Weg 7 »Wandern im Dreiländereck«

»Zeigefinger in sächsischer Landschaft«

März 2024: Weg 7 »Wandern im Dreiländereck«
von Dr. Michael Damme und Matthias Griebel

Immer der Neiße nach

Eigentlich hatten wir uns diesen Weg als Winterwanderung im Februar vorgenommen. Doch das Klima nimmt keine Rücksicht auf ein paar Wandergesellen und ließ den Winter 2013/14 einfach ausfallen. Na ja, dann halt ohne Schnee. Los ging es am 23.02.2014 mit dem Auto von Dresden durch die wunderbare Lausitz über Stolpen, Neustadt, den Hohwald, durch Steinigtwolmsdorf, Oppach, Neusalza-Spremberg, Eibau, Oderwitz und Zittau bis nach Hirschfelde, der ehemaligen Kraftwerksstadt im Dreiländereck. Gegenüber im Polnischen ist das riesige Braunkohlenkraftwerk Turow noch im Betrieb und die Tagebaulandschaft und die Kraftwerksanlagen bilden einen skurrilen Kontrast zu der auf deutscher Seite nun wieder dörflichen Idylle. Hinter Hirschfelde biegen wir rechts ab in das Dörfchen Rosenthal und parken das Auto dort direkt an der Neiße, die etwa 60 km weiter oben, am Fuße des tschechischen Isargebirges entspringt. Es ist kalt um null Grad, aber die Sonne zeigt sich am hellblauen Himmel, die Neiße plätschert vor sich hin und im polnischen Wald gegenüber schreit ein Fuchs. Los geht’s – immer der Neiße nach – mal sehen wie weit wir kommen.

Der Neißetalweg bei Hirschfelde nach Marienthal am östlichste Rand der Oberlausitz. Foto: Dr. Michael Damme

Im Dreiländereck bei Zittau:
Der eigentliche Begriff Dreiländereck ist nur für die deutsche Seite ein geografischer.
Er fußt auf der im Potsdamer Abkommen 1945 von den Alliierten festgelegten Oder-Neiße-Grenze zwischen Deutschland und Polen.
Daher nennt sich nur Zittau »Stadt im Dreiländereck«. Jenseits der Grenze liegt in der Tschechischen Republik als älteste Stadt im Neißetal Hradek (Grottau) am nächsten und in Polen der kleine Grenzort Sieniawka (Kleinschönau) mit dem anschließenden großräumigen Tagebau des abgebaggerten Ortes Turow (Turchau). Beide Gegenden sind im Gegensatz zur sächsischen Grenzregion für den Tourismus nicht von Belang.

Nach der Neißeflut 2010 hat man den Weg wieder saniert und aufgeschottert, so dass er nun für Wanderer und Radfahrer wieder vorzüglich geeignet ist und man richtig »Kilometer machen« kann, wenn man es will. 6,5 km führt der Weg immer parallel der Neiße durch den Klosterwald. Nur der Adamstein (eine Erinnerung an König Albert von Sachsen, Kaiser Friedrich III und Wilhelm I unterbricht unsere Verbindung mit dem Weg und dem Fluß, der hier etwa 30m breit und ziemlich flach dahin fließt. Gleich dahinter führt eine alte genietet Eisenbahnstahlbogenbrücke über den Fluß und eine Schnellbahn der Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft rauscht von polnischer Seite aus kommend durch das stille Tal. Beim Anblick der Grenzsäulen denke ich an die Geschichte dieser Grenzlinie und vergesse die Atmosphäre der Flußlandschaft. Der Hinweis meines Wandergesellen auf die Karfunkelsteinhöhle bringt mich zurück in die Gegenwart. Als hier früher Granit abgebaut wurde, fand man auch Rauchtopas und Rauchquarz, eben Karfunkel-»edel«-steine.
Hinter einer Rechtskurve des Flusses zeigt sich das Kloster Marienthal, das so oft vom Hochwasser heimgesucht wurde, so auch im August 2010, gerade nach dem vorhergehenden Hochwasser von 2002 frisch saniert. Nur eine kleine Baustelle an der Klosterkirche ist noch mit der Schadensbeseitigung von 2010 beschäftigt.

