»Zeigefinger in sächsischer Landschaft«
September 2024: Weg 13: »Entlang der Großen Röder«
von Dr. Michael Damme und Matthias Griebel
Wo der Pfarrer herkam, der für den Kurfürsten Sachsen vermessen hat
Den 13. Weg bin ich am 11.09.2012 gegangen – es war ein heißer Septembertag am Morgen und mit finsteren Wolken gegen Nachmittag. Aber ich war nur von innen nass geschwitzt. Mein Auto stellte ich hinter der Marienkirche in Großenhain nah am Hauptmarkt ab. Ein Blick in das Kirchenschiff überwältigte mich. Die Orgel, nicht der Altar, ist der zentrale Blickpunkt und zwar auf der Längsseite angeordnet. Ein Konzertbesuch dort ist nun Pflicht. In der Stadtinformation erhielt ich von freundlichen Mädchen liebevoll gestaltete Infobroschüren und gute Wanderkarten, die ich statt der Googleblätter nutzte. Ein Blick auf das Rathaus und den Markt mit dem Jagdbrunnen und es geht los, getreu dem Motto wie es in der Broschüre steht „Großenhain entdecken – Natur erleben“. Über die Poststraße und die Bahnhofsstraße zum Cottbusser Bahnhof ca. 0,4 km und dann weiter nach links bis zur Auenstraße, die nach rechts in den Stadtpark unter der Eisenbahnstrecke hindurch führt – 0,5 km. Hier links vorm Stadtparkrestaurant auf dem Fußweg parallel der Großen Röder über den Stinkgraben bis zur Straße „Am Stadtpark“ – 0,7 km. Diese weiter bis zur Skassaer Straße – 0,7 km. Entlang der „Dürrwiesen“ parallel zum Röderkanal 2,1 km bis nach Skassa. Hier über zwei kleine Brücken links über den Kanal und die Große Röder, nun mein Begleiter auf dieser 23 km langen Tour.
Großenhain, Skassa und Adam Friedrich Zürner (1679-1742):
Der um 1200 genannte sorbische Ort Ozzec (durch Verbau geschützter Platz) wurde in der Besiedlungszeit Hagen und bereits 1238 Hayn genannt. Seine Lage an der Hohen Straße (Via Regia) führte zum Aufblühen der Stadt als Handelszentrum, das um 1700 dann Großen-Hayn genannt wird und Sitz herrschaftlicher Ämter, 1875 der Amtshauptmannschaft ist. Zu dieser Zeit erfolgt auch der Anschluss an die Eisenbahnlinie Berlin – Dresden nachdem die Bahnverbindung nach Leipzig bereits seit 1862 bestand. Das Schloß von 1557 verfiel im 17. Jahrhundert, wurde im 19.Jahrhundert als Fabrik genutzt und ist nach 1990 zu einem Kultur- und Veranstaltungszentrum ausgebaut worden. Fast die gesamte Stadt war 1744 durch einen verheerenden Stadtbrand zerstört worden. Dem fiel auch die mittelalterliche Marienkirche zum Opfer, die bis 1748 durch Johann Georg Schmidt (1707 – 1774), Schüler und Nachfolger George Bährs, als T-förmiger Zentralbau neu errichtet wurde. Das Rittergutsdorf Skassa (500 ha) besitzt seit 1758 eine typische Patronatskirche als Nachfolgebau einer Pfarrkirche von 1539. An dieser wirkte der aus dem vogtländischen Marieney gebürtige Adam Friedrich Zürner (1679 – 1742) seit 1705 als Pfarrer. Auf Grund dessen geografischer Neigungen, bestellte ihn August der Starke 1713 zum „Königlich- polnischen und kurfüstlich-sächsischen Land- und Grenzkommissar“. Zürner nahm in der Folgezeit das sächsische Territorium umfassend kartografisch auf, legt über 18.000 Meilen mit seinem selbstkonstruierten Vermessungswagen zurück und schuf etwa 900 Straßen- und Wegkarten – darunter die „Chursächsische Post- und Generalkarte“. Ab 1721 ließ er die steinernen Postmeilensäulen nach dem Entwurf von Daniel Pöppelmann errichten.
