Editorial Juli 2010

Das Jubiläums-Elbhangfest ist vor­über. Viele wunderbare Kulturerlebnisse ließen die Fußballweltmeisterschaft zeitweise vergessen.

Jürgen Frohse

Jürgen Frohse

Eine kurz vor dem Fest erschienene Broschüre „Zwanzig Elbhangfeste“ erinnert auch an den Beginn, bei dem zentrale Gedanken der Wiederaufbau von Losch­witzer und Pillnitzer Kirche waren. Der Erhalt historischer Gebäude war nach vierzig Jahren sozialistischem Realismus ganz tief in der Bevölkerung verankert. Überall fanden sich Initiativen, Institutionen und Privatpersonen, wertvolle Gebäude wieder aufzubauen. Denkmalpflege war kein „Bremsklotz“, so wie sie heute teils dargestellt oder empfunden wird, sie war progressiv und verbindend.

Dr. Hans Nadler, der das Institut für Denkmalpflege in Dresden begründete und viele Gebäude retten konnte, wäre im Juli 100 Jahre geworden. Die Ladatio schrieb Gerd Kleber, lang­jähriger Bibliothekar des Instituts und späteren Landesamtes für Denkmalpflege, der in diesem Jahr in den Ruhestand ging. Er beschreibt die „Politik“ Nadlers, zum Beispiel ehrenamtliche Denkmalpfleger in die Arbeit einzubeziehen.
Ein ehrenamtlicher und späterer hauptamtlicher Denkmalpfleger war Eberhard Münzner, der im vergangenen Monat den Sächsischen Verdienstorden bekam. Eine Herzensangelegenheit war ihm unter anderem der Wiederaufbau der Loschwitzer Kirche, aber er war auch Gründungsmitglied und mehrere Jahre Vorsitzender der IG Loschwitz im Kulturbund, einem Vorgänger des Ortsvereins Loschwitz-Wachwitz e.V. und Autor mehrerer Bei­träge im Elbhang-Kurier.

Bei seiner Arbeit als Denkmalpfleger zog er auch immer Photographien von August Kotzsch zu Rate, was er im Katalog zur Ausstellung „Von Loschwitz nach Amerika – August Kotzsch“ beschreibt. Zur Denkmalpflege gehört aber auch das Wissen um die Entstehungs­geschichte und den Architekten eines Bauwerkes. Die Wissenslücke über den Architekten Theodor Lehnert können wir in diesem Heft schließen.

Die Denkmalpflege, der wir Dresd­ner vor allem nach 1990 so viele wunderbar restaurierte Bauten ver­danken, steckt aber in einer tiefen Sinnkrise. Zum einen wird das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (aus verschiedenen Gründen) seiner Rolle als richtungsweisender, wissenschaftlicher Institution kaum mehr gerecht. Zum anderen will die Politik den Einfluss der Denkmalpflege beschneiden. Ein neues Denkmalschutzgesetz wird derzeit heftig diskutiert (s. S. 23).

Haltungen auf gesellschaftliche Themen wandeln sich, das ist nicht neu. Welchen Stellenwert wir der Denkmalpflege in den nächsten Jahren einräumen, wird jetzt verhandelt. Schon heute kann der Erhalt einer in der Verantwortung der Stadt liegenden, einsturzgefährdeten und unter Denkmalschutz stehenden Friedhofsmauer einen monatelangen „Behördentanz“ bedeuten.

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