Vorwort

Wie so oft in den zurückliegenden Jahren bin ich mit dem Auto oder dem Flieger zu Baustellen kreuz und quer in deutschen Landen unterwegs gewesen.
Mit Reinhard Mey`s Liedzeile – Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein! – halte ich es beim Mitfliegen nicht so besonders.
Viel spannender ist da schon, wenn dann die Maschine in Dresden -Klotzsche abhebt und sich bei wolkenlosem Himmel und klarer Sicht vor dir „Dein Land“ ausbreitet. Ich möchte am liebsten Adleraugen haben um alles zu identifizieren, Fixpunkte zu finden, Flüsse, Seen, Wälder, Wege und Plätze, die ich im Leben schon kennengelernt hatte.
Dann drücke ich mir die Nase platt, verrenke mir den Hals, wenn so ein mir bekannter Ort aus meinem Blickfeld verschwindet und unter dem Flugzeug hinweg taucht. Und so hat sich mit der Zeit die Landschaft aus der Vogelperspektive schon recht plastisch in meinen Kopf eingeprägt, die Weite, aber gleichzeitig auch die Begrenztheit dieses, unseres Sachsenlandes.
Aber auch die einfache Perspektive, unterbewusst rechts und links vom Autofahrertunnelsichtfeld liegend, offen-bart uns häufig wunderschöne Aussichten auf eine Landschaft außerhalb der touristischen Wege.
Da liegen weite, gelbe Felder oder satte grüne Wiesen über einer lieblich anmutenden hügeligen Gegend, und im Unterbewusstsein hast du den Wunsch, einfach von der Piste abzubiegen und dich in sie hineinzulegen um diesem Land so richtig nah zu kommen.
Wenn eine Landschaft solche Gefühle weckt, muss sie schon etwas Besonderes in sich tragen. Also sagte ich mir damals vor 15 Jahren– biege doch einfach ab und erkunde sie, wie damals deine ersten Lieben – gehe direkt auf sie zu und lerne ihre Besonderheiten und Reize kennen und genießen.
Aber woran orientieren, wo abfahren und wo aussteigen – wie weit gehen?
Zum Glück haben unsere Ahnen mit Burg-, Schloß- und Kirchtürmen unzählige Zeigefinger in unsere sächsische Landschaft gesetzt, gewissermaßen alsHinweiszeichen für uns Heutige, jetzt die Hatz auf der Straße zu unterbrechen und diese Wegweiser aus der Nähe anzusehen.
Der letzte Anstoß zu diesen Exkursionen jedoch war ein Flug mit einer kleinen Turbopropmaschine der noch kleineren Fluggesellschaft Walter (gibt’s nimmer) von Dresden aus über Leipzig nach Düsseldorf im Frühjahr 2006. Der Kapitän begrüßte uns fünf Fluggäste mit Handschlag und gab uns aus einem Körbchen belegte Brötchen und Getränken und sagte: „Laßt`s Euch schmecken! Wir müssen heute sehr tief fliegen – es ist aber sehr gute Sicht – viel Spaß beim Schauen!“
Was danach kam war ein Traum von oben aus 800 m Höhe. Jeder Feldweg, der Restschnee und seine Erosionsfurchen, die das Schmelzwasser durch den Lößboden der Felder in der Lommatscher Pflege zieht, wenn es Frühling wird und dann wie in Adern wegfließt, war deutlich zu erkennen. Und plötzlich, mitten in diesem Bauernland ein Schloß – sächsischer Barock in Reinkultur mit traumhafter Parkanlage, irgendwo zwischen Wurzen und Leipzig (Weg Nr. 30). Ich bin platt – das Bild verschwindet. Etwas bin ich beschämt, dass ich diesen Ort noch nie besuchte und was viel schlimmer ist, dass ich ihn gar nicht kenne.
Zum Glück habe ich einen guten Freund und Nachbarn, der all das, was ich überflogen habe, an dem ich vorbeigefahren bin, hier in Sachsen, in vielen Jahren seines Lebens zu Fuß als Wanderer mit seinem Freund, dem Maler und Grafiker Wasja Götze aus Halle zu DDR–Zeiten in wochenlangen Touren durchstreifte. So hat er gewissermaßen das „sächsische Hinterland“, das normale Leben der Sachsen seiner Zeit, abseits der Metropolen Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig kennen und lieben gelernt.
Als ich ihm von der Schloßentdeckung berichtete, faltete er mich zusammen, weil ich Schloß Hubertusburg nicht kannte – hab`s überlebt. Wenn „Matz“ Griebel seine legendären Führungen durch die Dresdner Elbhänge zelebrierte, schöpfte er auch aus der Zeit auf Schusters Rappen und konnte stunden-lang viel über Sachsen und unsere Ortsgeschichte am Elbhang erzählen. So war es auch, als ich ihm die Orte meiner Abstecher ins Land zeigte. Sofort wurden Erinnerungen, Erlebnisse des Wanderers gegenwärtig und bildhaft erzählt.
Deshalb sollen diese Wanderberichte gewissermaßen auch eine Stück Rückerinnerung eines Mannes an seine Wanderjahre und von einem neuen Landstreicher durch sächsische Gefilde sein.
Sollten Sie auch auf diesen oder jenen Zeigefinger und einige Wege durch unser Land neugierig werden und allein oder mit Familie, mit Freunden auf Wanderschaft, auf Erkundungen gehen, würden wir uns freuen, denn das ist mein eigentliches Anliegen.
Übrigens – nach den ortstypischen Gaststätten fragen Sie die „Eingeborenen“, die wissen doch am besten wo noch wie bei Muttern gekocht oder welche Schänke schon wieder dicht gemacht hat.
Sollten wir bei unseren Streifzügen ab und zu die Landesgrenze kurz verlassen, ist das sicher zu tolerieren – da ja unser Sachsen in den Jahrhunderten seine Grenzen änderte – weil es meist auf der Verliererseite mit Krieg führte, und so regelmäßig Land an die Sieger abtreten musste, das meiste -nu an wen schon? Genau an Preußen.

Trotz alledem – viel Spaß!
Und nicht die Wad`ln überstrapazieren! Pausen machen, flüssige und feste Nahrung aus den Rucksack und ….. richtig genießen!

Ihr Dr. Michael Damme

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