer Tal nach Radeberg« – von Dr. Michael Damme und Matthias Griebel

Mit der Straßenbahn Linie 7 oder mit der S-Bahn 2 bis zur Endhaltestelle der Straßenbahn bzw. mit dem Zug bis zum Haltepunkt Weixdorf. Wenige Minuten entlang der Eisenbahnstrecke gegangen, erreichen wir den Ausgangspunkt unseres Weges, einen kleinen Zeigefinger in sächsischer Landschaft.
Wenige Meter nachdem die Bahnlinie die Königsbrücker Landstraße quert, sehen wir zur Linken das wieder eröffnete »Alte Erbbrau- und Schänkgut zu Lausa« in einem historischen Fachwerkhaus, das wie ein trotziges Kind den Erschütterungen des Straßen- und Bahnverkehrs widersteht. Es ist ein guter Ort den geschichtsträchtigen Weg mit einem Freiberger Bier oder einem Glas Meißner Wein zu beginnen.

Alte Erbbrau- und Schänkgut zu Lausa und Kirche Lausa,
Fotos: Michael Damme

Lausa:
(1351 Lusen= Siedlung in sumpfigem Gelände), mit Weixdorf seit 1999 zu Dresden, unterstand seit 1696 dem Rittergut Hermsdorf. Die alte Erbschänke war auch Gutshof mit Brauerei und Gerichtsstätte (daher oft Erbgericht, Erblehngericht oder sorbisch »Kretscham«). Der jetzige Bau hat seinen Ursprung in einwandernden Kolonisten, die dem Waldhufendorf seine Struktur verliehen und auch die Fachwerkbauweise mitbrachten.


Die evangelische Pfarrkirche zu Lausa:
Von etwa 1650 wurde mehrfach verändert, besitzt Kanzel, Kanzelaltar und Altargemälde aus der Entstehungszeit sowie die Patronatsloge der Hermsdorfer Herrschaft. Das Pfarrhaus wurde 1654 erbaut. Von den Grabmahlen des 17. bis 19. Jahrhundert ist besonders die letzte Ruhestätte des legendären Lausaer Pastors David Samuel Roller (1779–1850) bemerkenswert. 1811 vom Hermsdorfer Gutsherren Burggraf von Dohna nach Lausa berufen, brachte der Seelsorger Erfahrungen als Hauslehrer und Leiter eines Dresdner Knabeninstitutes mit, die seiner Gemeinde ebenso wie seinen Zöglingen zu Gute kamen. So war er auch der Konfirmationspastor des späteren Malers Wilhelm von Kügelgen (1802–1867), der in seinen »Jugenderinnerungen eines alten Mannes« dem strengen Christen und originellen Kauz ein literarisches Denkmal setzte.

Wenige Meter weiter empfiehlt sich eine Einkehr in die alte Kirche zu Lausa, einem Ortsteil von Weixdorf. Fragen sie im benachbarten Pfarrhaus nach dem »Küster – Hausmeister, also dem Mädchen für Alles«. Er wird Ihnen mit Begeisterung über die Geschichte der Kirche, über den noch heute bekannten und verehrten Pastor Roller oder die auf Holzpfählen hinter der Kirche errichteten Dorfschule nahe dem Dorfteich sowie über Heutiges berichten. Am Dorfteich vorüber überqueren wir den Lausenbach und die Königsbrücker Straße und folgen nach kurzer Zeit den Hermsdorfer Weg hinauf, am Friedhof vorbei, über den Schafberg nach Hermsdorf – eine schöne Kastanienallee, nur uns Wanderern vorbehalten. Der Blick geht nach rechts über die Felder in Richtung unseres Zieles nach Osten.