Ein kurzer Blick in die Dorfkirche und auf die Inschrift auf dem Zürnergedenkstein und dann am Feuerwehrhaus vorbei wieder zurück zur Brücke und vor dieser links über die Wiesen, hinauf zu den Schrebergärten und einen kleinen Schleichweg bis zur Neumühle. So heißt die Straße vor der die Röder einen Rechtsschwenk Richtung Wildenhain macht. Am Ende der Biege erreiche ich nach 1 km von Skassa aus die Neumühle, die noch !! arbeitet. Weiter die jetzt Skassaer Straße entlang 1,5 km bis nach Wildenhain. Im Dorf nach rechts auf die Neue Hauptstraße und nach der Röderbrücke links auf einen Wirtschaftsweg, der mich nach Walda führt. Dieses Dorf, auch Wald-Kleinthiemig genannt, erreiche ich von der Neumühle über Wildenhain gerechnet nach ca. 3,2 km. Am 24. Mai 2010 wurde der Ort von einem mächtigen Tornado heimgesucht, an den mich starke in halber Höhe abgebrochene Bäume noch erinnern. Im Ort geht’s nach links vorbei an einer zu einem Wohnhaus umgebauten Mühle – nicht schlecht gemacht! Wo die Röder nach rechts wegschwenkt, steige ich hinter der Brücke in einen Feldweg auch rechts hinein.
Ich folge dem Flüßchen am Waldrand und über das offene Feld und erreiche nach 1,8 km die Baudaer Mühle. Die Sonne prasselt, und es sind 33 Grad im Schatten, hier an der Röder, wo ich unter einem Nußbaum raste.
Auf dem Baudaer Mühlenweg weiter in den Zabeltitzer Röderauwald – wo die Biber, Fischotter und die sechs einheimischen Spechtarten sich sauwohl fühlen. Nach 1 km nach rechts zum Gabelwehr, wo sich Röderwildbett und kleine Röder kreuzen. Einige Meter hinter dem Wehr geht’s nach links Richtung Schloß Zabeltitz, auf dessen Parkmauer man nach etwa 0,7 km trifft. Die Mauer rechtsentlang gelangt man bis zum Eingang und da nach links in das Schlossgrundstück hinein.
Vorbei an dem weiß getünchten Renaissanceschloss auf der rechten und dem Barockpalais auf der linken Seite und über einen Vorplatz, hinter dem die Dorfkirche rechter Hand steht, erreichen wir nach 0,6 km die Hauptstraße, der ich nach links folge. Es geht an Quittenbäumen vorbei und nach 1 km über die Brücke, wo die Röder aus dem Park kommend einen Rechtsschwenk macht. Hier verlasse ich die wenig befahrenen Straße und laufe zwischen dem Kanal auf der Linken und der Großen Röder auf der Rechten Richtung dem Dörfchen Raden.
Schloß und Park Zabeltitz:
Das in der deutschen Besiedlungszeit angelegte Straßendorf hatte seit dem 13. Jahrhundert einen Rittersitz mit mittelalterlichem Gutshof. An dessen Stelle wurde nach 1590 das als „Stall“ bezeichnete alte Renaissanceschloß errichtet, das im 17.Jahrhundert den hier häufig abgehaltenen Hofjagden der Kurfürsten diente.
1728 schenkte der sächsische Landesherr die Anlage dem Feldmarschall, Generaladjudant August des Starken und Chef der Militär-und Zivilbauten August Christoph Graf von Wackerbarth (1662-1734). Dieser ließ an Stelle eines unweit vom „Stall“ gelegenen mittelalterlichen Wasserschlosses 1728 durch Johann Christoph Knöffel (1686-1752) ein Palais in schlichten Barockformen errichten.
In dieser Zeit entstand dann auch die großartige Parkanlage hinter dem Palais.
1768 schenkte Kurfürst Friedrich August III (1750-1827, der Gerechte) Zabeltitz dem Prinzen Xaver (1730-1806). Denn dieser hatte, als sein Neffe noch minderjährig war, für diesen von 1763-1768 als Administrator von Sachsen regiert.
Nach 1806 wechselte der Besitz von Zabeltitz häufig.
