„Lebensrettung“ für den Dresdner Schlossturm

Denkmalschutz vor 50 Jahren

Blick aus dem Dresdner Stallhof, wo derzeit der Mittelalter-Weihnachtsmarkt residiert: Ohne Turmhaube, nur mit einem Notdach gesichert, präsentierte sich noch 1980 der  Schlossturm, dessen Turmspitze erst 1991 vollendet werden konnte (dazu erarbeitete der heute in Rochwitz lebende Bauingenieur Ingo Krüger die komplizierte Statik). Zeichnung: Manfred Wagner

Blick aus dem Dresdner Stallhof, wo derzeit der Mittelalter-Weihnachtsmarkt residiert: Ohne Turmhaube, nur mit einem Notdach gesichert, präsentierte sich noch 1980 der Schlossturm, dessen Turmspitze erst 1991 vollendet werden konnte (dazu erarbeitete der heute in Rochwitz lebende Bauingenieur Ingo Krüger die komplizierte Statik).
Zeichnung: Manfred Wagner

Gerhard Glaser Foto: privat

Gerhard Glaser
Foto: privat

Der 1945 schwer beschädigte Hausmannsturm des Dresdner Residenzschlosses drohte im Jahr 1964 endgültig zu verfallen, weil die „sozialistische“ Stadtverwaltung weitere Sicherungsarbeiten untersagt hatte. Vorrang hatte nur der bereits 1946 vom sowjetischen Stadtkomandanten befohlene Wiederaufbau des Dresdner Zwingers. Aber die von Hubert Ermisch (1883–1951) geleitete Zwingerbauhütte ermöglichte gelegentlich prophylaktische, nahezu illegale Aktionen am Schloss.

Der damalige, heute in Loschwitz lebende Bauhütten-Bauleiter (und spätere Stadtkonservator) Hermann Krüger organisierte deshalb am vierten Adventswochenende im Dezember 1964 einen Rettungseinsatz. In 54 Meter Höhe wurde ohne Gerüst, lediglich mit Bergsteigersicherung, ein Notdach für den Schlossturm errichtet.

Die zuständige Dachdecker-PGH, die die Arbeiten aus Sicherheitsgründen abgelehnt hatte, stellte lediglich Holz und Dachpappe zur Verfügung. Deshalb musste mit 18 „Freiwilligen“ gearbeitet werden, zu denen der spätere Landeskonservator Gerhard Glaser, die damals jungen Architekten Werner Heinrich (heute Weißer Hirsch), Bernd Einert, Ulrich Aust (†) und Herbert Schneider (†), aber auch der damalige Oberschüler Christoph Münchow (heute OLKR i. R.) gehörten, unterstützt vom unermüdlichen Baumeister Hermann Ullrich.

Hermann Krüger Foto: privat

Hermann Krüger
Foto: privat

Gerhard Glaser und Hermann Krüger „feierten“ den Vierten Advent 1964 auf dem Dresdner Schlossturm, nur mit einem Bergsteigerseil gesichert.

Diese für den Schlossturm lebensrettende Initiative hatte vor einem halben Jahrhundert für manchen Dresdner Bauverantwortlichen eine nachhaltige Signalwirkung, gewissermaßen ein Weihnachtsgeschenk, das auch anderen gefährdeten Baudenkmalen das Leben rettete – Stadtgeschichte „von unten“.

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