Rede von Matz Griebel zur Namensgebung F.-W.-Pohle-Gasse

Einweihungsrede
Sonntag, 25. Juni 2023

Guten Tag, liebe sonntägliche Gemeinde,
und ein besonderes Willkommen Herrn Wolfgang Pohle aus Freital, dem Urenkel des mit der heutigen Namensgebung zu ehrenden.
In den Loschwitzer nach Personen benannten Straßen- und Wegebezeichnungen dokumentiert sich unsere reiche Ortsgeschichte.
Heute kommt zu den hier nur genannten Calberla-, Schiller-, Friedrich-Weck-, Ullrich- und Steglichstraße, zu Körnerplatz und Körnerweg auch die Friedrich-Wilhelm-Pohle-Gasse an seiner Wirkungsstätte, der Loschwitzer Kirche und unweit seiner damaligen Wohnung im alten Schulhaus – der heutigen Kirchenverwaltung – in der Pillnitzer Landstraße 8.

Bei der Eröffnung der Pohle-Gasse: Initiator Dr. Michael Damme und Festredner Matz Griebel. Foto: Jürgen Frohse

Sie erinnert an den langjährigen Cantor und Lehrer Friedrich Wilhelm Pohle, geb. 6. Januar 1830 in Tragnitz bei Leisnig.
Als der erst 36jährige am 1. Mai 1866 sein kirchliches und schulisches Amt in Loschwitz antrat, brachte er bereits eine reiche Berufserfahrung mit.
Schon in seiner Ausbildung in der Kirchschule seines Geburtsortes Tragnitz und im Progymnasium Leisnig entdeckte er seine Liebe zum Orgelspiel.
Dem folgte seine Lehrerausbildung am Freiherrlich Fletscherchen Seminar in Dresden, in das er mit 17 Jahren eingetreten war.
Bereits in dieser Zeit wirkte Pohle vertretungsweise als Organist in Dresdner Kirchen und beruflich an höheren Lehr- und Erziehungsanstalten, wie an der katholischen Freischule im Italienischen Dörfchen.
Nach seiner Heirat 1852 war er dann 1854 Hilfslehrer an der 1. Bürgerschule in Dresden, zog jedoch nach Glashütte: als Mädchenlehrer und gründete dort für Waisenkinder eine Knabenkolonie, die er auch verwaltete.
1858 ist Pohle dann wieder in Dresden und unterrichtet in der 5. Bezirksschule in der Antonstadt. Dazu wirkt er als Chormeister im Dresdner Sängerverein und gründet 1865 den Chorgesangsverein in der Neustadt.
Ein Jahr später wird Pohle als »Erster Lehrer und amtlicher Kantor« für die Gemeinde mit 1.200 Mark Jahresgehalt nach Lochwitz berufen.

Lassen Sie mich über seine nun folgende Umtriebigkeit und sein vielseitiges Engagement für das hiesige Gemeinwohl in gebotener Kürze berichten:
– Gründung einer Schulbibliothek mit speziellem Buchbestand für die Lehrer.
– Konzertveranstaltungen für die Anschaffung von Unterrichtsmitteln.
– Einrichtung eines Fortbildungsunterrichts für seine Schüler und für 10 Jahre Leitung des Schulvorstandes.
– Kirchenkonzerte für die notwendige Erneuerung unserer Orgel.
– Vorsitzender des Organisten- und Kantorenvereins in Dresden bis in das Jahr 1886.
– 1877 Eigene kirchliche Kompositionen, auch ein Chorbuch mit Chorgesängen für Begräbnisse.
– Gründung des Loschwitz-Blasewitzer Gesangsvereins.
– 1867 Gründung des Loschwitzer Stenographenvereins.
– 1870 Mitwirkung in einer Schutzgemeinschaft für die hiesigen Gewerbetreibenden.
– 1866 – 92 Sekretär des Loschwitzer Frauenvereins und Schriftführer der Kranken- und Begräbniskasse.
– Kassenwart im Vorstand der Speiseanstalt für Bedürftige im Gasthof Demnitz.

Loschwitz, Eröffnung der Friedrich-Wilhelm-Pohle-Gasse zum Elbhangfest 2023. Foto: Jürgen Frohse

Auch seine ortsgeschichtlichen Interessen sind hervorzuheben:
1871 lässt er vom Fotografen August Kotzsch 100 Abzüge von Innen- und Außenaufnahmen der Loschwitzer Kirche anfertigen, die als Gabe an die Konfirmanden oder Besucher gedacht waren.
1883 erscheint die von ihm verfasste 300seitige Chronik von Loschwitz im Druck in Dresden.
Dem folgt als Publikation ein Führer durch Loschwitz mit Wanderkarte im Jahre 1887.
In diesem Jahr erlebt der 57jährige auch die Einweihung der neu erbauten Loschwitzer Körnerschule.
1891 wird dem indessen kränkelnden Cantor und Lehrer für sein 40jähriges Wirken im Schuldienst eine Ehrung durch die Königliche Bezirksschulinspektion zu teil, erhält er das Verdienstkreuz und von der Gemeinde eine finanzielle Ehrengabe.
Am 11.11.1892 stirbt Pohle und findet sein Grab an der Loschwitzer Kirche, wo es bis heute sehr gut erhalten ist.
Bleibt noch nachzutragen, dass von den 4 Kindern mit seiner Frau Emilie Charlotte (Hochzeit 1852 in der Annenkirche), der Sohn Constantin Johann ab 1877 eine Milch- und Produktenhandlung in der Grundstraße betrieb.
Möge unsere begehbare Gasse zur Erinnerung an unseren verdienstvollen Cantor und Lehrer auch in unserer Zeit beitragen.
Der Inhalt seiner nie wieder aufgelegten Ortschronik fand Eingang in unsere dicke Ortsgeschichte aus dem Jahr 2015 und Herr Wolfgang Pohle hat den Lebensgang seines Urgroßvaters im Elbhang-Kurier 3 und 4 im Jahre 2009 ausführlich gewürdigt.
Es lohnt sich, zu Hause in Ruhe einmal nachzulesen.
Denn unsere Gegenwart und Zukunft wurzeln in der Geschichte. Und zu ihr gehören auch solche Persönlichkeiten wie unser Cantor und Lehrer Friedrich-Wilhelm Pohle.

Musik von Pohle spielte der Loschwitzer Posaunenchor auf der Kirchenrampe. Foto: Jürgen Frohse

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