Rede von Dr. Matthias Lugenheim zum Jubiläum »300 Jahre Grundsteinlegung« der Weinbergkirche Pillnitz

Worte zum Jubiläum
»300 Jahre Grundsteinlegung«

Dr. Matthias Lugenheim
(1. Vorsitzender Interessengemeinschaft Weinbergkirche)

24. Juni 2023

Ihr Menschen, rühmet Gottes Liebe.

Verehrte Festversammlung, meine sehr geehrten Damen und Herren,
es gehört nicht zu den Alltäglichkeiten, in einem Haus, dass einem doch großzügig im Ehrenamt anvertraut ist, die dreihundertjährige Wiederkehr der Grundsteinlegung zu begehen. Und noch dazu in einem so festlichen, einem so heiteren, einem so außergewöhnlichen, einem so geschichtsvollen, einem so weit in die Landschaft hinaus wirkenden, ja, einem so Zeichen setzenden Haus. Wenn man diese kleine Kirche im Weinberg betrachtet, schaut, wie sie hier einen weithin leuchtenden Markstein setzt, und gar erst, wenn man sich hineinbegibt und spürt, wie die Umgebung in das Haus hineinwirkt, und wenn man in dem von dort draußen hereinscheinenden, warmen Licht die Reflexion des Weinberges wahrnimmt, dann erkennt man zwangsläufig: Großartig ist der Platz, gepriesen die Situation, gesegnet der Ort.

Festkonzert zu 300 Jahre Grundsteinlegung der Weinbergkirche mit Musik von J. S. Bach. Foto: Dieter Fischer

Gestattet sei heute ein Rückblick in die Geschichte:
Nachdem Sachsen den Wirren des Großen Nordischen Krieges entkommen war – selbiger nahm immerhin fast ein Drittel der Zeitdauer des, oft pauschal hochgelobten, augustäischen Zeitalters ein –, als Sachsen also diesen Kriegswirren entkommen und wirtschaftlich wieder erfolgreich aufgestellt war, entwickelte der lustvolle, der feierlaunige, der festwütige, der manchmal zu Unrecht nur auf diese Themen reduzierte, der allerdings auch des heimischen Glaubens aus eitler Machterwägung abtrünnig gewordene Königkurfürst Schlossbaupläne für Wasserschlossanlagen im Umland Dresdens.
Und dieser damals 53-jährige Friedrich August – unbestritten hoch interessiert und genial begabt in den Fragen des Schönen –, dieser Friedrich August wünschte diese Pläne realisiert zu sehen. Er kannte geeignete Vorbilder, die er unter anderem auf seiner Grand Tour – und so eben auch in Venedig – gesehen und erlebt hatte.
Pillnitz, noch unter seinem älteren Bruder im Tausch gegen Lichtenwalde an das Kurhaus Wettin gekommen,
bildete dazu ein zuhöchst geeignetes Umfeld. Als dann 1721 die einsetzenden baulichen Aktivitäten am Pillnitzer Schloss mit der Errichtung der drei fernost-phantasierenden Pavillons des Wasserpalais gegenständlich wurden, war bald die alte, spätgotische, ehemals etwa im heutigen Fliederhof befindliche evangelische Stiftskirche von 1596 – vielleicht auch baufällig geworden – im Weg.
Man staunt, wie schnell es – zumindest für heutige Verhältnisse – dann 1723 so ging:

