Plädoyer für einen Elbhangtunnel

Nachtrag zu einem Aufsatz im Elbhang-Kurier

Der Dresdner Professor für Stadtplanung, Dr.-Ing. Bernhard Gräfe, zugleich Autor des Beitrages „Georg Funk – 1901 bis 1990 – Ein Städtebauer von Elbhang” (EHK 11/2007) hat sich zum Thema „Waldschlößchenbrücke oder Elbtunnel?” geäußert. Sein Statement, dass er als „Schüler” von Professor Funk bereits im Juni 2007 formuliert hat, ist weiterhin aktuell: Als Ur-Dresdner Bürger und Stadtplaner bin ich von großer Sorge erfüllt, dass mit dem Bau der Waldschlößchenbrücke, Entwurf von 1997, die Würde der Kunststadt Dresden nachhaltig verletzt wird.

Mit der damit verbundenen Aberkennung des Welterbetitels wäre der Verlust eines weltweit hochgeschätzten Kultur-Status verbunden, der in Kenntnis der absoluten Einzigartigkeit des Dresdner Elbtals vergeben wurde. Es ist keine andere Großstadt bekannt, wo in Zentrumsnähe ein weithin ungestörter Landschaftsraum dieser Dimension Bestandteil der Stadtkomposition ist.

Die weiten Elbuferbereiche zwischen Blauem Wunder und Albertbrücke sind kein Zufallsgeschenk der Natur oder Rudimente einer Landschaft, die im Prozess einer prosperierenden Stadtentwicklung und -bebauung unbemerkt oder in Ermangelung von Nutzungsangeboten „liegengeblieben” sind. Diese Elbaue ist ein über Jahrhunderte gestaltetes stadträumliches Kunstwerk und würdig, in gleicher Reihe mit den berühmten Dresdner Baudenkmalen genannt zu werden.

Selbst in Fachkreisen ist zu wenig bekannt, dass in den Gründerjahren Ende des 19. Jahrhunderts Bebauungsplanungen in diesem Auenbereich beidseitig der Elbe sehr konkrete Formen angenommen hatten. Mit hohen Dämmen zur Kanalisierung der Elbe (ähnlich Paris, Berlin, Moskau) und sie bekrönenden Elbuferstraßen sollte dem Hinterland der nötige Hochwasserschutz für eine dichte Bebauung mit Gewerbe (Transport auf dem Wasserweg) und Wohnungsbau gewährt werden. Für dieses Konglomerat war auch schon ein verführerischer Name erfunden: „Prinzenaue”.

Nur dem engagierten Einsatz von Bürgern und einigen kulturbewussten Fachleuten war es zu danken, dass der Rat sich umstimmen ließ und diesen Projekten aus stadtgestalterischen Gründen schließlich nicht zustimmte.
Auch eine Bebauung unterhalb des Waldschlößchens war nach langwierigen Gerichtsverfahren schon Mitte des 19. Jahrhunderts wegen einer Beeinträchtigung von Blickbeziehungen abgelehnt worden – vom Sächsischen König in letzter Instanz!

Ein beeindruckendes Beispiel für Verantwortung und Gestaltungssinn der Dresdner Stadtväter war 1873 der Ankauf und anschließende Abbruch des sogenannten „Sonntagschen Hauses” unweit der Albertbrücke. Es war erst 5 Jahre zuvor genehmigt gebaut worden, aber seine 5-Geschossigkeit wurde als störend für die Blickbeziehungen von der Altstadt zu den Loschwitzer Höhen und umgedreht empfunden.

Schließlich konnte die Freihaltung und Gestaltung des Elbraumes baugesetzlich festgeschrieben werden – dank dessen, dass Dresden schon seit dem 19. Jahrhundert mit seinen Bauordnungen beispielgebend an der Spitze aller europäischen Großstädte stand. Damit war der Weg frei, diesen Elbraum kontinuierlich landschaftsarchitektonisch zu formen.

So ist nicht nur die heute so bewunderte landschaftliche Situation einzigartig und deshalb Welterbe, sondern gleichermaßen der mit so viel Kultur- und Verantwortungs-bewusstsein gepflasterte lange Weg dorthin. Deshalb appelliere ich – auch im Namen vieler mir bekannter Dresdner Planer, Architekten und Ingenieure – an die Entscheidungsträger unserer Zeit, ihrer Verantwortung für die Einzigartigkeit dieses Stadtraumes nachzukommen und das überholte Monstrum Brücke von 1997 an diesem sensiblen Ort zu verhindern. Die Zeit ist nicht stehen geblieben. Inzwischen hat sich eine Tunnellösung als technisch machbar und „bezahlbar” erwiesen. Schon die sogenannte EIBS-Studie des Straßen- und Tiefbauamtes Dresden vom Dezember 2003 hat die städtebaulichen Vorzüge einer Tunnellösung gegenüber der Brücke sehr klar herausgestellt und die Lösbarkeit einiger technischer Probleme bei einer Tunnelvariante nachgewiesen. Es bleibt ein Phänomen, dass diese Studie nicht ausreichend Anlass war, sofort mit der Planung einer Untertunnelung der Elbe zu beginnen.

Inzwischen zeigen gegenwärtige Umfragen, dass die Mehrheit der Dresdner diese Brücke jetzt ablehnt und für einen Tunnel plädiert, zu dem im Bürgerbegehren gar keine Chance für ein Votum gegeben war. Nur mit einer Tunnellösung kann der Bürgerentscheid, der mehrheitlich als eine Entscheidung für eine Elbquerung an dieser Stelle verstanden worden ist, respektiert werden und zugleich unserer Zeit ein würdiger Platz im Jahrhundert-Ringen um die einmalige Ausformung dieses Elbtalabschnittes gesichert werden.

In der Welt wird erwartet, dass das Kulturbewusstsein, die Schöpfer- und Wirtschaftskraft Deutschlands dafür stehen, Hemmnisse juristischer, politischer, technischer oder gar terminlicher Art zu überwinden, die beim Bestand einer falschen Brücke unseren Nachfahren als völlig unverständlich erscheinen würden.

Tun wir alle unser Bestes!

Prof. Dr.-Ing. B. Gräfe

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