Weg 2: »Im Wesenitztal«

»Zeigefinger in sächsischer Landschaft«

von Dr. Michael Damme und Matthias Griebel

Oktober: Weg 2 »Im Wesenitztal«

Da, wohin die Lachse nach Sachsen zurückkehren

Meine Tochter fuhr uns ca. 30 km von Dresden-Loschwitz nach Stolpen, den Startpunkt dieser 19 km langen Wanderung immer dicht entlang an einem der schönsten sächsischen Bäche, die wir bei unseren Wegen durch Sachsen erlebten. Startpunkt war also ein besonderer Zeigefinger in sächsischer Landschaft – die alte Burg Stolpen. Unser Weg führt uns durch den Westrand des Westlausitzer Hügel-und Berglandes bis hin zur Dresdner Elbtalweitung.

Stolpen

Stolpen:
Nur der Berg auf dem Basaltkegel über dem Ort Jochgrim (heute Ortsteil Altstadt) hieß ursprünglich Der Stolpen: von slawisch Stolp – die Säule. 1222 als Burg erwähnt, kam sie an die Bischöfe von Meißen, die sogar von 1537 – 1555 ihre Residenz nach hier verlegten. 1558 kam die Burganlage an den sächsischen Kurfürsten „Vater August“, dessen Gemahlin Anna hier ihr Apotheken-Laboratorium einrichtete. Schon in dieser Zeit diente die Burg auch als Gefängnis für glaubensabtrünnige Geistliche, schließlich war hier die Geliebte August des Starken, Gräfin Cosel, ab 1716 inhaftiert, wo sie auch 1765 starb. Vor Stolpen fiel der erste Schuß des Siebenjährigen Krieges, der 1763 mit dem Frieden von Hubertusburg endete. Daraufhin wurde die Bergfestung 1764 aufgegeben, aber 1813 durch die Franzosen mit neuen Anlagen verstärkt, die sie jedoch bei ihrem Rückzug nach Dresden in die Luft sprengten und die Anlage weitgehend zerstörten.

Dennoch bildet Stolpen mit seinen Anlagen, Türmen und Gebäuden noch heute ein eindrucksvolles burgengeschichtliches Erlebnis. Besonders beachtenswert ist der in das harte Basaltgestein getriebene Burgbrunnen, mit dem 1608 begonnen wurde. Der Vortrieb konnte nur mit Feuer und Wasser erreicht werden und erst nach 22 Jahren kam man in 82m Tiefe auf die Wassersohle.

Die Schloßstraße geht`s hinunter bis zur Pirnaer Landstraße und dann rechts in den Altstädter Weg und hinab durch die „Altstadt“. Wir biegen links in die Mittelstraße, vorbei an der St. Lorenz – Kirche mit der kulturhistorisch wertvollen Herbig-Orgel, über die Obere Straße, die dann wieder auf die Pirnaer Landstraße führt. Unterwegs erinnert ein Steinkreuz an den Tod des Richters zu Altstadt, der 1572 auf dem Weg zu einer Hochzeit ritt „…stürzte mit dem Pferde allhier, das ihn mit dem Sattel erdrückte, das er hier Tod blieb“.
Nach 1,5 km treffen wir nun in Höhe der ehemaligen Neumühle auf unseren noch stillen, aber bald wilden Begleiter – die Wesenitz. Sie entspringt nördlich von Bischofswerda am Südhang des Valtenberges und sammelt auf ihrem 71 km langen Weg die Bäche von einer Fläche von 270 km² ein. Ihr Name stammt aus dem Slawischen – „wjazonica“, was Ulmenbach heißt. Sie bildete zeitweise die Grenze zwischen der böhmischen Oberlausitz und dem Bistum Meißen.

0,5 km geht es weiter auf der Landstraße vorbei an einer Schanze, wo das Heer der Hussiten um 1429 auf dem Weg nach Bautzen lagerte. Nun aber rechts weg von der Landstraße in die Wesenitzstraße, 2 km durch Ober- und Niederhelmsdorf. Wir folgen der Markierung mit dem blauen Punkt über den Mittelweg, die Schulstraße und biegen links in die Wilschdorfer Straße ein. Das Schloß Helmsdorf liegt nun kurz vor dem Beginn des Wesenitztales und macht einen traurigen Eindruck. Lange Zeit war es Ausbildungsstätte der sächsischen Bäckerinnung und nun steht es leer, wie so viele Schlösser und Herrenhäuser in Sachsen – na ja, ohne Moos (und Ideen) ehmd nischt los! Weiter nach rechts in die Fabrikstraße vorbei an einem Klebstoffwerk, das, welch Wunder, irgendwie noch arbeitet.

Im Wesenitztal angekommen, wandern wir nun durch ein ruhiges Naturschutzgebiet und können die Stille des Waldes genießen, die nur vom Murmeln der Wesenitz, die hier ganz flach und breit dahinfließt, begleitet wird.

