Weg 9: »Von Wittichenau aus ums Dubringer Moor«

»Zeigefinger in sächsischer Landschaft«

Mai 2024: Weg 9 »Von Wittichenau aus ums Dubringer Moor«
von Dr. Michael Damme und Matthias Griebel

In Krabats sagenhaftem Revier

Von Dresden über Radeberg, Pulsnitz und Kamenz erreichen wir an einem herrlichen Morgen, Mitte Mai den Marktplatz von Wittichenau, gar nicht weit entfernt vom Ausgangspunkt der 4. Wanderung von und nach Panschwitz-Kuckau. Da sind wir wieder im Kernland der Sorben. Der Zeitpunkt der Tour ist bewusst gewählt, denn die Moorpflanzen sind schon im Blühen und später kann man das Moor, ein Mückenbrutgebiet, nur noch mit »Vollschutz« begehen. Die Landschaft gehört zum Naturraum Königsbrück-Ruhländer Heiden.

Marktplatz Wittichenau. Foto: Dr. Michael Damme

Marktplatz Wittichenau. Foto: Dr. Michael Damme

Wittichenau:
Der Ort an der Schwarzen Elster wurde vor 1248 durch Witigo I., einem Sohn des Kloster-Marienstern-Gründers Bernhard von Kamenz, gegründet.
Auf thüringische Siedler geht dann die planmäßige Stadtanlage (1286) zurück.
Die Hussiten brannten die Stadt jedoch 1429 völlig nieder und auch für jedes weitere Jahrhundert sind Stadtbrände bezeugt.
Wichtig für die traditionellen Gewerbe: Ackerbau, Weberei und Brauerei war vor allem der Viehhandel. Der Viehmarkt war der größte in der gesamten Oberlausitz, denn Wittichenau lag im Schnittpunkt der Fernhandelsstraßen von Kamenz und Bautzen nach Hoyerswerda.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte die Stadt dem Kloster Marienstern.
Die mehrfach umgestaltete katholische Stadtkirche Mariä Himmelfahrt stammt im Ursprung vom Beginn des 15. Jahrhunderts, die ebenfalls katholische Kreuzkirche entstand 1780.
Am Markt stehen die Sandsteinskulptur des heiligen Johannes Nepomuk, ein Krabatdenkmal und eine Postmeilensäule von 1732.

Einen Besuch in der Kirche Mariä Himmelfahrt, in der am Dienstag um 8:30 ein Gottesdienst stattfindet, und ein Blick auf den steinernen Krabat auf dem Markt leisten wir uns noch und dann geht’s los. Ein paar Meter die Kamenzer Straße zurück, rechts in die August-Bebel-Straße und links in den Neudorfer Weg hinein, der dann links in den Gartenweg mündet. Da wo der Weg am dichtesten an der Staatsstraße 95 parallel verläuft, steigen wir den Straßendamm hinauf und an der anderen Seite hinunter und marschieren Richtung Westen und erreichen nach etwa 2,0 km, vorbei an satten Wiesen, die vor dem Moorwald liegen, die 500 Jahre alte Schowtschikmühle, die älteste Wassermühle der Oberlausitz. Ein Milan kreist lange Zeit über uns und der Kuckucksruf begleitet uns ab hier die ganze Wanderung lang. Ein Freund, der einmal im Dubringer Forst die Jagd hatte, erklärt uns Grundlegendes zur Geschichte und Befindlichkeit dieser einmaligen Naturlandschaft hier in Sachsens Sand- und Kiefernecke. Ein Tschüß vom Müller, ein Schrei des Pfaus und ein I-A! der 2 Esel im Mühlenhof und ab geht’s in den Sumpfwald. 0,7 km führt der Weg am rechts liegenden, verkrauteten Grünwaldteich vorbei Richtung Westen. Dann geht’s nach Süden 0,5 km bevor der Weg nach Osten 0,5 km führt und wir stehen vor dem Schild, dass uns auf den Standort des „Versunkenen Schlosses“ hinweist. Unser Freund lächelt nur über die Geschichten, die da stehen. »Ich habe hier als kleener Junge auf den Mauerresten dieser, wahrscheinlichen Raubritterfluchtburg gespielt, die jetzt im feuchten Untergrund verschwunden ist« – also es gab das verwunschene Schloß wirklich! Am Torfsee und dem ehemaligen Standort der Pasternackmühle und einem Gedenkkreuz der Sorben vorbei, erreichen wir nach 0,6 km den Dubringer Steinbruch. Hier zeigt uns unser Begleiter am abgetragenen Bruch die Lettenschicht (siehe rechtes Bild unter der tieferen Baumgruppe), also die wasserundurchlässige Steinschicht, die neben dem natürlichen Wasserzufluss wohl der eigentliche Existenzgrund dieser einzigartigen Landschaft ist.