Nun fällt der Weg bergab und wir sehen in der Ferne bereits die Silhouette der Schlossfassade des Hermsdorfer Schlosses durch die Bäume schimmern, unseres ersten Etappenziels — 2 km. Der Schloßpark ist nicht sehr weitläufig, aber die Anlage im englischen Stil ist besonders reizvoll, so dass die Fachleute der Gartenkunst ihn zu den besonderen Parks in Deutschland zählen. Die Röder wurde im Süden um das Schloß künstlich zur jetzt dem Verfall preisgegebenen Mühle geleitet.


Hermsdorf:
(1350 Hermansdorf), ehemaliger Sattelhof des Rittersitzes Wachau, Vorwerk, dann selbständiges Rittergut als Mittelpunkt einer ausgedehnten Grundherrschaft. Sitz der adeligen Geschlechter ist von Carlowitz, der Wettiner, von Flemming, von Hoym, von Dohna, von Schönburg-Waldenburg (bis 1946). Unter den bedeutenden Vertretern dieser Geschlechter ist vor allem der Staatsmann Christoph von Carlowitz (1507–1574) zu nennen, der die Universität Leipzig reformierte, die Säkularisation der Klöster durchführte und für Herzog Moritz von Sachsen (1547) die Sächsische Kurwürde sicherte. Erster Schloßbau 1553/1579, durch Brand zerstört 1729, Wiederherstellung 1730 unter Mitwirkung von George Bähr, spätere Restaurierung u.a. nach 1980 (Altenheim)und nach 1992; letzte Nutzung als Kunst- und Kulturschloss. Beachtenswert sind die Sandsteinportale des 16. Jahrhunderts sowie die geschnitzten Holztüren aus dem 18. Jahrhundert und die darüber liegenden 2 Altanen aus der Renaissancezeit. Begrenzung des Schloßhofes mit von der Röder gespeisten Wassergraben, an den Ecken drei Bastionen mit Welscher Haube, die südöstliche eine Kapelle des 17. Jahrhunderts und in der südwestlichen das Atelier eines Dresdner Bildhauers.
Der barocke Schloßpark wurde 1764 in einen englischen Park umgewandelt unter Beibehaltung der Wasserachse der Röder. Im Park befinden sich eine qualitätsvolle Sandsteinstatue des Apollo sowie eine Puttengruppe.

Wir müssen nun endlich weiter, so schön es hier auch ist, denn »der Weg ist unser Ziel«. Wir verlassen den Park nach links und gehen dem Lauf der Röder entgegen, ca. 1 km entlang und dann die Straße nach Grünberg hinab. Wir lassen die Kirche des Ortes links liegen und biegen am Bäcker (Vorsicht vor der obersten Stufe in den Laden) wieder links ab. Nach 0,2 km steigen wir in das Seifersdorfer Tal hinein und folgen der Markierung mit dem grünen Strich. Jetzt können wir lange Zeit diesen Grundweg genießen. Nach 30 Minuten am geht es vorbei an den Ruinen der Kunathsmühle und wenig später folgt die Niedermühle. Hier führt die rote Strecke 1 km hinauf zum Schloß Seifersdorf, einen Abstecher wert für all die, denen ein historisches Bauwerk eine schöne Ergänzung zu den Bildern der Natur ist.

Schloss Hermsdorf und Seifersdorfer Schloss,
Fotos: Michael Damme

Seifersdorf:
(1335 Syffridisdorf) mit bedeutender Saalkirche von 1604/05 und frühem Rittergut des 15. Jahrhunderts, erhielt 1531 ein Wasserschloß. Nach Verkauf 1747 an den sächsischen Premierminister Heinrich Graf von Brühl (1700–1763) verblieb der Besitz bei der Familie bis 1945. Deren bedeutende Vertreterin, Margarethe Christiane »Tina« von Brühl (1756–1816), die Schwiegertochter des Ministers und Frau seines Sohnes Moritz, ist die Schöpferin der romantischen Parklandschaft im Seifersdorfer Rödertal. 1822 erfolgte der neogotische Umbau des Wasserschlosses durch Carl Friedrich Schinkel (1781–1841) bei dem jedoch der Charakter der alten Anlage in Äußeren erhalten blieb. Reste des Wassergrabens mit Schlossteich sowie des englischen Parks in den alten Umfassungsmauern umgeben das Schloß, das heute von der Gemeindeverwaltung genutzt wird.


