Weg 18: Scharfenstein – Zschopau – Augustusburg

»Zeigefinger in sächsischer Landschaft«

Januar 2025: Weg 18: »Scharfenstein – Zschopau – Augustusburg« von Dr. Michael Damme und Matthias Griebel

Von Burg zu Burg

Zum Ende des Jahres 2013 hatten wir uns eine Winterwanderung vorgenommen. Was liegt da näher als das im Erzgebirge zu tun. Im Zschopautal, so sagte mir ein Freund, der dort lebt, steht in dieser Zeit in jedem Fenster ein Schwibbogen. Am 29.12.2013 gingen wir die 18 km lange Tour an, leider jedoch wieder ohne Schnee, stattdessen bei + 8°C und Sonnenschein. Mit dem Auto ging es über Frankenberg und Flöha bis nach Erdmannsdorf, unterhalb der Augustusburg, unserem späteren Zielort. An der Talstation der Seilbahn ist auch der Haltepunkt der Erzgebirgsbahn. Die nahm uns pünktlich auf und entließ uns 16 min später in Scharfenstein, unserem gewählten Startpunkt. Eigentlich wollten wir noch das etwa 7 km weiter oben liegende Wolkenstein, mit der gleichnamigen Burg „mitnehmen“, doch mehr als 25 km in einem Ritt war uns zum Ende des Jahres dann doch zu happig.

Blick von der Bahnstation zur Burg Scharfenstein. Foto: Dr. Michael Damme

Burg Scharfenstein:
Die hoch über dem Zschopautal gelegene Burg geht auf den Abschluss der Ostsiedlungsbewegung im 13.Jhd. zurück.
Sie wurde als markgräfliches Lehn 1386 Leibgedinge der Waldenburger, welche die Herrschaft an den Kurfürsten verkauften. Dieser verlehnte die Burg an Vasallen und so wurde die Familie von Einsiedel 1492 Besitzer und blieb es bis in das 20. Jahrhundert.
Seit 1995 Sitz eines erzgebirgischen Weihnachts- und Spielzeugmuseums beeindrucken die Burgbauten aus dem Ende des 15. Jhd. noch heute: Burgfried, Torhaus, die den Hof rahmenden Gebäude mit Kirchenflügel, Brückenbau über den Halsgraben sowie das gut erhaltenen Ringmauernsystem.
Der Ort mit seinen Bewohnern wurde durch die 1835 eingerichtete bedeutende Baumwollspinnerei geprägt.
Scharfenstein ist der Geburts- (1762) und auch der Sterbeort (1841) von Karl Stülpner, dem legendären Wildschütz des Erzgebirges.

Der Haltepunkt liegt direkt unterhalb der Burg. Gleich gegenüber begrüßt uns eine große sich drehende Pyramide von einem Heimatfreund des Erzgebirges liebevoll gebaut und gepflegt. Bis zur Burg gehen wir 0,3 km den Schloßberg hinauf, vorbei am Geburtshaus der Frau des Karl Stülpner, Christiane Wolf. Imposant ist der Burgturm, der förmlich mit dem Felsen verwachsen scheint. Die Buden vom sicher sehr romantischen kleinen Weihnachtsmarkt stehen noch. Hier fahre ich mit meinen Enkeln nochmal zur Weihnachtszeit hin, denke ich, während wir zum Burgtor hinunter und links in den Alten Zschopautalweg einbiegen, den wir bis Augustusburg folgen werden. Nach 0,3 km macht der Weg am Kerbbach (ein ausgewiesenes Salamanderhabitat liegt hier) einen scharfen Linksschwenk. Nach weiteren 0,3 km nach rechts folgen wir auf einem herrlichen Wanderweg für Vorruheständler immer der Zschopau flußabwärts, vorbei an etlichen ruinösen Industrieanlagen, die an glanzvollere Zeiten dieser Gegend der so fleißigen Erzgebirgler erinnern. Nach etwa 2,1 km erreichen wir den Haltepunkt Wilischthal. Ein Fußweg führt hinab und über die Gleise. Dann über die Straßenbrücke parallel zu der alten genieteten Kleinbahnfachwerkbrücke bis zur S 231, die wir 0,3 km nach rechts gehen und dann links wieder in den Zschopautalweg, hier auch Cotta-Weg genannt. Nach 1,1 km stehen wir vor dem Stülpnerbrunnen. Der „alte Wilderer“ ist hier allgegenwärtig – es ist ja auch ein herrliches Wildgebiet. Das wussten auch die Herrscher vergangener Zeit. Der Weg schlängelt sich hoch über der Zschopau entlang. Rechts geht es steil bergab – bei Schnee und Eis nicht ungefährlich und mit Kindern zu meiden.

