Mozart-Jahr 2006: Mozart am Elbhang?

Der Meister war und ist auch unter uns

Wolfgang Amadeus Mozart, Silberstiftzeichnung von Dora Stock, 1789. Reproduktion aus Semperoper-Journal 6/2005

Wolfgang Amadeus Mozart, Silberstiftzeichnung von Dora Stock, 1789.
Reproduktion aus Semperoper-Journal 6/2005

Auch im Blick auf das Mozart-Jahr 2006 gilt: viele Dresdner Kulturereignisse haben ihre Wurzeln und Entsprechungen am Elbhang – durch beteiligte Künstler, regionale und historische Zusammenhänge, angesprochene Zuhörer oder Betrachter. Und wie könnte es anders sein, hinter dem angedachten Motto des diesjährigen Elbhangfestes lauert wohl ebenfalls der zauberflötende Serail-Entführer Mozart – das Festkomittee hat nach der Devise „cosi fan tutte” bestimmt einige Pfeile im Köcher. Dennoch werden Viele bedauern, dass „unser” berühmter Mozart-Interpret Peter Schreier im Dezember in der Mozart-Stadt Prag seine Sängerlaufbahn beendet hat (einige Elbhängler durften das miterleben). Tröstlich ist, dass Peter Schreier künftig sicher auch Mozart-Opern dirigieren wird.

Dorothea Stock im Selbstbildnis – das Original hängt im Dresdner Kügelgenhaus.  Reproduktion aus Günther Jäckel: „Dresden zur Goethezeit“, 1987

Dorothea Stock im Selbstbildnis – das Original hängt im Dresdner Kügelgenhaus.
Reproduktion aus Günther Jäckel: „Dresden zur Goethezeit“, 1987

Vielleicht in der Semperoper? Dort könnte es im Mozart-Jahr 2006 einen besonderen Anlass geben, wenn der altgediente Blasewitzer Musiker Wolfgang Wahrig (ehemals Staatskapelle) es schafft, seinen Wunschtraum (eigentlich sein Projekt) zu verwirklichen: die 1843 von Ernst Rietschel geschaffene Mozart-Statue aus dem Ersten Dresdner Hoftheater (das Theater brannte 1869 ab, die gerettete Statue wanderte ins Depot der Kunstsammlungen) muss in die heiligen Hallen der Semperoper zurückkehren! (siehe Semperoper-Journal November/Dezember 2005). Dann können die Dresdner wieder zu einem „leibhaftigen” und authentischen Mozart pilgern und müssen sich nicht allein mit den anmutigen vergoldeten Grazien des schönen Mozart-Brunnens an der Bürgerwiese trösten (ob sich im Mozart-Jahr ein Sponsor findet, der den Brunnen wieder sprudeln lässt?).

Das 1907 von Hermann Hosäus geschaffene Mozart-Denkmal an der Dresdner Bürgerwiese. Foto: Wolfgang Wahrig

Das 1907 von Hermann Hosäus geschaffene Mozart-Denkmal an der Dresdner Bürgerwiese.
Foto: Wolfgang Wahrig

Ein zweiter Pilgerort könnte das Mozart-Bildnis der Loschwitz-Dresdner Malerin Dorothea Stock sein, wenn sich das zeitweise verschollene Original ihrer berühmten Silberstiftzeichnung noch in Dresden befände (eine Foto-Kopie hängt im Kügelgenhaus). Das begehrte kleine Kunstwerk geriet unlängst bei einer Versteigerung für 200.000 Englische Pfund nach Salzburg; dieser Betrag hätte vielleicht ausgereicht, das Loschwitzer Körnerhaus zu restaurieren, wenn … Aber dorthin war Mozart 1789 nicht gekommen, denn es war April und Körners hatten ihr Sommerhaus noch nicht bezogen. Allgemein bekannt ist die Szene, die der Schriftsteller Gustav Parthey aus dem ehemaligen Körnerschen Haus am Kohlmarkt überliefert hat:

Die von Ernst Rietschel geschaffene Mozart-Statue schmückte einst das Erste Dresdner Hoftheater.  Foto: Semperoper-Journal 6/2005

Die von Ernst Rietschel geschaffene Mozart-Statue schmückte einst das Erste Dresdner Hoftheater.
Foto: Semperoper-Journal 6/2005

„Mozart selbst, bei seinem kurzen Aufenthalte in Dresden, verkehrte fast täglich im Körnerschen Hause. Für die reizende und geistvolle Doris stand er in hellen Flammen und sagte ihr mit süddeutscher Lebhaftigkeit die naivsten Schmeicheleien. Gewöhnlich kam er kurz vor Tisch und setzte sich … an das Klavier, um zu phantasieren. Im Nebenzimmer wurde inzwischen der Tisch gedeckt, die Suppe aufgetragen, und der Bedienstete meldete, daß angerichtet sei. Aber wer mochte sich entfernen, wenn Mozart phantasierte! Man ließ die Suppe kalt werden und den Braten verbrennen, um nur immerfort den Zauberklängen zuzuhören, die der Meister, völlig in sich versunken und unempfindlich für die Außenwelt, dem Instrumente entlockte.

Doch wird man auch des höchsten musikalischen Genusses am Ende überdrüssig …/Nachdem einige Male die Suppe über Mozarts Spiel kalt geworden war, machte man kurzen Prozeß mit ihm. ‚Mozart’, sagte Doris, indem sie ihren schneeweißen Arm sanft auf seine Schultern legte, ‚Mozart, wir gehen zu Tische, wollen Sie mit uns essen?‘ – ‚Küß die Hand, meine Gnädige, werde gleich kommen!‘ Aber wer nicht kam, war Mozart; er spielte ungestört fort. ‚So hatten wir denn oft’, schloß Doris ihre Erzählung, ‚bei unserem Essen die ausgesuchteste Mozartsche Tafelmusik’…”. (Zitiert nach Günther Jäckel, Dresden zur Goethezeit.)

Beim damaligen Dresdner Aufenthalt hat Mozart auch den Komponisten und Hofkapellmeister Johann Gottlieb Naumann getroffen, der sich gern Giovanni Amadeus N. nennen ließ. Wahrscheinlich hat sich Mozart über diese „italienische Anmaßung” geärgert, sonst wäre sein überliefertes Urteil über Naumann etwas freundlicher und kollegialer ausgefallen. Ein Mozart-Besuch im Naumannschen Palais in Blasewitz ist nicht überliefert, aber dafür die späteren „anhaltenden Bemühungen Carl Maria von Webers um Mozart”, der nach Webers Meinung „deutsche und italienische Traditionen zu einer Synthese vereint hatte”. So findet sich auf diese Weise noch ein entfernter Elbhang-Bezug – vielleicht im Hosterwitzer Weber-Haus nachzulesen?

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Veröffentlicht unter Artikel aus der Print-Ausgabe, Kunst und Kultur