  • Am 16. April des Jahres schlug das Kurhaus dem geistlich die Aufsicht führenden Oberkonsistorium die Vereinigung von Hosterwitzer und Pillnitzer Gemeinde bei gleichzeitiger baulicher Vergrößerung von „Maria am Wasser“ vor – wozu es aber letztendlich nicht kam.
  • Bereits 6 Tage später, nämlich am 22. April, mahnte der Geheime Rat von Seebach im Auftrag des Kurhauses einen Entscheid in der Causa an und stellte eine finanzielle Beteiligung an dem Projekt in Höhe von 2000 Thalern in Aussicht.
  • Weitere 4 Tage später antwortete am 28. April das Oberkonsistorium unter Hinzuziehung des Dresdner Superintendenten Valentin Ernst Löscher und des Ortspfarrers Johann Christoph Rüdinger ablehnend auf das Ansinnen und verwies auf die große Bedeutung der Lutherischen Kirchenstiftung in Pillnitz und die Einhaltung der erst frisch vom Königkurfürsten verkündeten Religions-Deklaration und der damit verbundenen Religionsfreiheit. Allerdings: Das Oberkonsistorium zeigte sich – vielleicht auch eines guten Kompromisses wegen – nicht abgeneigt zur Option eines Ersatzneubaus.
  • Und so ließ wiederum 12 Tage später, am 11. Mai, der Königkurfürst den Befehl erteilen, die im Garten seines Schlosses befindliche alte Kirche abzutragen und hoch oben im Weinberg eine neue Kirche mit allen Baumaterialien, Einbauten und Ausstattungen aus dem alten Haus zu errichten und zudem tatsächlich die – wir würden heute sagen – Fördersumme von 2000 Thaler anzuweisen.
  • Zwischendurch war noch schnell zu planen, zu entwerfen, zu gestalten, abzuwägen, zu überlegen, zu disponieren, zu kalkulieren und – der Zusatz sei mir gestattet – statisch-baukonstruktiv zu konstruieren. Ein Prozess, der bisweilen auch Jahrzehnte einnehmen kann. Doch das kursächsische Oberlandbauamt – Vorhabenträger und Bauherr dieser landesherrlichen Bauaufgabe – nahm sich konzentriert dieser Entwurfsarbeit an. Mehr noch oder besser sogar: Der Chef des Oberlandbauamtes Matthäus Daniel Pöppelmann – 1723 61-jährig – übernahm diese herrliche Aufgabe. Eine der Entwurfszeichnungen aus seiner Hand ist überliefert, sie hängt als Kopie beim Eingang dieser Kirche.
  • Schnell muss viel klar, beplant, beschlossen und bestätigt gewesen sein, denn schon 11 Tage nach der Erteilung des Befehls zum Kirchbau predigte Ortspfarrer Rüdinger am 23. Mai – zum Trinitatisfest –letztmalig in der alten Schlosskirche. Am Folgetag begannen sowohl der Abbruch des alten Baus als auch die Schachtarbeiten am neuen Standort.
  • Und am Sonntag, dem 24. Juni 1723 – also genau heute vor 300 Jahren – zum Johannisfest, wurde dann der Grundstein zu unserer Weinbergkirche gelegt.
  • Bereits 129 Tage oder weniger als 5 Monate später erfolgte am 31. Oktober – wohlgemerkt des gleichen Jahres – die Turmknopfaufsetzung. Reformationstag: Der Rohbau der Kirche war fertig, ausgeführt nach den Plänen Pöppelmanns in der Obhut und Verantwortung tatkräftiger ortsansässiger Baumeister und -handwerker. Und zur Turmknopfaufsetzung erschien der Landesherr höchstselbst – wollte er sehen, was aus seinem Geld geworden war? Dass er hier war, wissen wir aus der Turmknopfaufsetzungsurkunde, die da oben aufbewahrt wird. Denken und erinnern Sie an das Datum, wenn es soweit ist.
  • Dass es mit der Weihe der Kirche bis zum 11. November 1725 dauerte, hatte vielfältige Ursachen, die es ein anderes Mal zu beleuchten gilt.

Aber die Frist gibt uns Gelegenheit, heute drei Jahre lang das Festtripel DREI für 300. zu feiern. Auch nicht schlecht.

Natürlich, meine Damen und Herren:
Vielfältig hat die Weinbergkirche bislang ihre bauhistorische Würdigung erfahren. Dieser singuläre Sakralbau des Zwingerbaumeisters Matthäus Daniel Pöppelmann ist sicher nicht sein größter Kirchbau, vielleicht auch nicht sein bedeutendster. Die Pillnitzer Weinbergkirche ist aber heute sein Kirchbau, der noch am weitesten in seiner ursprünglichen – also in der Pöppelmannschen – Gestalt und Fassung vorhanden ist.
An dieser Stelle bedarf es des Ausfluges in ein anderes bewegendes Gefilde unserer Geschichte:
Nach der – heute zweifelsfrei glücklichen zu nennenden – Ablehnung einiger Vorbewerber wurde endlich am 22. April 1723 Johann Sebastian Bach 38-jährig in Leipzig zum Thomaskantor berufen. Ihm oblag es, schnell ein neues Repertoire für die kirchenmusikalische Begleitung der Gottesdienste in St. Thomas und St. Nikolai bereitzustellen.
So komponierte er in dem Zusammenhang die Kantate BWV 167 Ihr Menschen, rühmet Gottes Liebe, und zwar genau für den sonntäglichen Gottesdienst zum Johannisfest – dem Namenstag Bachs. Und dieser Tag war 1723 eben der 24. Juni.
Es erscheint uns daher um so treffender, genau heute diese kammermusikalisch gefasste und einfach solistisch besetzte Kantate aufzuführen. Schweigt stille – also – und plaudert nicht, wenn jetzt die in der gegenwärtigen Aufführungspraxis eher selten gespielte Kantate BWV 167 mit einem bestens aufgestellten Ensemble, exzellenten Solisten und unter der grandiosen und bewährten Leitung von Weinbergkirchenmusikdirektor Matthias Herbig erklingt.
Die Kopplung mit der weltlichen Kaffeekantate widerspiegelt ein Motiv unseres heutigen Tuns, auf welches noch zu kommen sein wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren.
Freilich, nicht immer war es in der Vergangenheit gut bestellt um die Weinbergkirche. Auch hier – an diesem doch eigentlich so sonnigen Ort – gab es zuweilen finstere Wolken, Verzweiflung, Unverständnis, Enttäuschung und Resignation. Doch nach Aufgabe des Hauses – das war 1977 –, nach Aufgabe, Schließung, Entfremdung, Diebstahl und Verfall regte sich renitenter Widerstand, dem drohenden Verlust klar ins Auge blickend. Es galt, das Haus zu retten. Baulich. Inhaltlich. Überhaupt. Als Anker dieses Ortes. Als Zeichen für eine zu erneuernde Gesellschaft. Und als Kirche.
Dazu bedurfte es der Empörung Aufrechter, der Phantasie Sehender, der Tatkraft Mutiger, dem Zupacken Vieler. Und diese Rettung brauchte gleichermaßen Geduld und Energie, Beharrlichkeit und Kraft, Augenmaß und Zielstrebigkeit, aber eben auch dringend die Änderung der politisch-gesellschaftlichen Umstände und der allgemeinen finanziellen und sachlichen Möglichkeiten.
Heute sehen wir mit Stolz und Freude – sie ist gelungen, diese Rettung: Hier in unserer Weinbergkirche herrscht eine wunderbare, eine lebendige Symbiose, eine doppelte Symbiose gar, nämlich die zwischen geistlicher Fundamentierung und weltlicher Verlebendigung gleichsam wie die zwischen öffentlich-rechtlicher Eigentümerverantwortung durch den Freistaat Sachsen und dem unermüdlichem engagierten, bürgerschaftlichen, ehrenamtlichen Tätigsein.
Dieses erprobte und verlässliche Beieinander währt nun – auch manchen Anfechtungen zum Trotz – erfolgreich schon seit über 30 Jahren, mithin – mathematisch gefasst – mehr als einem Zehntel des Daseins dieses Hauses. Und dieses Haus, diese Weinbergkirche könnte doch Vorbild sein für viele ähnlich gelagerte Liegenschaften und Bauwerke in einer genau so getragenen öffentlich-rechtlichen Eigentümerschaft, die auf das betreibend handelnde Zutun, das engagiert ehrenamtliche Wirken einer Bürgerschaft dringend hoffen und letztendlich angewiesen sind.

