Liedermacherei am Elbhang – früher und heute

Die Liedermacherei hat in unserer Gegend zwischen Meißen und der Sächsischen Schweiz eine lange Tradition.

Walter von der Vogelweide weilte im Herbst 1212 im Dienste des Markgrafen Dietrich von Meißen, bekannt als „Dietrich der Bedrängte” auf der Meißner Burg. Der Sohn von Dietrich war Markgraf Heinrich von Meißen (1218-1288), bekannt auch als Minnesänger und Dichter „Heinrich Frauenlob”. Seine Lieder sind wie die von Walter von der Vogelweide in der Manessischen  Liederhandschrift verewigt. Auch der Minnesänger Heinrich von Mogelin aus Pirna-Mügeln um 1340, setzte diese Minnesängertraditionen fort. Der Sängerkrieg 1206 auf der Wartburg war so etwas wie unsere Loschwitzer Elbhangfestliederbude im Albertpark, nur früher und ohne E-Gitarre und Verstärker.

1. Deutsches Sängerbund-Fest Sammlung M. Griebel

1. Deutsches Sängerbund-Fest
Sammlung M. Griebel

Das Mittelalter, aber auch die Renaissance  war in Mitteldeutschland eine harte Zeit für die einfachen Leute. Regelmäßige Kriege (Kreuzzüge 1096-1270, Hussitenkrieg 1424-26, Sächsischer Bruderkrieg 1446-51 und der Große Deutsche Bauernkrieg 1524-26 u.a.), aber vor allem die Schwarze Pest um 1350, viele Stadtbrände und Mißernten quälten die Menschen.   Trotz der Not entstanden wunderbare Lieder, die auf den Märkten, auf dem Felde oder bei Ritterspielen gesungen wurden, begleitet von Flöten, Leier und Brummtopf. Zu den alten Liedern gehören „ Es waren 2 Königskinder”, „Nun will der Lenz uns grüßen”, „Die Gedanken sind frei”, „Wollt ein Bauer früh aufsteh`n”, „Kein schöner Land” und „Lustig, lustig ihr lieben Brüder”. Noch viele andere haben sich bis in unsere Zeit erhalten und werden auch die Periode der MP3-Player überstehen. Mit dem Buchdruck wurde nicht nur die Gedanken der Reformation durchs Land verbreitet, auch die Lieder gingen besser von Hand zu Hand und Mund zu Mund. So auch die von Hans Leo Haßler (1564-1612), dem Schöpfer des „Lustgarten der teutschen Gesänge”, dessen bekanntestes Stück Paul Gerhardt als Kirchenlied umarbeitete – „Oh Haupt voll Blut und Wunden” und dessen Melodie Paul Simon vor ein paar Jahren für sein Lied „American tune” klaute.

In der Zeit des Barocks waren die Höfe der absolutistischen Herrscher Träger der Musikkultur. Die großen Meister Bach, Händel und danach Mozart und Haydn schufen geistliche und weltliche Lieder. Aber auch in dieser Zeit wurde das Volk durch den 30-ig jährigen Krieg 1618-1648 und später durch den 7-jährigen Krieg 1756-63 gebeutelt. Die bürgerliche Revolution in Frankreich brachte auch keine Besserung der Lebensverhältnisse, im Gegenteil  Napoleon überzog das Land mit einem mörderischen Feldzug. Besonders in Sachsen fielen tausende Soldaten. Am 2. Mai 1813, kurz vor der Völkerschlacht in Leipzig ereignete sich um den Ort Großgörschen bei Leipzig eine der verlustreichsten Schlachten der Menschheitsgeschichte. Etwa 30000 Soldaten starben auf den weiten Feldern innerhalb weniger Stunden. Aber der Sieg über Napoleon war Ausgangspunkt für das Wiederbeleben des Liedes in ganz Deutschland, geboren aus dem Sehnen der Deutschen, v. a. der Männer nach der deutschen Einheit. Und so entstanden zahllose Männergesangsvereine in allen deutschen Ländern.

Festzüge Sängerbundesfest Sammlung M. Griebel

Festzüge Sängerbundesfest
Sammlung M. Griebel

Die Bewegung gipfelte im 1. Deutschen Sängerbundesfest vom 22.-25 Juli 1865 auf den Wiesen vorm Waldschlößchen, wo heute der größte Schwibbogen der Welt steht. 16000, ja ich habe mich nicht verschrieben, 16.000 Sänger traten gemeinsam dort auf. Und eine Festhalle, zimmermannsmäßig hergestellt, so wie unsere Liederbude nur größer, dominierte das Bild auf den Elbwiesen. Die Abmaße waren Länge 271,5 Ellen (1 Elle =~ 0,6 m), Breite 120 Ellen, Höhe 34-42 Ellen, 80 Ellen freie Dachspannung und Eck- und Zwischentürme hatten eine Höhe von 51-64 Ellen. Drahtseile  von 5260 Ellen gegen Aushebung des Daches bei Sturm waren verbaut worden – 1 Leipziger Elle = 0,567m. 20 Pyramiden mit je 60 Gasflammen, sowie 1000 Gasflammen rings im Hallenschiff dienten der Beleuchtung.  Eine Telegraphenanstalt stellte den direkten Drahtverkehr aus der Halle nach St. Petersburg und Paris her.  24 Ärzte kümmerten sich bei der großen Hitze um die Erschöpften und eine Feuerlöschanstalt mit Turnerfeuerwehr stand bereit. Der Aufbau dauerte 4 Monate, der Abbau wenige Stunden, da die Halle nach dem Fest abbrannte – perfekte kostensparende Organisation.

