Das Café der Luise von Toscana

Aus den Gründungsjahren einer Blasewitzer „Institution“

In der Broschüre „Blasewitz – Aus der Geschichte eines Dresdner Stadtteils“ findet sich die Überschrift: „Das Café Toscana gibt es seit 1906.“ Auch in der Chronik „Blasewitz im historischen Elbbogen“ ist zu lesen: „Im Jahre 1906 übernahm Konditormeister Zimmermann dieses Haus, baute eine kleine Backstube ein und eröffnete die Konditorei ,Toscana‘, welche sich schon alsbald einen Ruf über Blasewitz hinaus erwarb.“ Für einen Beitrag zum 100-jährigen Bestehen des berühmten Cafés recherchierten wir jedoch nochmals und fanden in Archiven und bei Nachfahren der ehemaligen Besitzer Erstaunliches.

Auguste und Louis Köhler mit Tochter Henny und Sohn, um 1895. Foto: Sammlungen Bergner und Eisold

Auguste und Louis Köhler mit Tochter Henny und Sohn, um 1895.
Foto: Sammlungen Bergner und Eisold

Der Restaurateur und Eiskellereibesitzer Friedrich Louis Köhler, 1849 im thüringischen Renthendorf als Sohn einer Gastwirtsfamilie geboren, hatte nach Lehr- und Gesellenjahren in Wien 1874 den „Schillergarten“ in Blasewitz erworben. Er ließ einen Gartenpavillon und das Eishaus, die späteren Lichtspiele, bauen und große Feiern und Feste, so zum 100. Jahrestag von Schillers Eintreffen in Loschwitz und Blasewitz, veranstalten. Unter seiner Regie wurde das Restaurant zu einer gastronomischen Perle für die aufstrebenden Dörfer östlich von Dresden. Für den Bau des Blauen Wunders veräußerte er ein Stück Land und während der Bauphase der Brücke schrieb er an seine Mutter: „Die Brücke ist schon sehr weit fertig, nur man kennt sich nicht mehr aus. Neugierige kommen sehr viel nach Blasewitz, nur wir haben dadurch sehr viel zu thun.“ War ihm die Arbeit über den Kopf gewachsen oder bekam er ein verlockendes Angebot? 1894 verkaufte er den „Schillergarten“ und begann sich für eines der neuen Häuser am Schillerplatz zu interessieren.

Im Stil der Gründerzeit präsentierte sich das Café um 1900. Ein Klavier und Notenständer im Hintergrund lassen auf die Pflege von Caféhaus-Musik schließen. Foto: Sammlungen Bergner und Eisold

Im Stil der Gründerzeit präsentierte sich das Café um 1900. Ein Klavier und Notenständer im Hintergrund lassen auf die Pflege von Caféhaus-Musik schließen.
Foto: Sammlungen Bergner und Eisold

Von der Kaffeerösterei zum „Café Toscana“

Nachdem er den Bau des Hauses bereits begleitet hatte, kaufte Louis Köhler am 15. April 1897 das neu entstandene Haus Schillerplatz 7, direkt am Blauen Wunder. In den Adressbüchern ist er unter dieser Adresse erstmals 1899 mit dem Zusatz „priv.“, für einen Privatier, vermerkt. Als Cafébesitzer wird er 1900 geführt, wobei er anfänglich sein Café schlicht als Kaffeerösterei mit Kaffeeausschank bezeichnet. Der Name „Café Toscana“ taucht erstmals 1901 in den Adressbüchern auf. Zu jener Zeit war Kronprinzessin Luise von Toscana eine sehr beliebte Vertreterin des sächsischen Königshauses und es ist gut vorstellbar, dass sie Gast im Café Louis Köhlers und somit persönlich Namensgeberin gewesen sein könnte. Kontakte zu den Café-Besitzern pflegte die Kronprinzessin nachweislich. 1908 schrieb Luise von Toscana aus Italien an Frieda Zimmermann, „Café Toscana“: „Herzlichen Dank für Streuselkuchen-Recept. Baumkuchen war prachtvoll! Viele Grüße in die geliebte Sachsen-Heimat.“ Zu diesem Zeitpunkt war sie für den sächsischen Hof allerdings schon zum „Problemfall“ geworden. 1902 hatte sie einen Skandal von europäischer Tragweite ausgelöst, als sie ihre Familie auf spektakuläre Weise verließ und mit dem Sprachlehrer ihrer Kinder dem Hof entfloh. Das sächsische Volk blieb ihr trotz allem gewogen und hielt sie weiter in Ehren. So behielten der „Luisenhof“ wie auch das „Café Toscana“ ihre Namen. Die offizielle Geschäftsanzeige in den Gemeindeakten erfolgte gar erst am 30. März 1903: „Café Toscana – der Restaurateur und Cafébesitzer Friedrich Louis Köhler in Blasewitz ist Inhaber.“