Kloster. Foto: Dr. Michael Damme

Klosterschenke. Foto: Dr. Michael Damme

Ostritz:
Ostritz ist eine an einer slawischen Wallburg entstandene deutsche Ostsiedlung, die 1295 als Stadt und Marktort genannt ist. Der Ort konnte sich trotz seiner Lage an der von Böhmen nach der Ostsee führenden Handelsstraße im Gegensatz zu Zittau und Görlitz nicht recht entfalten. Dazu kamen schwere Zerstörungen durch die Hussiten in den Jahren 1427 – 1431.
Die Stadt unterstand stets der Grundherrschaft des Klosters Marienthal und blieb daher katholisch. Die Ostritzer Maria-Himmelfahrt-Kirche geht auf das Jahr 1230 zurück und gehörte bis 1783 zum Erzbistum Prag. In der Ackerbürgerstadt dominierten im Handwerk Leineweberei und das Kürschner-Gewerbe.

Kloster St. Marienthal:
Die Zisterzienserinnenabtei Klosterstift St. Marienthal ist als prachtvolle barocke Klosteranlage von überregionaler Bedeutung. Gründerin war nach 1200 Königin Kunigunde von Böhmen.
Ebenfalls 1427 durch die Hussiten zerstört, erfolgte der Wiederaufbau des Klosters, das große Brände 1515, 1542 und 1683 wieder vernichtete.
Der jetzige Bauzustand stammt von 1685, die Vielzahl der Wirtschafts- und Nebengebäude vom Anfang des 18. Jahrhunderts. Wie auch Kloster Marienstern im Kamenzer Land (s. Weg 3) ist St. Marienthal das einzige Zisterzienserinnenkloster Deutschlands, das seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart ohne Unterbrechung fortbesteht.

Kloster. Foto: Dr. Michael Damme

Gleich hinter dem Klostertor nach Osten genehmigen wir uns unter der Linde vor der Klosterschenke (ja, mit »e« geschrieben!) einen Pott Kaffee und blicken zurück auf das barocke Juwel an der Neiße. Über den Neißeweg geht es weiter bis dieser wieder auf die Klosterstraße stößt. Vorbei mit viel Liebe sanierten Fachwerk- und Umgebindehäusern, fachmännisch verschnittenen Obstbäumen, aber auch an Häuschen, die wohl bald nicht mehr sein werden. Die Landflucht hinterlässt auch hier ihre Spuren – dabei ist es doch hier so reizvoll und schön. Nach 2 km erreichen wir den Marktplatz von Ostritz. Über die Von-Schmidt-Straße links in die Bahnhofsstraße und kurz darauf rechts in die Leubaer Straße gelangen wir auf den Damm vor der Stadt und blicken auf die Flußauenwiesen. Wir entschließen uns über diese dem Fluß folgend zu gehen, da der Boden trocken und das alte Gras kurz geschnitten ist. Man kann aber auch den Schönfelder Weg parallel der B 99 vorbei an dem alten Vorwerk 3,5 km Richtung Leuba laufen.

Vor Leuba macht die Neiße einen langen Linksschwenk und wir müssen über einige elektrisch eingezäunte Koppeln hüpfen und gelangen am Ende vorbei am Wehr und dem Mühlgraben nur über ein Privatgrundstück auf die Hauptstraße von Leuba. Es ist Mittagszeit und aus ein paar Fenstern kommt ein wohlriechender Mittagsessensduft. Auch wir genehmigen uns ein Pausenbrot vor einer gewaltigen, fast 100 m langen Scheune gegenüber am Hang.
Gleich hinter der Scheune führt die Neißegasse wieder auf die Flußaue. Nach 1 km stoßen wir auf eine Rad- und Wanderweg, der vorbei an einem Badesee und 2 Kiesgruben bis zum Ortseingang von Hagenwerder nach 1 km auf die Radmeritzer Straße stößt, die ins Polnische führt – zu unserer diesmaligen Endstation. Hier sehen wir vor uns links einen alten Braunkohlebagger der jetzt vor dem Berzdorfer See, der ehemaligen Braunkohlengrube steht und weiter rechts am Horizont den Basaltkegelberg der Landeskrone (419m) bei Görlitz.