Blick vom „Dicken Heinrich“, dem Schloßturm über die Dächer von Zschopau. Foto: Dr. Michael Damme

Zschopau und Schloß Wildeck:
Während die Burg zur Sicherung eines wichtigen Flußüberganges der Handelsstraße nach Böhmen um die Mitte des 12. Jhd. im Rodungsgebiet entstand, erfolgte eine Ansiedlung mit Stadtrecht erst danach.
Die Herrschaft gehörte seit dem 15. Jhd. zum Amt Schellenberg. Die Burg, seit dem 16. Jhd. Sitz eines Oberforst- und Wildmeisters der kurfürstlichen Waldungen des Erzgebirges, erhielt wohl dadurch den Namen „Wildeck“.
1545 wurde sie mit dem 32m hohen Rundturm „Dicker Heinrich“ unter Kurfürst Moritz zum Renaissanceschloß umgebaut und dient heute als Museum und Bibliothek.
Zschopau gilt als die Wiege der Sächsischen Motorradproduktion, die sich wie folgt entwickelte: Aus einer 1907 gegründeten Armaturenfabrik des Dänen Rasmussen, wurde hier 1908 nach dänischem Standard der erste DKW-Motor entwickelt. Es folgte 1921 das erste Zweitakt-Motorrad und 1932 der Anschluss des DKW-Werkes als seinerzeit größtes Motorradwerk der Welt an die Auto-Union.
Die Motorradproduktion des in der Folge 1948 entstandenen VEB Motorradwerke Zschopau mit 3200 Beschäftigten erreichte bereits 1970 das Millionste hergestellte Zweirad der Marke „MZ“.
Nach 1990 wurde die Produktion erheblich gedrosselt und schließlich ganz eingestellt.

Der Fluß ist hier angestaut. Noch über unseren Weg erhebt sich der Felsen mit der Bodemer Kanzel. Am Ortseingang Zschopau unterqueren wir nach weiteren 1 km die neue Straßenbrücke für die S174 und gehen vorbei an den verlassenen Werksanlagen der MZ-Werke, einst der größte Arbeitgeber der Region und weltbekannt. Auf der Thumer Straße weiter bis links in die Johannisstraße 0,4 km, immer das Schloß Wildeck im Blick. Nach 0,7 km vorbei an mit Schwibbögen geschmückten Fenstern erreichen wir die Stadtkirche St. Martin. Über die Ludwig-Würkert-Straße und den Neumarkt vorbei am Alten und Neuen Rathaus kommen wir nun auf den Hof von Schloß Wildeck – 0,4 km. Ein Aufstieg auf den „Dicken Heinrich“, dem Schloßturm, ist ein Muß, wenn man mal hier ist. Der Blick streift das Zschopautal, die Dächer der Altstadt und die Brücken über den Fluß, der bei unserer Wanderung Nr. 19 am Fichtelberg noch ein kleines Rinnsal war und hier 35 km weiter ein ansehnlicher Bursche geworden ist.
Weiter geht’s zurück über den Marktplatz rechts in die Rudolph-Breitscheidstraße, links am Stadtpark vorbei und rechts in die Gabelsberger Straße, die vorbei am alten Stadtbad nach 0,6 km auf die Waldkirchner Straße stößt. Nach 0,2 km geht’s rechts am Parkplatz, den Waldkirchner Weg hinauf, der wieder auf die Waldkirchner Straße stößt (0,2 km). Nach ca. 0,6 km biegt der Zschopautaler Wanderweg (rot-weiße Markierung) nach links von der Straße ab. Wir folgen diesem etwa 1 km und erreichen die Eisenstraße und gehen diese nach rechts ca. 0,8 km bis ins Tal zurück. Hier vor dem ehemals berühmten Spielzeughandelsort Waldkirchen biegen wir vor den Eisenbahnschienen wieder nach links in den Zschopautalweg ein und folgen diesem 1,2 km am Waldrand entlang bis Witschdorf. Über die Brücke nach links am Haltepunkt der Bahn vorbei führt nun ein wilder Weg unterhalb der Gleise (ca. 0,4 km kein offizieller Weg – die Einheimischen gehen ihn aber wie ehemals), immer noch der Zschopautalweg 2,5 km bis Hennersdorf. Über die Gleise geht’s die Bahnhofsstraße 0,5 km entlang. Hier erstaunt uns eine holzüberdachte Straßenbrücke. Wenig überraschend der geschlossene Dorfgasthof mit Tanzsaal durch dessen zerschlagene Fenster der Wind und die Reste der Gardinen wehen.

