Georg Funk, 1901 bis 1990 – Ein Städtebauer vom Elbhang

Wenn ein Städtebauer Visionen zur baulichen Entwicklung von Dresden haben will, dann wird er es als einen Glücksumstand empfinden, am Elbhang zu wohnen.

Portrait von 1965.  Foto: Bildstelle TU Dresden

Portrait von 1965.
Foto: Bildstelle TU Dresden

Das Haus von Georg Funk in Höhenlage am Oberwachwitzer Weg 22 gelegen, gewährte ihm, dem Städtebau-Professor an der TH/TU Dresden von 1949 bis 1968, diese Lagegunst. Er wusste sie im Übermaß zu schätzen und er war der Bewunderung immer wieder aufs Neue voll über die atmosphärischen Stimmungen über der fernen Stadtsilhouette und dem weiten Elbtal von Dresden. Das Haus selbst zeigt sich auch heute noch in einer sympathisch bodenständigen Bescheidenheit, angelehnt an den Hang und mit dunklem Holz verschalt.

Verkehrlich ist das Grundstück „von oben“, von Pappritz her erschlossen. Aber natürlich führen „von unten“ steile Wege nach oben – den meisten Elbhangbewohnern wohlvertraut. Professor Funk pflegte seinen Chauffeur von der Fahrbereitschaft der TU – wie ging es doch in kargen Zeiten vornehm zu – unten an die Pillnitzer Landstraße zu bestellen, weil er früh das Eintauchen in das Elbtal genoss und abends der Überzeugung fröhnte, dass ihm das tägliche „Gekraxel“ zu einem hundertjährigen Leben verhelfen werde. Er verstarb im Alter von 88 Jahren.

In der Erinnerung seiner Mitstreiter, Mitarbeiter und ehemaligen Studenten ist er als Professorenpersönlichkeit von Format lebendig geblieben und seine Bonmots wie launigen Eigenheiten sorgten noch bei vielen Absolvententreffen für Heiterkeit. Immer war einer  in der Runde dabei, dem er mit der Asche seiner unentbehrlichen Zigarre die sorgsam behandelten Zeichnungen etwas patiniert hatte. In Fachkreisen steht sein Name noch immer für „behutsamen Stadtauf- und -umbau“ und für  Respekt vor überkommenen Stadtstrukturen.

Georg Funk hatte von 1920 bis 1926 Architektur an der TH Dresden studiert. Danach trat er in den Dienst des Stadtplanungsamtes Chemnitz ein, wo er später als dessen Leiter zwei Jahrzehnte mit dem Baugeschehen in dieser bedeu­tenden sächsischen Industriestadt auf’s engste und mit großer Verantwortung verbunden war. Diese Tätigkeit konnte er auch nach 1945 weiterführen. Auch die ersten Planungen für den Wiederaufbau standen unter seiner Leitung. Mit Hochachtung sehen wir heute nach endlicher Vollendung der Chemnitzer Zentrumsbebauung die Tragfähigkeit seiner Ideen.

Mit seiner Berufung an die TH Dresden 1949 als Ordinarius für Städtebau begann eine außerordentlich fruchtbare Zeit in der Städtebauausbildung, deren über die Grenzen des Landes hinausgehende Anerkennung sich wohl am besten darin ausdrückt, dass später oft von einer „Dresdner Schule“ gesprochen wurde. Dabei muss man wissen, dass bis in die späten 60er Jahre internationale Beziehungen auch nach dem Westen in Maßen gepflegt werden konnten.

Diese „Dresdner Schule“ ging nicht mit spektakulären und Modetrends verpflichteten Ideen hausieren, sondern schwamm eher gegen den Zeitgeist der 50er Jahre, dem Urbanität und Stadträumlichkeit Fremdworte waren. So hatten damalige international gehandelte „Stararchitekten“ für den Wiederaufbau Dresdens Planungen vorgelegt, die vorsahen, das Stadtzentrum fast bis zur Elbe mit einer „modernen“ offenen Zeilenbebauung „zuzustricken“, in der Semperoper, Frauenkirche und Schloss keinen Platz mehr hatten.

Georg Funks Ringen um eine Dresden würdige Stadtgestaltung hat sich in vielen Entwürfen niedergeschlagen. Beispielhaft sollen die Wettbewerbsarbeiten von 1954 für die „Ost-West-Magistrale“  (1. Preis) und die Neugestaltung des „Dresdner Ringes“ stehen. Hochaktuell ist seine damalige Sorge, dass der Altstadtring wieder stark überbaut und verengt werden könnte. Er begriff ihn in seiner großzügigen Grünausprägung nach der Trümmerberäumung als Chan­ce für einen neuen Gestaltwert kontrapunktisch zu einem kompakt zu entwickelnden Stadtkern.

