Rückblick: Nach der Wahl ist … vor den Mühen der Ebene

Pathos oder Realpolitik? Offenbar besteht in Sachsen eine Neigung, mit Wahlergebnissen gelegentlich auch pathetisch umzugehen. Das lässt sich sogar (musik-)historisch belegen.

Dietrich Buschbeck

Als der sächsische Kurfürst Friedrich August (*), Sohn August des Starken, am 5. Oktober 1734 nach Leipzig kam, um dort die einjährige Wiederkehr seiner umstrittenen Wahl zum König von Polen zu feiern, wurde dort in der Messestadt eine Bach-Kantate mit folgendem Eingangschoral uraufgeführt:

»Preise dein Glücke, gesegnetes Sachsen,
weil Gott den Thron deines Königs erhält …
… und deine Bürger in Sicherheit stellt.« 
(das kann man heute auf einer CD nachhören.)

285 Jahre später, im Mai 2019, jubelte ein prominenter Loschwitzer nach der Verkündung des Wahlergebnisses von Europa- und Stadtratswahl angesichts der »Wahlgewinner« rechts von der Mitte: »Sachsen! Gelobtes Land!« (siehe DIE ZEIT vom 29. August 2019).

Und unlängst am 2. September kommentierte ein maßgeblicher sächsischer Regierungsvertreter den Ausgang der Landtagswahl mit den Worten: »Das freundliche Sachsen hat gewonnen!«

Alles in Ordnung? – zu diesem leichtfertigen Resümee könnte man kommen, wenn man dazu in der Dresdner Tagespresse liest, dass im Stadtteil Loschwitz/Wachwitz die Wahlbeteiligung bei 85,2 Prozent (in Gönnsdorf/Pappritz bei 83,6 Prozent) lag und die bisherigen »Hochburgen« offenbar verteidigt wurden. Da scheint selbst »die süße Krankheit Elbhang«, von der kürzlich im Deutschlandfunk die Rede war (20. August), eine Episode zu sein, die keiner Therapie bedarf.

Wir, zumal die Elbhang-Kurier-Leser, sollten es vielleicht etwas besser wissen und spüren, dass jetzt die vielzitierten »Mühen der Ebene« (»the trouble of the plane«) vor uns liegen. Es geht uns freilich besser als unseren englischen Nachbarn, durch deren Gesellschaft ein fast unüberbrückbarer Riss geht. Aber die »Mühe« darf nicht unterschätzt werden, die es kostet, wenn Vorurteile, Denkschemata, »Glaubensgewohnheiten«, enge Horizonte, Kompromisslosigkeit, Vergesslichkeit, Passivität oder sogar Demokratieverdruss überhand nehmen.

Wenn das »freundliche Sachsen« wirklich gewinnen soll, sollten wir auch diejenigen mitnehmen, die meinen, dass sie mit dem jüngsten Wahlergebnis »nichts anfangen« können oder darin nicht vorkommen. Möge die Gesprächskultur beiderseits des »Blauen Wunders« von unserer Einsicht, unserer Entschlossenheit profitieren.

Dietrich Buschbeck

(*) Seine glanzvolle Hochzeit 1719 mit der damaligen Kaisertochter wird derzeit im und am Palais im Großen Garten »nachgefeiert« – und das mit personeller Elbhangbeteiligung!

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