Kommentar zur Denkmal-Wiederweihe an der Brühlschen Terrasse
Stell’ Dir vor, ein Dresdner Ehrenbürger kehrt zurück, und kein offizieller Vertreter der Landeshauptstadt geht hin. So geschehen am 28. September an der Brühlschen Terrasse, als der große Sohn unserer Stadt, Loschwitzer Mitbürger und Sommergast Professor Dr. Adrian Ludwig Richter an seinem 210. Geburtstag wieder auf den angestammten Sockel am Albertinum zurückkehrte.
Die Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten hatten keinen Aufwand gescheut, um die vom ehemaligen Verein „Schlösser und Gärten Dresden e. V.“ angeschobene Wiederaufstellung des Richter-Denkmals (1898 geschaffen, 1943 von den Nazis eingeschmolzen) zu ermöglichen. In den dafür aufgewendeten 300.000 Euro steckten außer namhaften Sponsorengeldern auch eine mit Herzblut zusammengetragene Spende Bernd Beyers (siehe Seite 23 der Print-Ausgabe November 2013), die er 2003 zu seinem 65. Geburtstag unter seinen Gästen eingesammelt hatte. Eingedenk nachdrücklicher Redebeiträge („identitätsstiftendes Kunstwerk“, „bürgerschaftliches Engagement“, „ideeller Erinnerungswert“, „begreifbare Vergangenheit“) hätte auch die Dresdner Stadtspitze angesichts ihres Ehrenbürgers (seit 1878) Ludwig Richter angemessen agieren können.
Aber womöglich war Zurückhaltung angesagt, denn nach der diesmaligen Denkmalenthüllung bemerkten Kunstkenner (und vielleicht auch Anatomen), dass die Proportionen des nun nach fotografischen Vorlagen in Bronze gegossenen Meisters hätten ein wenig korrigiert werden müssen. Dem hätte der ursprüngliche Denkmalschöpfer Eugen Victor Kircheisen gewiss zugestimmt, zumal Ludwig Richter nicht durch die (vermeintliche) Größe seines Kopfes, sondern durch die Fülle seines Werkes in Erinnerung geblieben ist.
Diese Fülle ist offenbar unerschöpflich, denn wenige Tage vor Richters 210. Geburtstag präsentierte die Galerie Neue Meister ein neuerworbenes, bisher unbekanntes (und unvollendetes) Richtergemälde mit dem Titel „Feierabend“, das noch bis Anfang 2014 betrachtet werden kann. Jetzt dürfen die Galeriebesucher selbst entscheiden, wo im Albertinum eigentlich die „Sensationen“ hängen – im Ludwig-Richter-Saal oder gleich nebenan in der derzeitigen Gerhard-Richter-Sonderausstellung.
Derweil beherrscht „unser Ludwig Richter“ auf seinem Marmorsockel wieder die Szene (die allerdings bei der Einweihungsfeier musikalisch etwas eigenartig aufgemischt wurde; wer die beiden sympathischen Saxofon- bzw. E-Gitarre-Spieler nur von weitem hörte, hätte meinen können, dass dort eine Modenschau oder ein Autosalon eröffnet werden sollte – von Beiden konnte L. R. nicht mal träumen, vielleicht hätte er in diesem Falle gerufen „Feierabend!“).