Wesenitz hinter Helmsdorf

3 km weiter, an Geibelts Mühle vorbei, gehen wir durch das Eisenbahnviadukt und sind an der Roten Mühle bereits im berühmten Ort Dittersbach-Dürrröhrsdorf. Dürrröhrsdorf ist nämlich der einzigste Ort in Deutschland mit 5 „R“ im Namen – das muss man wissen! Aber seinen besonderen Ruf erhielt der Ort nicht nur durch seine Kräuterliköre, sondern vor allem durch Johann Gottlob von Quandt, einem leidenschaftlichen Freund und Förderer der Kunst, der auch sein Schloß und die angrenzenden Parkanlagen im Geiste der Romantik anlegen ließ.

Kirche Dittersbach


Dittersbach-Dürrröhrsdorf:
Eine herausragende Persönlichkeit im Zeitalter der Romantik in Sachsen, die für die Jahre nach der Französischen Revolution bis in die Dezennien des 19. Jahrhunderts anzusehen ist, war der Kunstsammler, Historiker und Mäzen Johann Gottlob von Quandt (1787-1859), der seit 1819 in Dresden wirkte. Seine Sammlung umfasste über 100 Gemälde sowie 2000 Kupferstiche, überwiegend von Zeitgenossen. Er leitete die Kunstsammlung im Sächsischen Altertumsverein, gründete 1828 (mit Carl August Böttiger) den Sächsischen Kunstverein und betätigte sich als engagierter Förderer der Künstler seiner Zeit. 1830 erwarb er das Rittergut Dittersbach, wo er sich auch als Landwirt erfolgreich betätigte. Hier war er Gastgeber für zahlreiche Künstler, von denen Ludwig Richter, Ernst Rietschel und Gottfried Semper genannt seien. Das bergige Waldgelände seiner Besitzung gestaltete Quandt zu einem romantischen Landschaftspark, den er mit dem Turmbau auf der Schönen Höhe krönte.

1831 begonnen und zwei Jahre später vollendet (Architekt Joseph Thürmer), malte der spätere Professor an der Dresdner Kunstakademie Carl Peschel im Turm die Fresken zu Dichtungen von Goethe. Die Deckenmalereien schuf Gottfried Semper. In den Jahren nach 1997 erfolgte durch den neuen Eigentümer, die Gemeinde Dürrrohrsdorf-Dittersbach, eine umfassende Bausanierung, der die Restaurierung der Innenmalereien folgte. Seit Mai 2001 dient der Turmsaal für Veranstaltungen, Trauungen und ist zu besichtigen.

Rittergut / Schloss Dittersbach

Vorbei an der Göttin der Jagd folgen wir 1 km rechtsseitig dem Wasser, das nun schon etwas kräftiger geworden ist, bis zur so genannten Teufelskanzel. Da beginnt ein 0,5 km langer Aufstieg hinauf zur Schönen Höhe mit dem Belvedere. Oben angekommen erwartet uns ein herrlicher Rundblick vom Quandtschen Turm aus. Bei klarer Sicht ist Stolpen zum Greifen nah und ebenso die „Berühmtheiten“ der sächsischen und böhmischen Schweiz. Auch der Dresdner Fernsehturm liegt gar nicht so weit von unserem Aussichtspunkt – kleenes Sachsen!

Merinoschafe kurz vor Porschendorf

Nun aber wieder hinunter Richtung Porschendorf über die Bergstraße (roter Weg), vorbei an einsturzgefährdeten Bauernhäuschen, aber auch an großartig sanierten alten Fachwerkhäusern und natürlich auch an vielen „neuen Hütten“, die so gar nicht in die Landschaft passen. Ziemlich dicke Merinoschafe lagen dort in der Herbstsonne und sahen uns bedauernd an. Wie wir erfuhren war es der Administrator Prinz Xaver von Sachsen (Vertreter seines Neffens, des noch nicht regierungsfähigen jungen Kurfürsten-Friedrich-August der I. – der Gerechte) der 200 solcher Schafe um 1765 aus Cadiz/Spanien einführte und damit den Beginn der Zucht dieser „Bläägsäcke“ in Sachsen einleitete.

Die Lohmener Klamm

Nach 3,5 km steigen wir von der Lohmener Straße aus wieder rechts hinab ins nunmehr urige, wilde Tal – die Lohmener Klamm. Hier windet sich die Wesenitz mit vehementer Kraft zwischen den Vulkangesteinen der Lausitzer Platte und dem Sandstein der hier beginnenden sächsischen Schweiz. Fast atemberaubend sind die wechselnden Motive und das Spiel von Herbstlaub, Sonne und teilweise aufschäumenden Wasser. Mitten in dieser wilden Natur zähmt ein auf einem Viadukt laufender Kanal die Wesenitz ein wenig. Ein kleines Wasserkraftwerk wurde nach der Wende saniert und liefert nun 350 Haushalten in Lohmen Strom. Vor 100 Jahren gab es hier entlang der Wesenitz noch etwa 110 Mühlen, Sägewerke und Schleifen …. welche Kraft in einem solchen Flüßchen steckt!