„Café Toscana“-Ansichtskarte mit Grüßen von Louis Köhler an seine Eltern. Abbildung: Sammlungen Bregner und Eisold

„Café Toscana“-Ansichtskarte mit Grüßen von Louis Köhler an seine Eltern.
Abbildung: Sammlungen Bregner und Eisold

Die Brücke als neue Attraktion und viele ehemalige Stammgäste des „Schillergartens“ verhalfen dem Café Louis Köhlers zu einem schnellen Aufschwung. Es gab so viel Arbeit, dass Louis immer wieder an seine Mutter in Renthendorf schrieb, den Besuch in der Heimat verschieben zu müssen und sie stattdessen nach Blasewitz einlud. In ihrer Thüringer Tracht soll die Dame immer ein wenig für Verwunderung bei den Café-Gästen gesorgt haben.

1902 heiratete seine Tochter Henny den Kaufmann Ernst Heinrich Zimmermann, mit dem Louis Köhler am 19. Mai 1905 eine Gesellschaft einging, die vermutlich den Grundbesitz vertrat. Am 1. August 1905 ließ er das Unternehmen „Café Toscana Louis Köhler“ in den Gemeindeakten löschen und am gleichen Tag wurde der Konditor Eugen Hugo Zimmermann, vermutlich ein Verwandter Heinrich Zimmermanns, neuer Besitzer des Cafés. Louis Köhler starb vier Jahre später, 1909.

Anzeige zur Erweiterung der Konditorei im Jahre 1910. Abbildung: Sammlungen Bergner und Eisold

Anzeige zur Erweiterung der Konditorei im Jahre 1910.
Abbildung: Sammlungen Bergner und Eisold

Edle Torten und böhmisches Bier

Hugo Zimmermann ließ das Café umbauen und eine Backstube einrichten. Er begründete den legendären Ruf für Torten und Süßspeisen des Cafés bis in unsere Zeit. Die „Konditorei mit elektrischem Betrieb“ bot Torten („Carmen“, „Parsival“, „Havana“), Kuchen („Gateau Montellimar“), Eisbomben, kalte Cremes, Weingelees („Gelee à la Danzig aux Ananas“), „Petits foures in allen Genres“, Käse­gebäck, „Dänische Brödchen“ sowie Süß-, Porto-, Mosel- und Rhein-Weine an. Zimmermann kämpfte jedoch jedes Jahr aufs Neue, auch „echte böhmische und bayrische Exportbiere“ verkaufen zu dürfen. So bat er am 12. August 1907 den Gemeindevorstand: „ … in seinem, am Schillerplatz gelegenen Konditorei und Café Toscana ein erstes Bier verabreichen zu dürfen. Zur Begründung meiner Bitte gestatte ich mir den geehrten Gemeindevorstand zu bemerken, dass meine Existenzfrage für die Dauer gefährdet ist. Mein Lokal ist in den Sommermonaten fast leer und es ist mir unmöglich, im Winter das zu verdienen, was ich im Sommer zusetzen muss.“ Der Gemeindevorstand erteilte die Konzession, jedoch meist nur für ein Jahr, so dass sie immer wieder neu beantragt werden musste.

Die Speisekarte mit Preisliste aus dem Jahr 1910. Abbbildung: Sammlung Eisold

Die Speisekarte mit Preisliste aus dem Jahr 1910.
Abbbildung: Sammlung Eisold

Die Existenzfrage stellte sich dennoch bald ein. 1910 beantragte der Darmstädter Konditor Robert Förster die Übernahme des Cafés, welches schon ein Jahr später Franz Alois Lenz übernahm. Das Café wurde in diesen Jahren als „Café Toscana, Hugo Zimmermann Nachf.“ geführt.

Doch auch Alois Lenz vermochte es nicht, das Café zu halten. Am 28. März 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, wandte sich Marie, verehelichte Zimmermann, an den Gemeindevorstand mit der Bitte, „ … die, von dem zur Zeit im österreichischem Heer Dienst stehenden Pächter des Café Toscana, Alois Lenz, innegehaltene Bier-Concession gütigst auf mich zu übertragen.“ Wie sie schrieb, musste sie ihm sieben Monate Pacht restlos erlassen. Eine „exakte Bewirtschaftung wird mich hoffentlich bald in die Lage versetzen, dem Café seinen alten Ruf wieder zu geben“.

Das „Café Toscana“ überstand so den Ersten Weltkrieg und mit wechselnden Besitzern alle weiteren Wirren der nun schon 105-jährigen Geschichte.

Quellen:

  • Gewerbeakte und Adressbücher, Stadtarchiv Dresden;
  • Ansichtskarten, Photographien sowie mündliche Überlieferungen von Gud­run Bergner aus Renthendorf (Thüringen), Nachfahrin von Heinrich Zimmermann;
  • Sammlung Bäckerei Eisold („Café Toscana“);
  • „Blasewitz im historischen Elbbogen“ von A. R. Lux und Dieter Prskawetz
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