Torfsee vor Dubringer Steinmoor. Foto: Dr. Michael Damme

Torfsee vor Dubringer Steinmoor. Foto: Dr. Michael Damme

Steinbruch mit Leddeschicht. Foto: Dr. Michael Damme

Steinbruch mit Leddeschicht. Foto: Dr. Michael Damme

Das Dubringer Moor (1849 ha):
Die slawischen Ahnen nannten ihren Lebensraum treffend Luzica (Lausitz)-Sumpfland. Sie siedelten sich hier im Zuge der zweiten deutschen Ostexpansion erst im 12. Jahrhundert z.B. in Dubring (sorb. Dub=Eiche; Ansiedlung im Eichenwald) am Rande dieses alten Sumpfgebietes an. Die Sorben ließen den Moorkomplex, der sich 9000 Jahre v.u.Z. zu bilden begann, relativ unangetastet. Erst mit dem Verkauf des Landes (damals 2195 ha) an das 1248 gegründete Zisterzienserinnenkloster St. Marienstern um 1500, begannen die neuen Besitzer mit der begrenzten Landgewinnung und dem Anlegen von Fischteichen (Neudorfer Teichkette). Das Kloster orientierte jedoch mehr auf die Waldnutzung und nicht die landwirtschaftliche Erschließung. Zahlreiche Mühlen entstanden und im 18.Jh. die ersten Förstereien. Die Fließrichtung des Wassers im s.g. Durchströmungsmoor, v.a. über die Grabensysteme, erfolgt von West nach Ost hin in die Elsterniederung, dem Lausitzer Urstromtal, und fließt dann mit dem Schwarzwasser über die Schwarze Elster dem Stromgebiet der Elbe zu.
In Notzeiten, wie den Hussitenzügen, dem 30-jährigem Krieg, aber auch im Napoleonischen Krieg diente das Moorgebiet den Einheimischen als Zufluchtsstätte und während der Pest 1632 wurden die Kranken und die Pestfriedhöfe an den Moorrand verlegt.
Das bis zu fast 6m mächtige alte Torf mit einem Brennwert von bis 86%, wurde v.a. im letzten Jahrhundert gestochen. Anfang des 20.Jh. fiel das benachbarte Teich- und Moorgebiet bei Scheckthal dem Braunkohleabbau zum Opfer. Gleiches sollte auch dem Dubringer Moor wiederfahren. In der DDR wurde die stufenweise bergbauliche Erschließung bis 2020 beschlossen. Es kam anders und 1995 erhielt das Moor den vollen Naturschutzstatus.
Heute ist das Dubringer Moor die letzte großräumig erhaltene Moorlandschaft der Lausitz und beheimatet 3433 Tier-und Pflanzenarte – ein wirkliches Naturwunder.

Hinter einigen alten Gebäuden des Steinbruchs 0,5 km entlang führt uns die Landstraße in das Dorf Dubring hinein. Hier gibt es noch einige sanierte „Wendsche Höfe“. Hinter dem Land-gasthof & Pension »Dubringer Moor« führt der Weg wieder ins Naturschutzgebiet, vorbei an alten Eichen in einem großen Bogen nach Westen und dann nach Südwesten. Nach 1,5 km biegt der Weg weiter nach Westen und 0,2 km dann nach Norden ab. Hier erreichen wir einen so genannten Zwischenmoorkomplex mit Flachmooren. Nach 0,2 km schwenkt der Weg nach Norden. Weiter 1,2 km vorbei an den Pechteichen erreichen wir die B97, die von Bernsdorf nach Hoyerswerda führt und überqueren diese. Durch einen Kiefernwald erreicht man den Koselbruch, den östlichen Ortsteil von Schwarzkollm. Nach der Krabat-Erlebnismühle (Nachbau) und der originalen Scheune der »Schwarzen Mühle« schauen wir uns nochmal die Kirche und die Höfe in dem alten Straßenangerdorf Schwarzkollm in 1,0 km Entfernung an, bevor es wieder zurück geht.