Hagenwerder:
Der 1335 erstmals erwähnte slawische Ort Nikrisch wurde (wie viele andere Orte) in der NS-Zeit 1936 in Hagenwerder eingedeutscht. Von Bedeutung war stets das Rittergut, dessen Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert bis heute erhalten ist. Im Zuge der Bodenreform verteilte man die Gutsfelder ebenso an Neubauern, wie 230 Hektar Land in der Gemeinde Tauchritz, das dem Stift Joachimstein gehört hatte. Seit 1954 ist Hagenwerder zum Energiezentrum des ostsächsischen Raumes entwickelt worden, Grube und Kraftwerk nach der Wende zu der Lausitzer Braunkohlen AG gehörend wurde wegen zu geringer Kohlereserven 1997 nach 150 Jahren Braunkohleabbau geschlossen, die Kraftwerksanlagen abgerissen und die Grube wurde als Berzdorfer See zu einem Naherholungsgebiet entwickelt. 1994 folgte die Eingemeindung in das Stadtgebiet von Görlitz.

Stift und Schloß Joachimstein in Radmeritz (Radomierzyce):
An Stelle seines alten Ritterguts-Schlosses Radmeritz baute der unvermählte Joachim Sigismund von Ziegler und Klipphausen 1712 – 1728 einen neuen Schloßkomplex, der von Anfang an als Stift für 12 unverheiratete adlige Damen als »Fräulein-Stift« vorgesehen war; sozusagen als weltliches Gegenstück zum benachbarten Kloster Marienthal. An der Bauplanung waren Johann Friedrich Karcher und Daniel Pöppelmann beteiligt, an der Ausführung die Oberlandbaumeister Christian Beyer, Johann Christoph Knöffel sowie George Bähr. Schloß und Garten waren die bedeutendsten Barockanlagen der Oberlausitz, in Planung und Ausführung in allen Einzelheiten in ihrer Zeit zu Ende gebracht, und nie verändert wurden. Der Schloßgraben wird von den Flüssen Neiße und Wittig gespeist.

Wir laufen über die neue Spreebrücke und biegen rechts vorbei an der Kirche ins Dorf Radomierzyce ein vorbei an den polnischen Höfen, wovon jeder von einem stattlichen Hund bewacht wird, in der Hoffnung von hinten in das Schloßgelände zu gelangen. Doch dieses ist von einem Wassergraben umgeben. Ein Schwabe erklärt uns, wie wir aus der Sackgasse kommen und das es gleich um die Ecke eine kleine Kneipe nach 1 km gibt, wo wir die gefüllten Teigtaschen oder den hausgemachten Kuchen unbedingt probieren sollten.
In der altehrwürdigen Gaststube des »Restaurants Stifts-Mühle«, in polnischer Sprache »Kawiarniawstarymmlynie«, die wie zu meiner Großmutters Zeiten eingerichtet ist, hängen noch die alten Bilder, so auch eines wo der alte Hindenburg das Schloß besuchte.
Ich fotografiere einige Bilder ab, da ich eine Vermutung habe. Das Tor zum ehemals schönsten Schloß der Oberlausitz ist mit dicken Ketten absolut verschlossen. Wahrscheinlich hart das Bauwerk noch der Sanierung, die das Kloster St. Marienthal schon hinter sich hat. Also lassen wir uns die mit Fleisch gefüllten Teigtaschen schmecken, sehen in das Mühlenmuseum hinein, das den Eindruck erweckt, als ob der Müller am Montag wieder loslegt, etwas unaufgeräumt denkt der Deutsche, aber lebendig und so echter als manch deutsches Museum.

Wir entscheiden nach ca. 15 km unsere Wanderung zu beenden. Für ganz Eifrige gibt es nämlich noch einmal die gleiche Streckenlänge entlang der polnischen Neißeseite bis nach Görlitz, in einem sehr naturbelassenen Raum – da hätten wir aber schon 5:00 aufstehen müssen. Also wieder zurück über die Grenze zum alten Bahnhof Hagenwerder – 1 km, von wo aus uns der »Neißeexpress« zurück nach Hirschfelde bringt, vorbei an fast allen Teilen unseres gegangenen Weges, am Kloster St. Marienthal über das Brückenviadukt und schließlich dem Halt in Höhe des Kraftwerks Turow.
Noch einmal ca. 1 km zurück bis nach Rosenthal bis zu unserem Auto und in der Dämmerung dann die Rückfahrt durch die herrliche Oberlausitz nach Dresden.

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