Professor Funk mit Studenten und Assistenten bei einer Entwurfsbesprechung am Neumarkt-Modell (1965). Bereits damals war die Frauenkirche Bestandteil des Ensembles. Foto: Bildstelle TU Dresden

Professor Funk mit Studenten und Assistenten bei einer Entwurfsbesprechung am Neumarkt-Modell (1965). Bereits damals war die Frauenkirche Bestandteil des Ensembles.
Foto: Bildstelle TU Dresden

Hier ist nicht der Raum, auf sein 20 Jahre währendes kontinuierliches Wirken und Streiten für Dresden einzugehen – zumal für Erfolge und Verdienste von „Städte­bauern“ selten einprägsam-fassbare Zeugen stehen wie bei den Hochbauarchitekten. Städtebauliches Wirken geht in komplexer Weise in den „Entwicklungsprozess Stadt“ ein. Genannt werden soll aber die Mitarbeit am Generalverkehrsplan und Kompositionsplan für Dresden (1961), die planerische Betreuung der TH/TU und der Medizinischen Akademie. Dem Altmarkt, dem Postplatz und der Prager Straße galt insbesondere sein kontinuierliches Bemühen um Stadträume in menschlichem Maßstab.

Obgleich es seine Art war, statt Konfrontation mehr die fachliche Überzeugungskraft zu wählen, konnte er impulsiv aufbegehren, wenn es um Hochhausprojekte im Elbtal ging. Die erste Aufgabe des Verfassers als frischgebackener Assistent an seinem Lehrstuhl war es, mit perspektivischen Untersuchungen nachzuweisen, wie stark die seinerzeit geplanten zwei Hochhausscheiben am Terrassenufer die Blickbeziehungen im Landschaftsraum Elbaue stören. Gebaut wurden sie dennoch aus politischem Prestigedenken. 40 Jahre später ist die erste Scheibe aus den damals erkannten Gründen bereits abgerissen. Aus aktueller Veranlassung drängt sich die Frage auf, was Professor Funk wohl zu dem geplanten Monstrum Waldschlößchenbrücke gesagt hätte.

Es ließen sich aber auch Beispiele anführen, wo sich die „Parteispitze“ Entscheidungshilfe am Lehrstuhl Funk holte. In Vorbereitung des Wettbewerbes für den Aufbau der Prager Straße suchte der damalige 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Krolikowski, hier Rat und Entscheidungssicherheit.

Auch im Kleinen und im Detail aller Planungen war Georg Funk der Bezug des Gebauten zur Natur und zum Landschaftsraum ein Herzensanliegen – das hatte auch viel mit seinem anthroposophisch geprägten Weltbild zu tun. Dieses strahlte unmerklich, aber warm in die menschlichen Beziehungen zu seinen Mitarbeitern und Studenten. Er ließ auch nie einen Zweifel daran, dass alle Erfolge – zum Beispiel in zahlreichen Wettbewerben – gleichermaßen die Erfolge seiner Mitarbeiter waren. Natürlich war die Stadt Dresden nur eines der Betätigungsfelder für die sehr praxisbezogene Städtebaulehre. Georg Funk erhob die Aufgabe der „Rekonstruktion der Klein- und Mittelstädte in der DDR“ zu einem zentralen Thema. Dem Lehrstuhl gelang es, mit Beispielplanungen, Studentenarbeiten und wissenschaftlichen Beiträgen ihren kulturhistorischen Wert und das ökonomische Potential aufzuzeigen und die Dringlichkeit der Aufgabe zu formulieren. Nicht zu unterschätzen ist auch Georg Funks Wirken in verschiedensten Gremien und in der Deutschen Bau­akademie. Viele Ergebnisse sind in die stadtstrukturelle Entwicklung der bearbeiteten Städte eingeflossen. Aber vor der Übermacht der auf großflächigen Plattenbau ausgelegten Bautechnologie der DDR waren den praktischen Erfolgen doch enge Grenzen gesetzt.

Das Verdienst von Professor Georg Funk ist dadurch ungeschmälert und es gibt Grund genug, an den Elbhangbewohner mit Dank zu erinnern.

Prof. Dr.-Ing. Bernhard Gräfe

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