Als Kuriosum ist noch zu erwähnen, dass im 18. Jahrhundert Zabeltitzer Kieselsteine zu den damals viel gerühmten „Sächsischen Diamanten“ verarbeitet wurden.
Nach 1,5 km erreiche ich eine Gabelung. Halb rechts geht es über die Brücke, über die Große Röder in das Dorf Raden mit seiner noch funktionierenden Getreidemühle mit Sägewerk und der Backscheune. Doch ich biege vor der Brücke nach links ein und laufe ca. 0,7 km bis zum Kanal, dem Röderwildbett, wo ein Weg nach rechts in Richtung Frauenhain führt. Nach 1 km vorbei am Schloßteich, bin ich in dem Dorf, wo ich mich nach links wende, vorbei an dem Mittelteich. Hinter diesem biegt der Weg nach links ab und man trifft bald auf die Große Röder, der ich parallel zum Neuteich folge. Kurz hinter dem Teich erreiche ich nach 1 km die Verbindungsstraße von Pulsen nach Frauenhain.
Ich biege nach links auf die Straße und dann hinter der Brücke nach rechts auf einen Dammweg, wo sich die Klänge der Natur mit den Maschinengeräuschen des Stahlwerkes und der Schrottaufbereitung mischen.
Teichlandschaft in der Röderaue vor der Stahlwerkerstadt Gröditz:
Westlich von Gröditz liegt zwischen den Orten Pulsen, Frauenhain, Spansberg, Tiefenau und Koselitz ein ausgedehntes Teichgebiet in der Röderaue. Umflossen von der Großen, der Kleinen Röder und dem Röderwildbett, sind sie Lebensraum vieler Tiere. Biber, Fischotter, Mink, Graureiher, roter und schwarzer Milan und auch Seeadler haben hier ihr Domizil. Ein weiteres Gewässer führt in die Stadt Gröditz – der Elsterwerda – Grödel – Floßkanal. Er war für die Versorgung der Dresden-Meißner Elbregion mit Holz aus dem nahe gelegenen Schradenwald im 18. Jhd. angelegt worden. Die Bomätscher oder Treidler zogen damals mit Hand die Flöße. Später diente der Kanal der Verbindung der Eisenwerke Riesa, Lauchhammer und Gröditz. Das direkt an der Sächsisch-preußischen Grenze gelegene Gröditz wurde 1363 erstmals erwähnt. Das Gebiet selbst war schon im 1. Jhd. besiedelt. Auch dass im 12. Jhd. hier slawische Stämme lebten ist bekannt. Graf Detlev von Einsiedel kaufte 1779 die Gröditzer Mühle und gründete dort die Gröditzer Eisenhütte. 1825-27 wurde der erste Hochofen errichtet. Im 2. Weltkrieg wurden die zum Flickkonzern gehörenden Lauchhammerwerke mit zahllosen Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen des KZ Flossenburg unter teils unmenschlichen Bedingungen betrieben. Seit 1948 hieß das Werk VEB Stahl- und Walzwerke Gröditz. Am 5.10.1967 erhielt Gröditz erst das Stadtrecht. 1997 erfolgte die Übernahme durch die Georgsmarienhütte Holding GmbH.
Wo in der DDR noch 1989 etwa 5600 Menschen arbeiteten, sind in den verbliebenen 3 GmbH`s heute noch etwa 820 Mitarbeiter tätig. Die Einwohnerzahl sank von 10400 im Jahre 1987 auf ca. 7000 in 2011. Die Dynamo-Fußballlegenden Klaus Sammer und Dieter Riedel sind hier geboren und „König Kurt“ Biedenkopf ist in Gröditz Ehrenbürger – aber das nur am Rande.
Vor dem Werkszaun geht es weiter am Feldrand entlang, bis zur Straße „Am Stahlwerk“. Vorbei an den alten Werksanlagen erreiche ich nach etwa 3 km die Riesaer Straße. Über den Floßkanal, vorbei am Haupttor des Stahlwerkes und einer großen Stahlwelle geht’s am Castello nach links zum Busbahnhof, wo mich der der Regionalbus Nr. 461 für dünnes Geld durch einige Dörfer, die ich auf meinem Weg gekreuzt hatte, zurück nach Großenhain bringt. Schön war`s wieder – ehmd schön sächs`sch.