Den Weg nun zurück ins Tal gegangen, geht es nach links wieder an der Röder entlang hinein ins Kerngebiet des Seifersdorfer Tales. Eine wahrlich romantische Landschaft, die uns ebenso verzaubert, wie Generationen vor uns. Wir passieren die Marienmühle an der Röder entlang vorbei an weiteren Zeichen der Romantik bis zur ehemaligen Grundmühle. Der Weg macht hier einen Bogen. Nach 4,8 km oben angekommen, empfängt uns eine Landschaft mit Feldern und Wiesen. Es ist Halbzeit auf unserem Weg. Nun 3 km weit über die Alte Salzstraße hinweg, einem historischen sächsischen Handelsweg, Richtung Wachau. Ein weiter Blick bietet sich in alle Richtungen. Liegt der Acker brach, so zeigt sich im Norden die Spitze der Kirche zu Wachau, wiederum wie ein Zeigefinger über der Horizontlinie.


Das Tal der Großen Röder:
ab 1781 durch »Tina« von Brühl zu einer romantischen Parklandschaft mit Denkmalen, Grotten und Tempelchen gestaltet, die zu einem Anziehungspunkt von Künstlern und Gelehrten der Romantik wurde. Dem zunehmenden Verfall der in ihrem sentimentalen Anspruch aus der Mode gekommenen Anlage begegnete der Landesverein Sächsischer Heimatschutz 1997, indem er große Teile des Naturschutzgebietes erwarb. Dessen Körperschaft, der »Seifersdorfer Tal e. V.« unternahm von 1999–2004 eine umfassende Sanierung des Tales. Finanzielle Unterstützung gewährte ihm dabei die Allianz-Umweltstiftung für »ein wahres Stück Tafelsilber der deutschen Einheit«. Der Verein wurde 2005 vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalsschutz mit der »Silbernen Halbkugel« ausgezeichnet.


Wir stoßen auf die Verbindungsstraße nach Seifersdorf, wo wir an der Festplatzwiese nach rechts abbiegen. Wenige Minuten später durch den Wachauer Park, den sich gerade die Natur zurückerobert, stehen wir vor dem Barockschloss, das von einem Schlossteich umgeben ist. Hier, wie auch in Hermsdorf, weiß man nichts Vernünftiges mit diesen herrlichen Bauwerken anzufangen, so dass trotz aufwendiger und engagierter, mit Steuermitteln finanzierter Sanierung das Siechtum der Gebäude wiederbeginnt. Nachdem wir um das Schloss gegangen sind, wandern wir die Straße nach Osten, die Kirche links liegen lassend, weiter. Hinterm Getränkemarkt, vor dem Fleischer geht’s nach links hinauf und am Ortsende nach rechts unserem Tagesziel entgegen. Die Felder, Wiesen erstrecken sich nach Norden und stoßen am Horizont an einen Waldgürtel. Wenn sie das Grunzen von Wildschweinen hören, nicht erschrecken, die werden hier wie Hausschweine gehalten.