Hennersdorf: Altes besteht und Altes vergeht. Foto. Dr. Michael Damme

Nach 0,5 km auf der Augustusburger Straße nach links in den Kunnersteigweg. Dieser Weg biegt nach 1 km steil nach rechts hinauf in den Wald zum Schellenberg und der dort errichteten legendären Augustusburg. Wir schnaufen ganz schön den „Tiefen Graben“ hinauf. Nach 0,6 km sind wir auf dem 516 m hohen Berg. Ein Gedenkstein erinnert an die letzte Ruhestätte von etwa 1000 Franzosen, die hier 1813 zu Tode kamen. Vorbei geht’s über die Waldstraße, an herrschaftlichen Villen und vorbei an dem Märchenbrunnen (um 1907) von dem Dresdner Bildhauer Hans-Hartmann–MacLean. 0,7 km weiter erreichen wir das östliche Portal zur Burg. Erst hier im Hof dieser herrlichen Anlage denken wir nach über die gigantische Leistung des Baumeisters und der Handwerker, die hier vor fast 500 Jahren bei oft schwerem Wetter (im Sommer brütend heiß und im Winter klirrend kalt) Unmengen an Baumaterial auf den Berg schleppten und zu dieser prachtvollen Anlage verbauten – von deren Glanz bis heute noch nichts verloren gegangen ist. Durch den nördlichen Torbogen nun hinunter über die Pfarrgasse zur Stadtkirche St. Petri vorbei an der Lotterlinde und an einem Pranger an dem in vergangener Zeit „zänkische Weiber“ vorgeführt wurden. Über den Schloßweg sind wir nach weiteren 0,4 km am Endpunkt unserer herrlichen Wanderung entlang der Zschopau an einem bedeutenden Weg sächsischer Kulturgeschichte.

Blick von der Waldkirchner Straße am Ortsausgang von Zschopau hinüber zur Augustusburg. Foto: Dr. Michael Damme

Von der Bergstation geht’s hinab mit der Standseilbahn, der kleinen Schwester der gleichnamigen Bahn in Dresden–Loschwitz, wohin wir dann nach Hause fahren.

Augustusburg:
Die kleine Stadt (516 m über NN mit heute etwa 5000 Einwohnern) erhielt als Schellenberg 1564 Stadtrecht und hatte den Namen nach der 1206 erstmals erwähnten Schellenburg, die 1547 abbrannte. Kurfürst August I. ließ 1568 – 1572 das nach ihm benannte Renaissanceschloß bauen, als eine mächtige Vierflügelanlage. Sie ist ein Werk von Hieronymus Lotter, der Kaufmann und Architekt, aber auch achtmal Bürgermeister von Leipzig war, wo er u.a. auch das Alte Rathaus erbaute. Besonders sehenswert ist der Cranach-Altar in der Schloßkapelle.
Als Jagdschloß wurde die Augustusburg 1611 aufgegeben.
1790 – 1809 klassizistisch verändert und diente dann als Magazin, Forstamt, Haftanstalt, KZ und Gauführerschule.
Heute ist hier der Sitz mehrere Museen sowie einer Jugendherberge.
Die Stadt erhielt erst 1899 den Namen Augustusburg. Seit 1911 überwindet die Standseilbahn auf einer 1,2 km langen Strecke von Erdmannsdorf aus bis nach Augustusburg 168 m Höhe bei 13 % Steigung in etwa 8 Minuten.

Westseite Schloss Augustusburg. Foto: Dr. Michael Damme

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