Der „begehbare“ Adventskalender

Spaziert man in der Adventszeit über den Elbhang, so kann es passieren, dass man vor einem Haus eine erleuchtete Laterne sieht und hinter den Fensterscheiben Plätzchen gegessen werden und ein Lied erklingt. Wenn die Haustür offen steht oder man sich ein Herz fasst und klingelt, wird man liebevoll begrüßt und eingelassen.

Die Laterne ist das Zeichen für die geöffnete Tür. Foto: Jürgen Frohse

Die Laterne ist das Zeichen für die geöffnete Tür.
Foto: Jürgen Frohse

Weihnachtliches vom Elbhang –  „Von Haus zu Haus“

Beim „Adventskalender von Haus zu Haus“, wie der lebendige Adventskalender in der Loschwitzer Kirchgemeinde genannt wird, öffnet jeden Werktag im Advent eine Familie ihre Türen. Die einen singen und musizieren, die anderen lesen Geschichten oder tragen Gedichte vor. Ein seltener Weihnachtsberg wird gezeigt und Bratäpfel oder selbstgebackene Plätzchen werden gereicht. Der Advent soll dabei gelebt werden als eine Zeit der Ruhe und Besinnung mit Freunden und Nachbarn. Es soll leiser werden und die Hektik und der Konsum vor der Tür bleiben, ohne sich abschotten zu wollen. Jeder ist willkommen und kann sich von der Gastfreundschaft überraschen lassen. Der Spruch, „es ist ein Brauch von alters her…“, stimmt in diesem Fall aber nicht ganz. Es soll auch in vergangener Zeit schon Traditionen gegeben haben, im Advent seine Türen zu öffnen. Aber erst in den 1990er Jahren kam diese Form, gemeinsam die Weihnachtszeit „einzuläuten“, verbreitet auf. Kleinzschachwitz, Weißig oder Plauen waren erste Gemeinden in Dresden, und in Losch­witz riefen die aus Weißig kommende Gemeindepädagogin Ingrid Wiemer und die Mitarbeiterin des Pfarramtes, Mechthild Glöckner, die Gemeinde 2004 dazu auf. Seither wird die Laterne im Dezember von einem Haus zum nächsten gereicht, wobei es eine Besonderheit gibt: Viele Gemeindemitglieder leben heute in Nachbargemeinden und fühlen sich Loschwitz weiter verbunden. So wandert die Laterne auch nach Blasewitz, Bühlau, Weißer Hirsch und Ullersdorf. An den Adventswochenenden  steht sie zu den Vespern und den Konzerten in der Loschwitzer Kirche. Im Gemeindeblatt werden die Gastgeber mit den Terminen genannt. Und jeder hat andere schöne Geschichten aus den letzten Jahren zu erzählen:

Der aus dem Erzgebirge stammende historische Weihnachtsberg war in den vergangenen Jahren zum offenen Adventskalender im Hause von Eberhard Münzner zu besichtigen. Foto: E. Münzner

Der aus dem Erzgebirge stammende historische Weihnachtsberg war in den vergangenen Jahren zum offenen Adventskalender im Hause von Eberhard Münzner zu besichtigen.
Foto: E. Münzner

Im Wachwitzgrund

Ulrike Schmiedel-Franke und Heiko Franke leben mit ihrem Sohn Konrad in einem kleinen Fachwerkhaus im Wachwitzgrund. Sie engagieren sich seit vielen Jahren in der Loschwitzer Kirchgemeinde und freuen sich, wenn Kontakte und Begegnungen auch außerhalb des Gottesdienstes und interner Haus- oder Bibelkreise stattfinden. Das Kirchencafé nach jedem sonntäglichen Gottesdienst war so eine schöne Idee, die sie unterstützten. Als 2004 zum „begehbaren Adventskalender“ aufgerufen wurde, waren sie gleich dabei. Wenn die Laterne seitdem jedes Jahr einmal im Advent zu ihnen „wandert“, laden sie auch die Nachbarn mit ein. Der Tisch wird ausgezogen und Bratäpfel werden in den Ofen geschoben. Oft wird gesungen und manchmal wird gebastelt. Konrad spielt ein paar Lieder auf dem Klavier. Ihnen gefällt es, mit anderen die Weihnachtszeit zu beginnen und neue Menschen kennen zu lernen. Der neue Brauch, der ihrem Lebensgefühl entspricht, ist für sie zur schönen Einstimmung auf die Weihnachtszeit geworden.

