Ein fiktives Interview mit Kommerzienrat Karl August Ferdinand Lingner zum Elbhangfest-Ausklang
Zum Elbhangfest beantwortete der diesjährige Namenspatron dem Elbhang-Kurier (DB)
bereitwillig einige Fragen.
EHK: Exzellenz, das Elbhangfest im „Lingnerjahr” war eigentlich ein vorgezogenes Geburtstagsfest für Sie. Ihr 150. Geburtstag steht erst im Dezember an – haben Sie Vorbehalte angesichts der „verfrühten” Feier?
K. A. Lingner: Ich bin doch nicht abergläubig – im „Lingnerschloss” wurde zu meiner Zeit oft und ausgiebig gefeiert, im kalten Geburtstagsmonat Dezember natürlich nur im Schloss. Ich halte es deshalb gern mit der niederländischen und der englischen Königin, die ihre kalen?darischen winterlichen Geburtstagsfeiern ebenfalls in die „schöne” Jahreszeit verlegen.
EHK: Auf der Juni-Titelseite des Elbhang-Kuriers posierte neben Ihnen Ihre zeitweilige Gefährtin Julia Serda im – na, sagen wir mal – fortgeschrittenen Alter. Hätten Sie sich dafür vielleicht ein jugendlicheres Portrait von ihr gewünscht?
Lingner: Allerdings! Als ich Julia, übrigens eine österreichische Offizierstochter, 1905 als Schauspielerin im Hoftheater „entdeckte” – sie war gerade 30 und ich schon 44 – da war sie hinreißend, wie man so sagt. So ein Bild hätte ich gerne gehabt. Sie hat mich ja auch um 50 Jahre überlebt – aber „das ist ein weites Feld”. Eigentlich müsste sie neben mir begraben sein, kam sie doch 1945 nach ihrer Weltkarriere nach Dresden zurück.
EHK: Nach dem „Odol-Festumzug” und den vorangegangenen Odol-Lobgesängen von Kathi Lee und den „Traminern” vor der Loschwitzer Kirche wurde der Verdacht laut, das Elbhangfest betreibe Schleichwerbung für Odol, das ja weiterhin von einem in Dresden agierenden Unternehmen vertrieben wird. Befürchten Sie eventuell eine Neuauflage des (bombastischen) Prozesses, den Sie Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem heute noch präsenten Dresden(-Freitaler) Mund?wasserproduzenten, der auch beim Elbhangfest auf der Pillnitzer „Gesundheitswiese” aktiv war, geführt haben?
Lingner: Mit dem hier angedeuteten Mundwasser kann und will ich gar nicht konkurrieren, weil es wegen seiner pflanzlichen Bestandteile „Bio” ist. Aber „Bio” ist nicht mein Ehrgeiz – ich bleibe bei meiner alkoholisch-chemischen Rezeptur, und natürlich bei meiner unübertroffenen Flasche. Alles andere entscheidet der mündige Verbraucher.
EHK: Würden Sie heute gern wieder in Ihr „Lingnerschloss” einziehen?
Lingner: Das Haus gehört ja testamentarisch der Stadt und hat jetzt erstmalig einen souveränen Schirmherrn, der ja auch das diesjährige Elbhangfest beschirmt hat., Dr. Peter Lenk. Wenn wir mehr solche Leute in Dresden hätten …! Mein früheres Speisezimmer hat er bereits wieder herrichten lassen; wenn ich wieder einzöge, brauchte ich als Junggeselle nicht viel Platz. Besonders freue ich mich, dass Dr. Lenk bei der Elbhangfesteröffnung angekündigt hat, meinen Besuchern und mir demnächst wieder einen direkten Zugang auch vom Elbufer aus zu ermöglichen. Damit kommen wir dem „Bürgerschloss” immer näher das allerdings immer noch von einem herrschaftlichen Park umgeben ist. Und mittendrin konnten wir das Elbhangfest-Eröffnungskonzert, mein „Hauskonzert bei Lingner” erleben. Wenn wir da die mehrstöckige gläserne „Doppelhelix”, die meinem Freund Klaus Tschira vorschwebte, im Rücken gehabt hätten, wäre es allerdings mit dem herrlichen Landschaftspark vorbei gewesen.
EHK: Hätten Sie dennoch Herrn Tschira gern zum Elbhangfest getroffen?
Lingner: Er kommt ja öfter nach Dresden, und von daher weiß ich, dass wir ein paar gemeinsame Freunde haben. Die Familie Gerda und Klaus Tschira betreut mit einer großzügigen Stiftung seit einigen Jahren in Großbothen bei Grimma den Nachlass und das dortige Anwesen des Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald, der 1932 starb. Ostwald hat mir über Jahre sehr nahe gestanden, da gehörte er auch dem Aufsichtsrat der Lingner-Werke an und wir hatten viele gemeinsame Interessen. Ich habe ihn immer ein wenig beneidet, wenn er von seiner Frau und den fünf Kindern erzählte und ich nur mit meiner Tochter Charlotte, die etwas einsam aufwuchs, aufwarten konnte. Wenn ich heute auf dem „Umweg” über Ostwald mit dem spendablen Herrn Tschira ins Gespräch kommen könnte, wäre das sicher hilfreich für die bauliche Vollendung des Lingnerschlosses.
EHK: Würden Sie dann mit ihm von Ihrer Aussichtsterrasse auch gern zur Waldschlösschenbrücke blicken?
Lingner: Dazu möchte ich heute nichts sagen.
EHK: Aber, Exzellenz, haben Sie vielleicht doch noch Wünsche?
Lingner: Wenn die Semperoper in diesen Tagen nicht die Broadway-Story „Street Scene”, sondern einen ganz neuen „Rosenkavalier” inszeniert hätte – an dessen Dresdner Uraufführung vor 100 Jahren war ich ja beteiligt – , wäre ich glücklich. Insgeheim hoffe ich irgendwann auch noch auf ein „Lingner-Musical”; die diesjährigen Elbhangfest-Ideen haben ja genug Stoff geliefert, und dazu gibt es noch die „Odolkönig-Biografie” von Walter A. Büchi, der ja auch zum Elbhangfest kam – das Libretto ist also beinahe fertig, die Musik wird sich finden. Apropos Musik – wann werde ich wohl in mein Schloss wieder eine Orgel bekommen?
EHK: Diese letzte Frage geben wir gern an unsere Leser und an den Lingnerschlossverein weiter – es gab ja schon viele schöne Orgeltöne zum Elbhangfest – und danken Ihnen für den anregenden Gedankenaustausch.