Herderdenkmal, Barockschloss Wachau und Apollo,
Fotos: Michael Damme

Wachau:
(1218 Wachowe = Siedlung eines Vach) mit großer Saalkirche von 1820/23 unter Verwendung des Turmes des Vorgängerbaues von 1689 und stattlichen Pfarrgeschäft, war bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts Herrensitz. Die heutige barocke Schlossanlage einschließlich des umgebenden Wassergraben, entstand in den Jahren 1730 bis 1754. Bauherren waren die hier seit dem 14. Jahrhundert ansässigen Grafen von Schönfeld, deren Linie 1770 erlosch. Deren Wappen mit Reichsgrafenkrone zeigt der reliefgeschmückte Giebel auf der Parkseite. Nachbesitzer wurden die Herren von Oppel, denen im 19. Jahrhundert bürgerliche Schloßherren wie Blochmann und Kühne folgten. Bei letzterer Familie blieb das Schloss bis 1945. Danach wurde es als Verkaufsstelle, Jugendklub und für Gemeindezwecke genutzt. 1991 begann die Sanierung der Außenhaut des Schlosses wie auch der umgebenden Wasseranlage, ohne dass eine gültige Nutzung absehbar ist. Vater und Großeltern von Adrian Ludwig Richter, dem Dresdner Maler der Romantik stammen aus Wachau.


Ein kurzes Stück kommen wir noch einmal auf die Hauptstraße zurück, von der wir nach ein paar Minuten wieder nach links einen Fußweg hinauf zum Landwehrteich gehen. Am höchsten Punkt dieses freien Weges, bevor er in den Wald mündet, sieht man in Richtung Norden im Kamenzer Land einen Zeigefinger, den Turm der Kirche von Lichtenberg. Mitten im Wald kreuzen wir dann den »grünen« Weg, den Mittelweg, der unser Begleiter seit dem Start in Lausa bis zur Grundmühle war. Wir biegen darauf nach links ab um nach wenigen Schritten wieder nach rechts uns von ihm zu verabschieden. Nach 1 km verlassen wir den Wald und es geht am Feldrain hinab über den Friedrichsthaler Weg nach Radeberg. Zwei Straßen überquerend, wenden wir uns hinter dem Krankenhaus nach links ins Tal hinab, wo wir unser Ziel nach etwa 20 km Fußmarsch, das Schloss Klippenstein erreichen. Bis zum Bahnhof Radeberg geht’s über den Marktplatz, vorbei an der Radeberger Brauerei nochmals 30 Minuten zu Fuß. Das ist hart, aber muss sein. In 30 Minuten erreichen wir mit dem Zug den Bhf. Dresden Neustadt.

Kirche Lichtenstein und Schloss Klippenstein,
Fotos: Michael Damme

Radeberg und Schloss Klippenstein:
1233 Radeberch, 1344 »Städtchen«, erhielt 1412 Stadtrecht. Es liegt am nordwestlichen Rand des Westlausitzer Berglandes. Heutige historische Bausubstanz nach den Stadtbränden von 1714 und 1741. Auf einem Felsvorsprung über der Röder entstand um 1200 eine befestigte Anlage dessen Rittergeschlecht sich nach dem »Castrum Radeberch« benannte und um 1300 verschiedene Ämter, auch in der Oberlausitz innehatte. Beim Überfall der Hussiten Anfang des 15. Jahrhunderts wurde der Rittersitz zerstört und unter Herzog Moritz als Amts- und Jagdschloss von 1543–46 in der heutigen Gestalt errichtet. Die Hundestallbrücke, die einst zu den Jagdhundezwingern führte, gegenüber dem unteren Schlosstor erinnert an diese Jagdperiode. Als erster Amtmann ist Hans von Dehn-Rothfelser bezeugt, der den Umbau zum Renaissanceschloss leitete. Spätere Veränderungen, wie Abbruch des Rundturmes 1715 oder Abnahme des Renaissance-Zwerch-Giebel 1772 sowie Erweiterung der Vorburg prägen das Bild der später »Schloss Klippenstein« genannten Feste. Der Nutzung als Sitz einer Kurfürstlichen und Königlichen Amtsverwaltung folgten gleichgeartete Verwendungen. Bis 1952 als Amtsgericht und Gefängnisanlage in der Vorburg. 1953 schließlich folgte die Errichtung eines Heimatmuseums und mit Beginn der umfassenden Sanierung im Jahre 1993 verließen auch die letzten Mieter das Schloss.

 

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