Wagner im Exil – in Graupa

Vom Tal-Theater zum Welttheater

Die „Richard-Wagner-Spiele“ sind ein Elbhang-Aushängeschild

„Wagnersche Opulenz gedeiht auch auf Sparflamme” hieß es kürzlich in einer Rezension zu den diesjährigen „Richard-Wagner-Spielen 2018“ in Graupa, die der Loschwitzer Theatermann Johannes Gärtner erneut auf die „Bretter, die die Welt bedeuten” gebracht hat – diesmal als „szenisches Konzert“ angekündigt. Insofern scheint hier die o. g. Rede vom „Welttheater” durchaus berechtigt zu sein.

Signet Richard-Wagner-Spiele


Als Johannes Gärtner 1998 sein „ta:l theater“ im Loschwitzer Gemeindehaus an der Grundstraße installierte, konnte man noch nicht ahnen, in welche Dimensionen seine damals elbhangfest-begleitende Bühne (erinnert sei an die lokalen Ikonen Schiller oder Körner) vordringen sollte. In diesen Sommer – am 12. Juli – begeht der gebürtige und hier mit seiner Familie lebende Loschwitzer „Impressario“ seinen 40. Geburtstag, und im Vorfeld dieses Tages hat er seinem Publikum, das Ende Juni nach Graupa pilgerte, mit „Wagners Welt: EXIL“ ein schönes Geschenk gemacht – und das bei schönem Wetter und (am zweiten Spieltag) im schönen Gewand der „Dresdner Museumsnacht“, die bei dieser Gelegenheit im Jagdschloss Graupa bis ins Pirnaer Revier ausstrahlte. Auch so können Elbhang und Umland miteinander verschmelzen, und eigentlich hätte beim jüngsten Elbhangfest der „Gründer und Erfinder“ von ta:l theater und Richard-Wagner-Spielen – Johannes Gärtner – in einer der Straßenausstellungen auch eine Erinnerungstafel verdient. Er frönt zwar nicht dem „Hang zur Technik“, sondern eher dem Hang zum Besonderen, und das gelang ihm auch diesmal in Graupa.
Auch wenn dort die oben zitierte „Sparflamme” flackerte, kamen in „Wagners Welt: EXIL” alle auf ihre Kosten, sowohl das zahlreiche Publikum (teils auch aus Tschechien angereist) als auch die Akteure – neun Herkunftsnationen verzeichnete das zweisprachige Hochglanz-Programmheft. Neben dem Autor, der im Stück auch als Dramaturg, Regisseur, Schauspieler und flexibler Produzent agierte, tauchten in den Ankündigungen des Theaterzettels noch weitere Namen aus dem näheren Elbhang-Umfeld auf: der in Bühlau lebende und arbeitende Kunst- und Kirchenmaler Michael Donath, der diesmal als Bühnenmaler für das mehrfach wechselnde tranparente „Bühnenbild“ sorgte; der Striesener Streichinstrumentenbauer Steffen Friedel – 2018 mit dem „Deutschen Musikinstrumentenpreis“ ausgezeichnet – , der seine Handwerkskunst in einem der beiden Graupaer „Wagner-Salons“ demonstrierte und zugleich das tschechisch-deutsche „Festspielorchester“ ausrüstete; der nach Blasewitz gezogene Percussionist Georg Wieland Wagner (!), der den Theaterabend im „Orchestergraben“ mit einem Paukenwirbel eröffnete; die Blasewitzer BrückeMost-Stiftung mit den von ihr vermittelten tschechischen Instrumental-Stipendiaten; oder nicht zuletzt die in Bühlau ansässige „Naturkost-Manufaktur Vegannett“ – auch die kulinarische Komponente ist in Graupa nicht zu unterschätzen! Wenn hier „regional” argumentiert wird, darf nicht übersehen werden, dass die „Richard-Wagner-Spiele“, die hoffentlich auch 2019 (trotz angespannter Fördermittel- und Sponsorensituation) wieder stattfinden werden, immer auch eine überregionale, europäische und letztlich philosophisch-intellektuelle Dimension haben. Die von Johannes Gärtner ausgewählten und zusammengestellten Texte – gesprochen und gesungen – demonstrierten das zuweilen überdeutlich: Richard Wagner war in der Schweiz eigentlich ein Flüchtling, die Preußen und die Bayern machten jenseits der Grenzen auf ihre spezifische Weise von sich reden, die von Schopenhauer, Nietzsche und Feuerbach tangierte Wagnersche Musik und Dichtung signalisiert, dass „der ausgeglühte Götterfunken die neue Zeit ist“ und „die Kunst Religion werden kann“. Wer all dies – und vieles mehr – in einem 2-1/2-stündigen kurzweiligen Theaterabend unterbringen kann (freilich mit ein paar wagnerschen Längen), verdient Respekt und Beifall. In den „Künstlern am Dresdner Elbhang“ (II) ist Johannes Gärtner bisher nur im nachgeordneten Anhang zu finden – bei einer Neuauflage wäre da noch etwas nachzutragen.

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