Zwei ältere Damen auf dem Weg empfahlen uns im Winter diese Stelle zu besuchen und ein Wunder voller Eis am Kanal, seinen Zulauf, dem Wehr und den Felsen zu sehen – vorgemerkt!

Sandsteinbruch Lohmen

Nach 2,5 km in der Klamm, steigen wir hinauf nach Lohmen, vorbei am Sandsteinbruch, der den Hauptbaustoff für den Dresdner Zwinger und die alte und neue Frauenkirche lieferte, bis zum Burgschloß Lohmen, das auf einem nun mit schweren Ankern gesicherten Felsen, bestens saniert, über dem Tal trohnt. Dieses Schicksal wünschten wir allen sächsischen Schlössern und Herrenhäusern im ländlichen Raum.

1 km weiter, vorbei an einem privat, mit viel Liebe hergerichteten Bauernmuseum, geht es wieder hinab (blauer Punkt) über die Daubemühle in den so genannten Liebethaler Grund. Die Mühle ist geschlossen – der Eigentümer wird wohl vergeblich einen neuen Pächter suchen, dabei waren die Täler noch vor gar nicht so langer Zeit kultige Ausflugsziele und die Wirte waren nicht, wie heute so oft ihre besten Gäste. Nur ein paar Meter flussabwärts das nächste Trauerspiel – die Lochmühle. Hier saß neben vielen kleinen und großen Leuten auch Richard Wagner und trank sein Bier oder seinen Wein und war sicher genauso beseelt wie wir von dieser traumhaften Natur.

Bei uns muß der Schluck aus der Plastepulle und eine halbe Dobbelbemme von daheeme genügen. Gleich hinter der Lochmühle stehen wir dann vor dem so berühmten Richard.

Lochmühle

Es ist das größte Wagnerdenkmal, das es gibt – und das ist so was von teutsch – da muss man fast die Hacken zusammenschlagen. Den beiden Japanern, die dort fotografierten war es jedenfalls der fußläufigen Mühen wert.

Richard-Wagner-Denkmal

Wieder geht es vorbei an einem verfallenen Wasserkraftwerk. Am Ende des Liebethaler Grundes nach etwa 2 km steht noch ein funktionierendes, das von echten Enthusiasten wieder instandgesetzt wurde und nun nicht viel, aber echten Ökostrom produziert.

Entlang des Wegs

Lohmen:
Die altsorbische Bezeichnung Lom/ Lomu = Steinbruch nahm das spätere Waldhufendorf an, das im 15. Jahrhundert zur Herrschaft Wehlen gehörte und nach dem Verfall der dortigen Burg zum Mittelpunkt der Herrschaft wurde. Um 1540 kam es als Amt an den Landesherrn, das Vorwerk wurde Kammergut und ab 1765 Stammschäferei für Merino-Schafe, die bis in das 20. Jahrhundert bestand. Obgleich oft als Städtchen bezeichnet, erlangte Lohmen nie Stadtrecht. Eine Papiermühle (um 1570), eine Drahtmühle (um 1785), Flachsbleiche, Spinnerei und Weberei, vor allem jedoch der Steinbruchbetrieb bildeten die Erwerbszweige der Einwohner (1871: 1300). Aus dem Kammergut ging um 1620 unter denen von Schönberg der Renaissancebau des über der Wesenitz gelegenen Schlosskomplexes mit altem und neuem Schloß hervor.
Die evangelische Kirche ist ein bedeutender Zentralbau, der sich an die Kirchenbauten von George Bähr anlehnt und entstand 1786-89 durch den Pirnaer Ratsmaurermeister Johann Daniel Kayser und den Zimmerermeister Christian-Gotthelf Reuther aus Kreischa.

Zum Kirchspiel gehören die Orte Daube, Doberzeit, Pirna- Zatzschke sowie Hohle – ein Ortsteil von Uttewalde. Für baurestoratorische Zwecke dient der Lohmener Steinbruch heute noch.

Bonnewitz

Bis zu unserem Ziel folgen wir nun in Liebethal der Grundstraße und nach links die Treppe hinauf. 1 km weiter entlang den Dichter-, Musiker- und Malerweg bis nach Bonnewitz, einem Rundlingsdorf. Hier ist die Busendhaltestelle der Linie 63, mit der wir zurück nach Dresden fahren.

Liebethal


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Karte

Wanderkarte »Im Wesenitztal«
Bearbeitung: Dr. Michael Damme

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