Günter Klieme (21. Juni 1929 – 30. Januar 2008)
Günter Klieme begegnete ich erstmalig im Sommer 1987. Er wollte den „Neuen“ im Graupaer Wagner-Museum kennen lernen. Kaum dass wir uns mit einander etwas bekannt gemacht hatten, zeigte er mir ein Foto von 1905, auf dem in dem abgebildeten Familienkreis sich offenbar eine Verwandte meines Vaters befand. Ich kannte dieses Foto nicht, weil dessen Wohnung in der Dresdner Johannstadt der Bombennacht 1945 zum Opfer fiel. Aus der Recherche im Persönlichen ergaben sich rasch bleibende fachliche Kontakte. Günter Klieme offenbarte sich mir stets als einer, dessen literarisches und geschichtliches Wissen wie aus einem Füllhorn sprudelte.
Er lebte geradezu dafür, es bereitwillig an Jüngere und die Jüngsten weiterzugeben, wie mir zur Wiedereröffnung des Schillerhäuschens 2005 bei der Mitwirkung von Schülern der Loschwitzer Schiller-Schule unter seiner Anleitung klar wurde. Und: Er stellte sich gern als Referent zur Verfügung. Im Wagner-Museum sprach er über Carl Gustav Carus (1989), Johann von Sachsen und sein Verhältnis zu Wagner (2001) und im Schiller-Jahr 2005 zu einigen neueren Forschungsergebnissen, was die historische Echtheit des Schillerhäuschens und die Entstehungsgeschichte der Ode „An die Freude“ (Leipzig-Gohlis und Dresden) betrifft. Zwei Dinge beeindruckten mich immer an ihm: Dass er auf gezielte Fragen nie vorschnell antwortete (obwohl ihm ein Arsenal an Wissen zur Verfügung stand), sondern sich des nie Absoluten einer Antwort immer bewusst war.
Ebenso öffnete er sich im Zuhören seinem Gegenüber und fühlte sich selbst als Dazulernender in Veranstaltungen. Und zweitens: Dass er bis zuletzt die Pflege der eigenen, ausgezeichnet lesbaren und schönen Handschrift über den Zeitgewinn eines Schreibmaschinenutzens stellte, vom heutigen PC ganz zu schweigen. Ob darin auf der Höhe unserer Zeit oder nicht – er vermochte dennoch viel und vieles zu vermitteln durch Publizieren und eigenes Vortragen. Ich werde nie vergessen, wie er mir die im und am Kurländer Palais verbrachte Brandnacht des 13./14. Februar schilderte.
Den Wiederaufbau dieser letzten innerstädtischen Kriegsruine konnte er noch miterleben und vor der Eröffnung – wie ich von seiner Witwe Rosemarie Klieme am Tage seiner Beerdigung erfuhr – sich mit dem ihm eigenen Interesse das wiedererstandene Kleinod auch innen betrachten. Mit Günter Klieme ging ein weiterer Zeitzeuge von uns, der noch über das klassisch-humanistische Universalwissen verfügte und es souverän zu handhaben wusste.
Christian Mühne