Neben der Konstruktionen der Festhalle, war die Versorgung der Sänger und der 200.000 Besucher eine Meisterleistung und jeder heutige Caterer muss bei den folgenden Zahlen blass werden. Der „Caterer” von damals hieß Oskar Renner. Er verarbeitete 1100 Pfund Hamburger Rauchfleisch, 560 Pfund Cervelatwurst, 1800 Stck Schinken, 1500 Pfund Kaviar, 1500 Kannen Tafelbutter, 2000 Pfund Küchenbutter,  60.000 Stck Eier, 10 Tonnen Heringe, 12 Leibe Schweizerkäse, 12.000 Semmeln pro Tag, 2000 Pfund Brot pro Tag, 25 Ochsenhinterviertel täglich, 100 Kalbskeulen pro Tag und neben Unmengen an Geschirr und Bestecks noch 80.000 Festpokale. Nach Kassenschluss ergaben sich Ausgaben von 135.166 Talern und Einnahmen von 68.391 Talern. Die Differenz von 66.775 Talern übernahm die Feststadt Dresden. Ob unsere heutige Stadtverwaltung einspringt, wenn das Elbhangfest, so durch Schlechtwetter, einmal ein kräftiges Minus einfährt?

Erster Vorsitzender des am 18.9.1864 gegründeten Sächsischen Elbgausängerbundes war übrigens der Urgroßvater  vom   Maler Helge Leiberg, Adolf Leiberg,  Kunstgärtner aus Loschwitz, Grundstraße 20. Es folgten die Gründerjahre in Deutschland und hier in Dresden entstand eine der reichste Metropolen auf der Welt. 1915 plante man das 1 Sächsische Sängerbundes-Fest, dass dem 1. Weltkrieg zum Opfer fiel.

Trotz der schwierigen Nachkriegs- situation fand es dann vom 20-23. Juni 1925 an gleichem Ort statt, den finanziellen Möglichkeiten entsprechend etwas bescheidener, aber immer noch von einer gewaltigen Größe. 10.000 Sänger traten an. Die Platzkarte kostete 50 Pf., die Tageskarte 1 Mark und die Festkarte 1,50 Mark. Andre Zeiten- andre Preise. Ein großer Festzug fand am 21.6.1925 statt, ähnlich dem Dixiumzug in heutiger Zeit.

Es folgten 15 Jahre später wieder große, noch größere Gesangsvereine. Die trugen aber Lederstiefel und Gewehre und wollten das Teutsche Liedgut in der Welt verbreiten- von wegen „Böse Menschen haben keine Lieder”. Nach dem schrecklichen Ende waren es neben dem Stück Brot aber wieder die Lieder aus vergangener Zeit, die mit halfen die Lasten des Alltags zu ertragen.

Die Akkordeonspieler von „Da capo al fine“ demonstrierten die Lust am gemeinsamen Musizieren. Natürlich waren diesmal wieder viele Profis mit von der Partie. Besonders Peter Till, der einmalige Druckluftprofessor mit Wieland Wagner am Marimbaphon, Ian Fischer, der tolle Folkman aus den USA und das Duo Hand in Hand und all die anderen begeisterten. Foto: M. M. Holzauge

Die Akkordeonspieler von „Da capo al fine“ demonstrierten die Lust am gemeinsamen Musizieren. Natürlich waren diesmal wieder viele Profis mit von der Partie. Besonders Peter Till, der einmalige Druckluftprofessor mit Wieland Wagner am Marimbaphon, Ian Fischer, der tolle Folkman aus den USA und das Duo Hand in Hand und all die anderen begeisterten.
Foto: M. M. Holzauge

So ein großes Sängertreffen ist heute kaum mehr zu organisieren, da die Menge der Protagonisten fehlt, nicht mehr so nachwächst. Aber die Lieder bleiben und werden in kleinen und größeren Gemeinschaften immer noch voller Freude gesungen, wie zu Ihrer Entstehungszeit vor vielen hundert Jahren. Und so begrüßten wir in der Loschwitzer Liederbude im Albertpark mit dem Chor Friedrich Wolf, dem Chor Zwischentöne und den Bühlow-Frauen, die unter dem Motto „Die Gedanken sind frei” gemeinsam sangen – 50 Sänger – in alter Tradition.

Aber auch die Akkordeonspieler von „Da capo al fine” demonstrierten die Lust am gemeinsamen Musizieren. Natürlich waren diesmal wieder viele Profis mit von der Partie. Besonders Peter Till, der einmalige Druckluftprofessor mit Wieland Wagner am Marimbaphon, Ian Fischer, der tolle Folkman aus den USA und das Duo Hand in Hand und all die anderen begeisterten.

 

Als am Sonntag der Regen kam und nur noch wenige Gäste unter Schirmen und Bäumen zu finden waren, kam das Beste, besser der Beste,  Andreas Geffarth, der Eric Clapton aus Gera und schickte uns mit seinen genial gespielten Songs in die Nacht.

Vielen Dank den Sponsoren und Helfern vor Ort und dem Carsten Z. „hinter den Kulissen”.
Vielleicht bis 2013!

M. M. Holzauge

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