Glossiert: Die „Sixtina-Briefmarke der Superlative“

Rechtzeitig vor dem Elbhangfest erschienen: Die schöne Sixtina-Briefmarke – eine „Briefmarke der Superlative“ (mit einigen Vorbehalten)

Die „Schöne Sixtina“

Die „Schöne Sixtina“

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) feiern Ende Mai mit einer Sonderausstellung das 500-jährige Jubiläum der „Sixtinischen Madonna“, deren Entstehung im römischen Atelier des „großen Raffael“ im Jahre 1512 begann – nach Dresden kam die Sixtina erst (nicht mit der Post, sondern wesentlich abenteuerlicher) fast 250 Jahre später; 1754 wurde sie dem damaligen Wettin-Chef August dem Starken im hiesigen Residenzschloss präsentiert. Wie Insider längst wissen, haben die Macher des Elbhangfestes 2012 dieses Jubiläum in das diesjährige Festmotto integriert: „Das ewig Weibliche …“. Im Festumzug und bei anderen Elbhangfestgelegenheiten wird uns die Sixtina begegnen. Den SKD sei Dank gesagt, dass ihre Sonderausstellung dem Elbhangfest gewissermaßen eine Vorverlängerung beschert – Vorfreude ist die schönste Freude –, und die SKD setzten noch eins drauf und präsentierten uns bereits am 28. Februar im Dresdner Gobelinsaal – also ein Stockwerk unter dem Raffaelsaal der Gemäldegalerie – eine bildschöne, angeblich „weltgrößte“ Sixtina-Sonderbriefmarke für 55 Cent (ohne Zuschlag!). Die passt allerdings wegen ihres opulenten Postkartenformates eigentlich auf kein normales Briefkuvert – es sei denn, man zerreißt das perforierte Ambiente.

Eigentlich war es so: Die Dresdner Kunstsammlungen einschließlich ihres brillant referierenden Galeriedirektors Alte Meister boten am 28. Februar nur den festlichen Rahmen für die Briefmarkenpräsentation mit der„schönsten Frau der Welt, die 500 wird“. Den Glanz des Ereignisses versuchten auch andere Institutionen und Persönlichkeiten für sich dienstbar zu machen. An erster Stelle der Bundesfinanzminister, der aber wegen der damit verbundenen Zusatzeinnahme von reichlich 1,5 Millionen Euro (3,34 Millionen Briefmarken wurden gedruckt) gar nicht erst nach Dresden kam, sondern eine Privataudienz in Rom nutzte (man kennt sich), um die philathelistische Kostbarkeit dem Heiligen Vater (und Mitherausgeber) zu überreichen, der seinerseits die Sonderbriefmarke – la francobollo in edizione spesiale – mit einem vatikanischen 240-Cent-Portoaufdruck versah (der Heilige Stuhl versendet offenbar nur gewichtige Briefe). Es darf angenommen werden, dass Benedikt XVI. weiß: die Sixtina hängt in Dresden.

Auf der weltweit zu verschickenden Briefmarke wird diese eigentliche mitzuteilende Tatsache dezent verschwiegen. Die beiden postalischen Sonderstempel vom 1. März tragen auch nur den Aufdruck „Berlin“ bzw. „Bonn“, damit niemand vergisst, wo eigentlich regiert oder agiert wird (allerdings bekam der bei der Briefmarkenübergabe ebenfalls anwesende sächsische MP Tillich auch eine Erstausgabe geschenkt). Und weil die Dienstwege aus Kostengründen kurz sein sollen, wurden zuvor gleich ein erfahrener Briefmarkengestalter in Frankfurt/Main und eine renommierte Druckerei in Mönchengladbach mit den lukrativen Entwurfs- und Druckaufträgen versehen.. Zufällig vergaß auch der in den Gobelinsaal gekommene Parlamentarische Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums zu erwähnen, dass es schon mal zu DDR-Zeiten eine Sixtina-Briefmarke gegeben hatte. Aber darüber können die beiden Sixtina-Lümmelengel (am unteren Rand) nur lächeln, schließlich sind die Beiden schon seit Jahren auf USA-Briefmarken präsent (wer hat da eigentlich die postalischen und musealen Urheberrechte?).

Festzuhalten bleibt: Die Sixtina-Briefmarke ist eine poesievolle Schützenhilfe fürs diesjährige Elbhangfest, und wenn sie uns dazu animiert, wieder öfter mal einen Brief zu schreiben, wie sich das Galeriedirektor Bernhard Maaz wünschte, hat sie ihren Zweck erfüllt.

Welche „Fülle des Reichtums“: Die Sonderbriefmarke ist (wenn man Glück hat) in der entlegensten deutschen Postfiliale in Hintertupfing zu haben, und per Post kann sie den allerletzten Winkel der Erde erreichen, aber nur in Dresden kann man noch nach „500 anni della Madonna Sistina“ dem unvergleichlichen Gemälde (anbetend?) gegenüberstehen.

P. S.: Wenn die Deutsche Post, wie angekündigt, Ende Mai zum 500. Sixtina-Jubiläum mit einem „Erlebnisbriefmarken-Team“ nach Dresden kommt und, wie versprochen, Sonderstempel verkauft, sollten die Philathelisten mal genau hinsehen, ob da außer „Bonn“ und „Berlin“ auch „Dresden“ gestempelt wird. Eigentlich eine einmalige Gelegenheit: Postsonderstempel zum Elbhangfest.

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