Jedes Jahr ist es ein Ereignis, wenn freiwillige Helfer die beiden Weihnachtsbäume für die Losch­witzer Kirche holen. Foto: Jürgen Frohse

Jedes Jahr ist es ein Ereignis, wenn freiwillige Helfer die beiden Weihnachtsbäume für die Losch­witzer Kirche holen.
Foto: Jürgen Frohse

Am Loschwitzhang

Die aus Thüringen stammende Familie Barm wohnt seit 2001 am Loschwitzer Elbhang unterhalb des ehemaligen Königlichen Wachwitzer Weinberges. Ihrer Mentalität entspricht es, auf Menschen zuzugehen. Dennoch war es für sie nicht einfach, Zugang zur Loschwitzer Gemeinde zu finden. Nachdem sie sich integrieren konnten, empfanden sie bald, dass man es den Neuzugezogenen leichter machen sollte. Neben anderen halfen sie mit, einen Besuchsdienst und den jährlich einmal stattfindenden Besuchskreis zu organisieren. Neue Mitglieder der Kirchgemeinde werden eingeladen und die Mitarbeiter stellen sich vor. Man breitet Landkarten aus und jeder kann seine Herkunftsgegend beschreiben. Die Idee zum offenen Adventskalender entsprach diesen Gedanken, Hemmschwellen abzubauen, und seit Beginn öffneten Jitka und Justus Barm mit ihren drei Kindern auch ihre Türen einmal im Advent. Wenn das Wetter passt, wird ein großes Feuer angezündet und eine Freundin spielt Akkordeon unter der großen Eiche. Es gibt Honigbrot und Glüh­wein. Zu Barms können, das hat sich mittlerweile herumgesprochen, auch Kinder mitgebracht werden. Sie wollen dabei Leute kennenlernen, mit denen sie sonst in der Kirche nicht ins Gespräch kommen. Und sie gehen öfters auch zu anderen „Türchen“ und lassen sich überraschen. Manchmal müsse man auch bibelfest sein, aber dass sei die Ausnahme.

Jürgen Frohse

In Loschwitz…

…wird sich in den ersten Dezembertagen ein „musikalisches Adventstürchen“ öffnen. Heiderose Schwidom, ehemalige Musiklehrerin, heute Seniorin, wird in der Marie-Simon-Straße die Gäste mit vorweihnachtlichen Gitarrenklängen empfangen und sie mit Gebäck und Getränken bewirten. Dann wird gemeinsam gesungen und musiziert sowie  kleine Weihnachtsgeschichten vorgelesen.

Fast zehn Jahre wohnt Heiderose Schwidom schon in dem ruhigen Wohnviertel nahe der Mordgrundbrücke und seit 2004, also von Anfang an, ist sie beim „Adventskalender von Haus zu Haus“ mit dabei. Trotz einiger Vorbereitungen hat sie ihre Teilnahme an dieser Aktion nie bereut. Im Gegenteil, so meint die rüstige und in der Kirchgemeinde aktive Seniorin, die Gespräche und das nette Beisammensein an diesem Abend entschädigen sie für alle Mühe. Zwischen acht bis etwa 15 Adventsgäste, vom Kleinkind bis zum Senior; gute Bekannte, aber auch noch Unbekannte, konnte Heiderose Schwidom in den vergangenen Jahren begrüßen und sie ist nun gespannt, wer in diesem Jahr den Weg zu ihr finden wird.

Sonja Bernstengel

Die Töchter Flora (links) und Nele (rechts) Flegel überraschten die Adventsgäste 2009 mit Geigenklängen.  Foto: Familie Flegel

Die Töchter Flora (links) und Nele (rechts) Flegel überraschten die Adventsgäste 2009 mit Geigenklängen.
Foto: Familie Flegel