An der neuen Krabatmühle. Foto: Dr. Michael Damme

An der neuen Krabatmühle. Foto: Dr. Michael Damme

Alte schwarze Mühle. Foto: Dr. Michael Damme

Alte schwarze Mühle. Foto: Dr. Michael Damme

Schwarzkollm und der sagenhafte Krabat:
Das 1411 genannte Bauerndorf (Collmen = am Hügel, schwarz verweist auf sumpfmooriges Gelände) ist bekannt durch seine traditionelle Bunttöpferei und besitzt eine evangelische Pfarrkirche in der heutigen Gestalt von 1860.
Vor allem ist der Ort Mittelpunkt der Oberlausitzer Sagenwelt um den Zaubermeister Krabat.
Hier in der »Schwarzen Mühle« erlernte er als einer von 12 Müllerburschen seine über-natürlichen Fähigkeiten und triumphierte schließlich über den bösen Schwarzmüller, der selbst mit dem Bösen im Bunde stand.
Geschichtlicher Kern der Krabat-Sage ist ein Kroate namens Schadewitz, der für seine Verdienste in den Türkenkriegen das nahe gelegene Vorwerk Groß Särchen erhalten hatte.
Das beharrliche Trockenlegen der Sümpfe, seine wirtschaftlichen Erfolge, die auch dem Wohl seiner Untertanen zu Gute kamen, galt in der Gegend als Zauberwerk.
Als er am 29. Mai 1704 im Großsärchener Gasthaus starb, soll sogar ein weißer Schwan aus der Esse geflogen sein. »Zum Schwan« heißt so das Gasthaus noch heute. Außerdem bewahrt der Ort noch einige Erinnerungen an seinen geschichtsträchtigen Gutsherren – den Meister der Schwarzen Magie.
Hauptort in der Krabatregion ist jedoch Schwarzkollm. Hier entstand in den letzten Jahren ein historischer Mühlenhof als Erlebniswelt für die Geschichten um den »Sorbischen Dr. Faustus der Oberlausitz«, als den man Krabat auch bezeichnete. Ortstypisch und einmalig sind die vielfach anzutreffenden Rabensymbole in Anlehnung an die zahlreichen Verwandlungen der Müllerburschen in der »Schwarzen Mühle«.

Moorblick. Foto: Dr. Michael Damme

Moorblick. Foto: Dr. Michael Damme

Nach 2 km erreichen wir im Kiefernwald die Waldkreuzung, aus der wir zuvor von rechts von Dubringen aus kamen. Nun geht’s aber den Weg nach Norden Richtung Bröthen-Michalken. Nach 1,5 km sind wir in Höhe des Ziegelleiteiches. Weiter 1,5 km und der Rand des Naturschutzgebietes (an der Buswendeschleife) ist erreicht. Der Weg verläuft nach Osten. Kurz vor dem Mittelteich ist ein Beobachtungsturm aus Holz errichtet und wir haben von da oben einen herrlichen Blick über die größte Moorfläche, die von den verschiedenen Gräben durchflossen wird. Eine ganze Weile halten wir inne und denken an Irrlichter und das bis zu 10m tiefe Moor und dass man besser nie den festen Weg verlassen sollte. Zwischen Mittel- und Lilienteich nach Norden 0,5 km bis Teichhaus Neudorf und danach weiter nach Osten Richtung Wittichenau. Es läuft sich gut, vorbei am Mittelteich, am großen und kleinen Stockteich bis zum Kubitzteich – 2,5 km. Das ganze Gebiet ist einem Eldorado für 130 Brutvogelarten. Eine Vielzahl an Wassevögeln bevölkert hier rechts und links von uns die Gewässer. Der Teichpächter erzählt uns, dass das Seeadlerbrutpaar seinen Horst ins nicht zugängliche Moor verlegt hat, da es wohl von den ständigen Kontrollen und Nestbe-schaungen und Beringungen der Jungvögel durch die Tierschützer die Schnäbel voll hatte. Nur ein großer Milan kreist wieder über den Wiesen vor der Schowtschikmühle, die wir nach 0,5 km erreichen. Bis zum Markt nach Wittichenau entlang der S95, gehen wir noch 1 km – immer noch beindruckt von einer einmaligen noch weitgehend unberührten Landschaft.

Sumpdotterblume. Foto: Dr. Michael Damme

Sumpdotterblume. Foto: Dr. Michael Damme

Wollgras. Foto: Dr. Michael Damme

Wollgras. Foto: Dr. Michael Damme

Bleitblättriges Knabenkraut. Foto: Dr. Michael Damme

Bleitblättriges Knabenkraut. Foto: Dr. Michael Damme

Die fast 19 km lange Wanderung hat uns trotz der schon angriffslustigen Mücke konditionell nicht belastet, da die Natur unsere ganzen Sinne in Besitz genommen hatte.

gegangen am 14.05.2013

Top. Karte 1:50000 Sachsen

Top. Karte 1:50000 Sachsen

Literatur:
»Das Dubringer Moor«; Staatliches Umweltfachamt Bautzen und der Naturforschenden Gesellschaft Oberlausitz e.V. 1998; Verfasser Jürgen Vogel

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