Jubiläum »300 Jahre Grundsteinlegung« an der Weinbergkirche. Foto: Dieter Fischer

Meine Damen und Herren.
Nun eignet sich das Jubiläum von 300 Jahre Grundsteinlegung unserer Weinbergkirche bestens als Augenblick, zurück zu schauen, inne zu halten und Dank zu sagen.

  • Und so grüße ich heute alle Gäste, die uns besuchten, die uns besuchen und die uns zukünftig besuchen werden.
  • Ich grüße die vielen Spender, Sponsoren, Mäzene und Unterstützer, heute im Besonderen auch den Stadtbezirksbeirat Loschwitz der Landeshauptstadt Dresden.
  • Ich grüße alle Musiker, Schauspieler und Künstler, die hier – vielfach immer wieder und oft im Benefiz – aufgetreten sind und ausgestellt haben.
  • Ich grüße die Händler und Gewerbetreibenden der Märkte, die Winzer und Weinbauern der Ausschänke.
  • Ich grüße alle, die von unserem Tun berichten und von unserer Arbeit vielfältig Kunde tragen ins Land.
  • Ich grüße alle an der baulichen Rettung, am baulichen Erhalt und an der baulichen Weiterentwicklung von Kirchgebäude und Liegenschaft Beteiligten.
  • Ich grüße das Sächsische Immobilien- und Baumanagement mit seinen wunderbaren Sachwaltern, also die uns sehr verbunden betreuende Hochbauverwaltung des Freistaates Sachsen.
  • Ich grüße Schloss und Park Pillnitz mit allen dort Verantwortlichen und Tätigen, die uns oft auch auf dem kleinen Dienstweg freundlich unterstützen und entgegenkommen.
  • Ich grüße die Initiatoren der ersten Stunde, die den großen Aufbruch zur Rettung vorangebracht haben, und gedenke in Respekt und Dankbarkeit aller denen von ihnen, die heute nicht mehr bei uns sein können.
  • Ich grüße natürlich und ganz herzlich die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Hosterwitz-Pillnitz und ihre Frau Pfarrerinnen.
  • Und zuerst – nicht zuletzt: Ich grüße alle Mitglieder, alle Mitstreitenden, alle Mitwirkenden, alle Freunde der Interessengemeinschaft Weinbergkirche. Ich grüße den Festausschuss und den Vorstand. Und hier ist es angemessen, zwei Namen zu nennen: Ich grüße meine beiden geschätzten Vorgänger im Amt des Vorsitzenden: Dr. Diethard Schröter und Christian Decker.

Wenn wir nun heute hier an das Präteritum erinnern, die Gegenwart mit Freude erblicken und uns gut aufgestellt für die Zukunft wähnen, so können wir uns bestimmt gewiß sein, dass der liebe Gott offensichtlich diesen Platz, diesen Ort, dieses Haus – unsere Weinbergkirche – mit großem Herzen begleitet, zu schätzen weiß und lieb hat. Das ist Bestätigung für Vergangenes – auch über die vielen hier tätigen Generationen hinweg –, Ansporn für das Jetzt und Aufgabe für das Zukünftige.
Und daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Festversammlung, Ihr Menschen: Rühmet Gottes Liebe.

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