In Blasewitz und Striesen

Einige Loschwitzer Gemeindeglieder wohnen „überelbisch“ auch in Blasewitz und „noch weiter weg“. Das trifft z. B. für Herrat V. in der Grunaer Gartenheimsiedlung zu, die über viele Jahre am Veilchenweg und vor allem in der Loschwitzer Kantorei zu Hause war und im Vorjahr Pfarrer Selunka zu seinem wohl weitesten Advents(gemeinde)besuch animierte. Ihre Gemeindeverbundenheit hat sie auch auf ihre eigentlich in Loschwitz heimischen Kinder übertragen, die die Loschwitzer Adventsgänger im vergangenen Jahr bis in ihre neue Heimat in der Johannstadt einluden. „Der Geist weht, wo er will“ möchte man da mit einem Bibelzitat sagen, und die Gemeindegrenzen sind offenbar fließender geworden.
Etwas näher hat man’s zum Seniorenpaar Claudia und Rüdiger B. an der Kyffhäuserstraße, die ihren „Hang“ nach Loschwitz ihren dort wohnenden, konfirmierten und getauften Kindern bzw. Enkeln verdanken. Aber sie sammelten vor Jahren bereits in ihrer ursprünglichen Radeberger Heimat „Hauskreiserfahrung“, die sie nun – bereits zum vierten Mal – „von Haus zu Haus“ weitergeben und dazu immer ein im Gedächtnis bleibendes Thema gefunden haben. Selbst eine Loschwitzer Kirchvorsteherin residiert überelbisch in Blasewitz und öffnete vor drei Jahren ihr Haus den „Adventsgängern“. In diesem Jahr bittet hier jedoch ein neugeborenes Kind um Verständnis dafür, dass nun der „Platz in der kleinen Hütte“ für viele Besucher nicht mehr ausreicht.

Aber ganz in der Nähe im geräumigen mehr­etagigen Treppenhaus der Voglerstraße 13 hat sich, ebenfalls vor drei Jahren, eine (übergemeindliche!) adventsmusikalische Begegnungsmöglichkeit aufgetan. Hier laden wieder am dritten Adventssonntag, 12. Dezember, ab 15.30 Uhr die Familien Nürnberger und Lohmann alle Hausbewohner und sanges- und musizierfreudigen Gäste (Kinder und Erwachsene) „aus dem Revier“ zum vorweihnachtlichen „Treppenhaus-Konzert“ bei Gebäck, Kaffee und Glühwein ein (mitgebrachte Instrumente sind willkommen, und Kantor Uwe Nürnberger wird alles „unter einen Hut“ bringen).

Dietrich Buschbeck

Nach altem Familienrezept bäckt Familie Ulrich in Niederpoyritz schon in der 5. Generation die Pfefferkuchen: Hella und Klaus Ulrich als Großeltern, Iris und Lucy Mäge als Tochter und Enkeltochter.  Foto: Klaus Ulrich

Nach altem Familienrezept bäckt Familie Ulrich in Niederpoyritz schon in der 5. Generation die Pfefferkuchen: Hella und Klaus Ulrich als Großeltern, Iris und Lucy Mäge als Tochter und Enkeltochter.
Foto: Klaus Ulrich

Auf dem Weißen Hirsch…

…ganz in der Nähe des bekannten Klinikums lädt Anfang Dezember Familie Flegel zu vorweihnachtlicher Hausmusik ein. Schon zum vierten Mal werden sie in ihrem gemütlichen Heim Adventsbesucher empfangen, darunter sicher wieder etliche Stammgäste, aber hoffentlich auch neue Überraschungsbesucher.

Sie alle werden dann den Darbietungen lauschen, die die Töchter der Familie – Flora (9 Jahre) und Nele (11 Jahre) – sowie deren Mutter Katrin auf dem Klavier, der Geige und dem Akkordeon darbieten. Den Mädchen bereiten diese alljährlichen Adventsfeiern im größeren Kreis viel Spaß, selbst das Nest­häkchen Jette singt mit ihren vier Jahren schon kräftig mit. Sie will bald auch selbst mit musizieren, kann sich aber noch nicht zwischen dem Erlernen des Flöten- oder Geigenspiels entscheiden… Es geht sicher lebhaft und lustig zu in diesem offenen Adventshaus von Flegels, da die Besucher meist Familien sind, die ebenfalls Kinder mitbringen. Aber natürlich schaffen die Gastgeber Dr. Katrin und Dirk Flegel auch bewusst ruhige Momente, sei es beim Zuhören oder beim Genießen des herzhaften Büffets.

Für die gesamte Familie Flegel ist dieser Abend immer etwas Besonderes, Feierliches, obwohl er ja eigentlich am Ende eines normalen Alltages liegt. Wünschen wir ihnen, dass das auch in diesem Jahr so gelingt und sie damit auf ihre ganz persönliche Art die christliche Weihnachtsbotschaft weitergeben.

Sonja Bernstengel

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